Und sowas höre ich JEDE NACHT!

Wenn es Leute interessiert, wie das Leben als Taxifahrer so ist, dann unterteilen sie sich ziemlich deutlich in zwei Gruppen:

Gruppe 1 fragt, ob das nicht ein total langweiliger Job sei, immer nur hin- und herfahren, kaputte Leute, scheiß Verkehr …

Gruppe 2 ist der festen Überzeugung, als Taxifahrer hätte man jeden Tag mit Spitzenpolitikern, Schwerkriminellen und vor allem natürlich mit Sex zu tun. Gerne auch alles auf einmal. Äh, vergesst den letzten Satz – niemand sollte sich schwerkriminelle Politiker beim Sex vorstellen müssen … 😉

Wen ich mag, das sind die Leute aus der völlig untergehenden Gruppe 3: Die absolvieren gerade eine nahezu durchschnittliche Taxifahrt, erkennen dabei ein oder zwei lustige Dinge und sind dann völlig gefesselt von der Vorstellung, sowas könne einem als Taxifahrer öfter passieren.

Dieses Mal war es eine tiefenentspannte und vor allem völlig müde Truppe aus dem Sisyphos. Seit 30 Stunden wollen sie gefeiert haben, und wer das Publikum dort kennt, weiß, dass das kein Witz war. Sie ließen sich an unterschiedlichen Punkten der Route aussetzen und dabei kam es zu einer wirklich unglaublich lächerlichen Begebenheit:

Person A versprach, sich morgen wegen einer ausgeliehenen Jacke nochmal zu melden und sie vorbeizubringen – und Person B entgegnete, dass sie das doch schon gestern getan hätten und sie die Jacke schon wieder hätte. Aber natürlich ist diese kleine Vergesslichkeit auf Drogen viel lustiger. Und so wandte sich Person B zu mir, stierte mich mit weit aufgerissenen Augen über den Innenspiegel an und meinte:

„O mein Gott, und sowas musst Du JEDE NACHT mit anhören!?“

Nein, nicht. Aber:

„Sagen wir’s mal so: Mir ist an der Fahrt bisher nichts besonderes aufgefallen.“

Und so isses halt: DIE großen Stories passieren selten, selbst uns Taxifahrern. Unsere Zielgruppe sind ja nicht nur Verhaltensauffällige. Aber man kriegt halt irgendwann alles mal mit. Und wirklich ungewöhnlich ist dann halt auch recht schnell nichts mehr – dazu muss man sich schon wie ich bemühen, auch kleine Dinge lustig zu finden.

PS: Das erste Mal hatte ich „Gruppe 3“ in Form von ein paar Mädels, die sich einfach nur darüber unterhalten haben, wie eine von ihnen ein neues Bett gekauft und aufgebaut hat. Wirklich unglaublich … ähm, spannend?

11 Kommentare bis “Und sowas höre ich JEDE NACHT!”

  1. Sash sagt:

    @David:
    Das hatte ich mir schon beím Schreiben des Absatzes gedacht. 🙂

  2. Sternennacht sagt:

    Ich hatte 2006 während eines WM Spieles vier Mädel im Auto, volles Fan Outfit, Wangen schwarz rot gold angemalt, Fahnen in der Hand ( nicht aus dem Mund ) usw. Sie waren durch die Bank ca 20 sehr attraktiv und kein bisschen eingebildet.

    Dann fingen sie an über das Spiel zu urteilen: Mein Gott hast du Lahm gesehen?! So süss. Und Hitzlsberger?! Wie hübsch der ist. Podolski?! Tolle Frisur. Kreisch Juchz Juhuu. Ich weiß nicht mehr über wen sie noch sprachen. Es ging nur ums aussehen und nicht wirklich um Fußball 🙂 Eine völlig neue Erfahrung auf diesem Gebiet für mich. Aber eine sehr angenehme Fahrt.

    Auch immer wieder nett sind Fahrgäste die selten Weg gehen und dann in kleiner Runde nicht unangenehm lustig sind ( sprich alte Witze zum besten geben aber den Taxler in Ruhe lassen ) und dann meinen: So eine verrückte Fahrt haben sie selten?! Da es meist sympathische Leute sind, stimme ich zu, und denke wenn ihr wüsstet was ich manchmal für ein G’schwerl hier sitzen habe.

  3. Aro sagt:

    Wie jetzt Sash, Du hast keinen täglichen Sex im Taxi? Das enttäuscht mich aber 😉

  4. Sash sagt:

    @Aro:
    Besser ich enttäusche Dich als Ozie. 🙂

  5. hrururur sagt:

    @Sash: DAS ist die romantischste Aussage, die ich diese Woche mitbekommen durfte und ich freu mich sehr darüber. In diesem kleinen und völlig belanglosen Spruch steckt so viel Liebe und Aufrichtigkeit. Hach <3<3<3

  6. Gottloser sagt:

    „Schwerkrimineller Politiker“ ist wie „weißer Schimmel“ oder „alkoholkranker Arzt“. Das Adjektiv ist überflüssig.

  7. Cliff McLane sagt:

    > niemand sollte sich schwerkriminelle Politiker beim Sex vorstellen müssen

    Vorsätzliches Verursachen von Kopfkino, das fällt unter §226:
    https://dejure.org/gesetze/StGB/226.html

    „(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person
    1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert, […]
    so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
    (2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Taxifahren nicht unter drei Jahren.“

  8. Cliff McLane sagt:

    > ein neues Bett gekauft und aufgebaut hat. Wirklich unglaublich … ähm, spannend?

    Mhm, ja. Ich hatte mal einen Studienkollegen, der hat das zwei Frauen in aller Ausführlichkeit beschrieben, wie er nicht nur ein Bett, sondern auch zwei Regale aufgebaut hat. Bei Erstsemestern in einer fremden Stadt kann man mit IKEA-Kenntnissen durchaus landen, unterschätz das nicht. Die kennen das Wort „Werkzeug“ nur aus dem Duden; wie sowas aussieht und was man mit einem Schraubenzieher anfängt, wissen die nicht. Und beim Wort „Bohrmaschine“ fangen sie an albern zu kichern.

  9. Bernd K. sagt:

    @Cliff, lass uns doch bitte wissen, welche Studienrichtung so unter Weltfremdheit leidet 😉

  10. Cliff McLane sagt:

    @Bernd, kannst dir’s aussuchen; fast alle Erstsemester aus akademischem Elternhaus leiden unter Weltfremdheit. Besonders betroffen sind jedoch BWLer, Juristen und Soziologen. Ach ja, und Germanisten. Man kann es ihnen aber nicht zum Vorwurf machen, denn wer nie einen Schraubenzieher in der Hand hatte, kann damit auch nicht umgehen. Oder lädt eine Standard-Umzugskiste mit Büchern voll und wundert sich, warum die sich nicht anheben lässt.

    Es ist aber auch der Zweck des Studierens (und zwar nicht heimatnah), mal ein paar praktische Lebenserfahrungen zu sammeln.

    Ich stamme aus einer Handwerkerfamilie und tat mich da etwas leichter; dafür hatte ich andere Probleme. Ich kann z.B. bis heute hochtrabendes akademisches Blabla nicht ausstehen und arbeite derzeit in einem Beruf, bei dem etwas akademische Bildung zwar Vorteile bringt, aber nicht unbedingt nötig wäre.

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