Es war wirklich bescheuert von mir, an den Ostbahnhof ranzufahren. Die letzten Züge waren raus, der McDonald’s hatte bereits zu und von den umliegenden Clubs hatte keiner überhaupt erst aufgemacht. Aussichtsloser kann’s für Taxifahrer nicht mehr werden. Also vor allem für einen Nichtfunker wie mich. Aber ich fuhr gerade so vorbei und da stand ein mir bekannter Kollege. Also hab ich angehalten und ihn mal gefragt, ob hier noch was gehen würde. Die Antwort lautete ungefähr:
„Nee, ganz bestimmt nicht. Gerade kam ein Reisebus an, aber die zwei an der Haltestelle dort vorne sind die einzigen übrigen Menschen hier und die warten wohl auf den Nachtbus.“
Und der kam dann auch und sackte sie ein.
Ich und der Kollege quatschten kurz, dann kam von weiter hinten doch noch ein Pärchen an. Die beiden waren alt und langsam, also sagte ich dem Kollegen, er solle vorfahren – wenn sie tatsächlich kein Taxi brauchen würden, würde ich ihn wieder auf Position eins lassen. Wir waren ja die beiden einzigen dort. Also ist er vorgefahren und hat die Leute tatsächlich eingeladen.
Da hab ich dann aufgegeben. Es waren endgültig alle Menschen weg und der Kollege nun auch. Und ich hatte mich nicht reingesteigert, dort noch eine Tour zu bekommen. Also hab ich noch während des Einladevorgangs der anderen den Kollegen überholt und bin einfach losgefahren. Wohin auch immer. Und dann stand ganz ganz am Ende der Haltestelle noch ein kleiner alter Mann mit großem Koffer und guckte mich skeptisch an. Also hab ich’s riskiert und einfach mal gefragt, ob er zufällig ein Taxi brauchen könnte.
Und siehe da: Er konnte ein Taxi brauchen! 🙂
Es stellte sich schnell raus, dass er wegen seines schweren Asthmas nicht bis zum Stand laufen konnte – von Rufen wollen wir gar nicht reden! Er brauchte auch im Auto noch ein paar Minuten, um wieder ordentlich atmen zu können, aber immerhin hatte er schon eine grobe Ecke in Hellersdorf genannt. Eine 25€-Tour, das tat gut nach langem Leerlauf bei mir. Der überaus lustige Kauz hat mir erzählt, er sei in Südfrankreich gewesen un dieses und jenes und überhaupt. Bis in die Sechziger zurück haben seine Geschichten gereicht.
Das Fahrtziel konnte ich nur auf vielleicht einen Kilometer genau einschätzen, also fragte ich zwischendurch mal nach, ob mein vorgeschlagener Weg ok sei. Er meinte dann, dass er anders fahren würde, er zeige es mir. Ich hab nix gegen solche Ansagen – und der alte Herr hatte mir einige Jahrzehnte Ortskunde voraus. Dass das nicht viel aussagte, wurde mir dann drei Minuten später bewusst, denn er brachte einige Straßen ziemlich durcheinander – was an dem Punkt dann bedeutete, dass wir einen ziemlich gewaltigen Haken fahren mussten und ich vorher doch lieber meinem Instinkt hätte vertrauen sollen.
Aber der freundliche Greis entschuldigte sich noch bei mir und sagte, ich solle die Uhr ruhig anlassen.
„Ick ärger mir, wenn dit’n Fahrer so von sich aus macht. Aber war ja nu auch mein Fehler, so’n bisschen, wa?“
Wir haben uns drauf geeinigt, dass wir ein wenig aneinander vorbeigeredet hätten – auch wenn er wirklich argen Bockmist bei seinen Ansagen verzapft hat. Am Ende war aus der 25€-Fahrt eine Tour geworden, bei der 29,00 € auf der Uhr standen – satte drei Kilometer Umweg. Das war in der lauen Nacht Geschenk genug, ich hab mich in Gedanken mit dem erwarteten einen Euro Trinkgeld zufrieden gegeben. Und dann streckt mir der Vogel einen Fuffi zu und meint:
„Gib’s ma’n Zehner wieder! OK?“
Meine aufrichtigen Dankesworte quittierte er mit den Worten:
„Ach, dit war allet so teuer, da kommt’s darauf och nich‘ mehr an. Man muss dit Jeld unta de Leute bring‘, saick imma!“
Ein Leut dankt! Und ist froh, dass es gefragt hat. 🙂
Diese Anfangssituation kommt unter der Woche in unserer DorfHansestadt häufig vor. Und trotz der aussichtslosigkeit, wunder ich mich dann immer, wo dann plötzlich manche Fahrgäste auftauchen…
Schön die Berliner Aussprache getroffen. Fürn Zujezohnen nich schlecht.
Ana: sowas ist für Zugezogene oft sogar leichter, weil man selber den Dialekt quasi rausrechnet. Wenn ich „Meech“ sage, dann sage ich ja nicht „Meech“, sondern „Milch“ und schreib auch dementsprechend.
Mal was Anderes… das direkte Ansprechen von Rumstehenden ist doch im Grunde nicht erlaubt, oder?
Ich seh immer die Taxen nachts an der Bushalte vorbeischleichen (Schrittempo wäre gerast), ohne dass jemand mal die Scheibe runterkurbelt und sich feilbietet. Das würde man sich doch nicht entgehen lassen, sonst.
@taxiblog bremen:
Kenne ich. Aber überleg Dir mal, wo Du rumhängst, wenn Du dann plötzlich beschließt, ein Taxi ranzuwinken …
@Ana:
Vielen Dank! Ick bemüh‘ mir ja ooch! 🙂
Was das Ansprechen angeht: Ich schätze, dass das eine Grauzone ist. Sicher: Wir dürfen Kunden eigentlich nicht anwerben. Und das halte ich für eine verdammt sinnvolle Regelung. Tatsächlich sind aber auch unsere Kunden bisweilen reichlich schüchtern und winken teilweise extrem spät, unerkennbar, etc.
So gesehen wird man den Einzelfall also unterschiedlich bewerten können. Im von dir genannten Verhalten erkenne ich mich in diesem Einzelfall zu 100% wider – das überall zu machen würde ich als aufdringlich empfinden …
@hrhrurur:
Interessante Theorie …