Ich bin der Beste. Zufällig, aber der Beste.

Ja, es kommt schon mal vor, dass ich gelobt werde, die kürzeste Strecke ever gefahren zu sein. Ich fahre nachts, ich bin erschreckend uninspiriert, was meine Profitmaximierung angeht und ich tue anderen Leuten gerne was gutes. Da kommt es schon mal vor, dass man als Taxifahrer hier und da wirklich die kürzeste Strecke ausbaldowert.

So gesehen hätte es jetzt nicht unbedingt eine Überraschung sein müssen, dass mein Kunde am Ende der Tour bei 25,10 € auf der Uhr anerkennend bemerkte, er wäre noch nie so günstig heimgekommen, normalerweise seien das eher so um die 30 €.

Wieso es dennoch beachtlich war?

Kurzer Rückblick auf den Beginn der Fahrt: Der Kunde steigt ein, nennt mir eine nie gehörte Straße, konkretisiert das dann etwas und ich denke mir nur:

„WTF, was bitte ist da der kürzeste Weg?“

Anstatt an dieser Stelle wie üblich das Navi anzuschmeißen, hab ich mal fünfe gerade sein lassen und beschlossen:

„Ach, scheiß drauf: Über ein paar Hauptstraßen kriegen wir das mit viermal Abbiegen (immer nach rechts!) hin, das wird schon passen. Genauer will’s am Ende eh niemand – und der hier sowieso nicht …“

Habe dann eben bei Google Maps nochmal nachgeschaut und tatsächlich keinen Weg gefunden, der auch nur einen Hauch kürzer ist. 🙂

Zurückschauendes Fahren

Das in der Fahrschule so gerne gepredigte „vorausschauende Fahren“ ist ja auch so eine Sache, der man als Profi ambivalent gegenübersteht. Es gibt viele Momente, in denen ich tiefenentspannt durch die Berliner Prärie pflüge, die Geschwindigkeitsbegrenzungen nur so grob im Blick, die Anlage auf Lautstärkestufe 11 von 10 und eher mäßig an meiner Umwelt interessiert. Andererseits sind natürlich auch die Momente, in denen ich mit den Knien lenke und mit der sonst unter dem Beifahrersitz verstauten Luftgitarre die Soli von Metallica mitspiele, nur selten unabhängig von der Verkehrslage gewählt.

Als ich vorher auf dem Weg in den Feierabend die leere Rhinstraße entsprechend musikalisch bewaffnet entlanggebrettert bin, verriet mir dann doch ein Glänzen auf der Fahrbahn, dass ich achtsam sein sollte. Also kurzer Test mit beiden Händen am Lenkrad … O ja! Die Brücke über die S-Bahn am Bahnhof Friedrichsfelde-Ost war vereist. Trotz Vollbremsung schoss die 2925 munter geradeaus weiter, aber immerhin schön geradlinig und am Ende locker stoppbar vor der roten Ampel. So viel zum spielerischen Übermut meiner Wenigkeit. Ich mag den Winter, ich mag vereiste Straßen und auch nach 13 Jahren Führerschein wird über den Asphalt schlittern nicht weniger lustig.

Aber wie ich da so Spaß hatte, wurde mir eines bewusst: Ich hab vor einer Minute einen eigentlich auch nicht langsamen Vierzigtonner überholt, der nun bald hinter mir auftauchen müsste. Der also mit 60 km/h auf die vereiste Brücke fahren würde, auf der ein Abbremsen ggf. nicht mehr machbar ist. Ich weiß nicht, wie das andere Autofahrer halten, die gerade ihre Lieblingsmusik auf Anschlag hören und gute Laune haben – aber mir ist sowas eigentlich immer bewusst. Also hab ich, noch bevor die Lichter des Trucks im Rückspiegel aufgetaucht sind, kurz getestet, ob der Untergrund inzwischen genug Reibung hergibt. Und was der Fahrer des roten Peugeots in der Nebenstraße für Anstalten macht, loszufahren. Denn ja: Würde das Ungetüm hinter mir nicht gut bremsen können, müsste ich einen schnellen Start – ggf. auch über die rote Ampel hinweg – hinlegen müssen, um einen Unfall zu verhindern. Als ob es mir helfen würde, dass der Andere alleine schuld wäre!

Der Peugeot fuhr aus dem Gefahrenbereich, der Truck näherte sich im Rückspiegel und meine Reifen hatten Grip. Der LKW-Fahrer bremste langsam und behutsam und zudem schaltete die Ampel auf Grün, es bestand am Ende nicht mal ansatzweise eine Gefahrensituation. Schön.

In dem Fall hat mir all das Rumüberlegen nicht wirklich was gebracht und ich war bei meinem Solo auch reichlich aus dem Takt geraten. Ich glaube trotzdem, dass es am Ende solche Situationen sind, die ggf. darüber entscheiden, ob ich als professioneller Fahrer den Unterschied mache, den einen Unfall verhindere, die eine Katastrophe abwende. Sprich: Genau das, was der engagierte Laie dann halt doch nicht hinkriegt.

PS: Ja, ich weiß: Jeder hier ist der beste Autofahrer der Welt! Ich will mir hier keinen runterholen auf ein bisschen notwendige Vorsicht. Ich bin ebenso nicht frei von Fehlern und alles vorhersehen kann gleich dreimal niemand. Aber ich glaube, dass es sinnvoll ist, sowas mal anzusprechen, mal Gedanken und Diskussionen anzuregen. Am Ende geht es im Verkehr immer nur darum, dass alle zusammen eine Situation gemeistert kriegen. Am Ende ist jeder „unnötige“ Gedanke übers eigene Verhalten besser als ein Schleudertrauma oder noch schlimmeres – ich denke, da sind wir alle uns einig.

Wofür man das alles macht …

„Dann mach mal zehn. Und danke für … für die gute Laune.“

War keine Mördertour, war kein exorbitantes Trinkgeld. Aber ja: Auch um solche Kunden bin ich froh!

Reif für die Weihnachtsfeier

Gut, heute ist natürlich nicht unsere Betriebsweihnachtsfeier. Die ist – taxigewerbegerecht – am kommenden Montagabend. Und bis dahin bleibt mir eigentlich noch ein ganz normales halbes Arbeitswochenende. Was aber auch ok ist, so lange es auch normal bleibt. Die erste Hälfte war dieses Mal nämlich (erwartbar) nicht normal gewesen.

Am Donnerstag bin ich ein paar Stunden vor dem Wecker aufgestanden, damit die Bude noch halbwegs besuchstauglich werden konnte – und damit ich früh wieder müde sein würde. Von der Sache her lief es gut, die Wohnung glänzte, die Familie flog ein, ich auch pünktlich zur Arbeit und früh wieder zurück. Mit mittelprächtig passablem Ergebnis. Dumm nur, dass ich rhythmusbedingt trotzdem erst nach 5 Uhr eingeschlafen bin …

Dann folgte der eigentliche Grund für all das: 9 Uhr aufstehen und nach Potsdam fahren. Beerdigung. Noch dazu nicht irgendeine, sondern die meines Schwiegervaters – im übrigen auch ein Berliner Ex-Taxifahrer. Unerwartetes Ableben mit 54 inklusive „nicht ganz einfacher“ Familiengeschichte. Was halt so passiert. Für eine Beerdigung war’s zweifelsohne schön, aber ich denke, es ist verständlich, dass sich der Jubel diesbezüglich trotzdem in Grenzen gehalten hat. Mit anschließendem Kaffee und allem was dazugehört war es am Ende 18.30 Uhr, als ich völlig übermüdet wieder zu Hause war. Und trotzdem hab ich’s anschließend nur auf anderthalb Stunden Schlaf gebracht. Kunststück, war’s doch eigentlich eher Aufstehenszeit für mich …

Letztlich war es 23 Uhr, als ich mich mit einer verbliebenen Rest-Coffee auf den Weg gemacht hab in eine regnerische und eigentlich gute Freitagsschicht, bei der von Beginn an klar war, dass alles über drei Stunden schon ziemlich gewagt wäre bezüglich der Verkehrssicherheit. Mit viel Glück hab ich’s aber bis nicht einmal 2 Uhr wirklich auf fast 100 € geschafft und damit sogar noch mein finanzielles Minimalziel erreicht. So gesehen will ich’s mal beim Stöhnen belassen und nicht ins Jammern abdriften.

Und die letzten Stunden hab ich mich einfach etwas krampfhaft am Schreibtisch wachgehalten, damit ab heute Abend dann wirklich wieder alles nach Plan laufen kann. Und wenn’s das tut, dann würde ich sagen, hab ich mir mein Bier am Montagabend auch verdient.

Druff

„Bisse druff?“

„Äh, wie bitte?“

„Hasse wat jenomm‘?“

„Nein!?“

„Na jut, ick gloob Dir mal!“

„Das ist nett.“

„Dann bring mir mal nach Weissensee.“

„Gerne.“

„Aber druff bisse nich?“

„Nein!“

„Ah, jut. Weil, weil, ick bin ja sons‘ nich so, aba ick, also heute, heute bin ick mal richtig druff. Verstehste, ja?“

„?“

„Alles OK, Digger, will nur keenen, der so druff is wie ick, Digger!“

„Nur keine Sorge.“

„Na dann wer’n wa beste Freunde, Digger! Obwohl, jetz‘ mal im Ernst: Bisse druff?“

Leute, ich hab echt nix gegen Drogen. Habt Spaß, feiert, lasst die Sau raus! Aber glaubt mir bitte, dass ich keiner von Euch bin, ok?
😉

„Früher hätt’s dit nich‘ jejeben …“

Kaum eingestiegen, beäugte er fachmännisch den Kilometerzähler meines Autos:

„Oh, ok, hätte nicht gedacht, dass ein Opel überhaupt so lange hält …“

„Das? Das ist nix. Die letzten beiden hab ich über 400.000 gebracht.“

„Sind wohl praktisch, wa?“

„Sicher: Geringe Kosten, geringer Verbrauch, günstiger Service, bis zu sechs Leute … haben halt auch ihre Vorteile.“

„Verstehe, da bleibt mehr unterm Strich. Egal, früher hätte es das trotzdem nicht gegeben!“

Mag sein. Früher hätte Dich ein Taxifahrer vermutlich aber auch aus dem Auto geschmissen, wenn Du außer zu meckern nix zu sagen gehabt hättest. Hab ich natürlich nicht gesagt, lustigerweise gerade, weil wir heute nicht mehr „früher“ haben.

Das Problem mit „Früher“ ist halt, dass jeder es sich zurechtbiegen kann, wie er will. Da war vielleicht mehr Lametta, andererseits war das Wort Dienstleistung noch kaum erfunden – und der dazugehörige Gedanke wurde noch mit Worten gebrandmarkt, die man heute insgesamt aus der Sprache zu drängen bemüht ist.

Und, wie ich gerne völlig emotionslos anfüge:

„Wer so schwer unter dem Auto leidet, das ich tagtäglich fahre, der soll sich halt die Minute gedulden und auf einen Mercedes warten. Oder drei oder fünfzehn. Oder extra einen Mercedes bestellen oder oder oder. Ich bin mit meinem Job beschäftigt genug, ich hab wirklich kein Interesse daran, mir künftig auch noch auszumalen, in welchen Vierteln ich Leuten damit auf den Fuß treten könnte, dass ich schneller vor Ort bin als jemand, der ein anderes Auto fährt.“

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

So spannend wie möglich …

„Wow, die Ampel bei rot erwischen, muss man erst einmal schaffen.“

„Aber echt. Ich wusste gar nicht, dass es die gibt …“

„Und ein Fußgänger auf dem Zebrastreifen. Für die Kürze der Fahrt wird das ja geradezu spannend heute …“

„Sie sagen es. Wir sollen die wohl ganz explizit genießen.“

Und obwohl es wirklich nur vom Ostbahnhof zum Boxi ging, war ich da schon zufrieden: Wenigstens kein hektischer Stresser auf so einer Fahrt! Doch dann:

„Boah, Fuck, Fuck, Fuck! Wo kommt’n das jetzt her!?“

„Was ist denn?“

„Nasenbluten! Richtig übel, Fuck, Fuck, Fuck!“

Ich konnte nicht anders:

„Na, DAS ist jetzt schon ein bisschen übertrieben von Ihnen … brauchen Sie ein Taschentuch?“

„Haben Sie denn eines?“

„Na klar. Sie können auch zwei oder drei haben.“

Als wir 50 Sekunden später am Ziel ankamen, sah der Typ wirklich aus, wie ein aus einem Splatterfilm entlaufener Statist. Aber gut, langweilig erschien mir die Fahrt dieses Mal wirklich nicht, auch wenn ich sie von der Strecke genau so schon mindestens hundertmal gemacht habe. 😉