Ein Danke nach Oldenburg

Gestern sind über alle Kanäle Infos zu einem Fall in Oldenburg eingetrudelt und ich wollte das auch an die „Nur“-Leserschaft weitergeben. Während ich mich auf die Weihnachtsfeier im Betrieb freue und mit meinen Chefs bestens auskomme, wird in Oldenburg ein Taxifahrer entlassen. Gut, das mag vorkommen – und ist derzeit wegen des bevorstehenden Mindestlohns sogar recht häufig. Was die dortige Geschichte aber so unglaublich macht, ist der Grund.

Besagter Kollege hat eine gewalttätige Auseinandersetzung zweier Männer gesehen und eingegriffen. Er konnte den einen Typen verjagen, der dem anderen, am Boden liegenden, gegen den Kopf trat. Anschließend kümmerte er sich um Hilfe, nahm sogar kurzzeitig noch die Verfolgung des Täters auf. Ein erstklassiges Beispiel für Zivilcourage, ein Helfer in der Not? Sicher. Das zumindest scheint laut diesem Bericht auch die Meinung der Polizei zu sein. Vielleicht hat er gar ein Leben gerettet, obwohl er hätte vorbeifahren können. Solche Leute wünscht man sich, wenn man selbst mal in Bedrängnis gerät!

Sein Chef hingegen sah das ganz anders. Der Kollege war so mit Hilfe und am Ende mit der Zeugenaussage beschäftigt, dass er – irgendwie nachvollziehbar – keine Fahrtaufträge mehr annahm. Das reichte dem Chef – zumindest vorerst – für eine Kündigung. Und besagter Kollege ist nicht etwa erst nach drei Tagen wieder aufgetaucht und hat die Story als Entschuldigung gebracht. Nein, nachdem der Chef offenbar binnen kürzester Zeit einfach das Auto von einem anderen Fahrer abholen ließ, kam der mutige Kollege mit Begleitung der Polizei ins Büro, welche ihn über alle Maßen für seinen Einsatz lobte – und entsprechend überrascht war, dass dem Helden gekündigt wurde.

Nun ist in anderen Städten und auf dem Land das Taxigeschäft anders als in Berlin. Da organisieren die Betriebe selbst die Fahrtvermittlung und die Unternehmen kämpfen gegenseitig um Kunden. Das ist eine andere Situation als hier. Und natürlich ist eine ungenehmigte „Pause“ da was anderes und die Fahrer stehen mehr in der Pflicht. Schön und gut. Aber der junge Taxifahrer dort hat vermutlich ein Leben gerettet, ein Verbrechen verhindert und getan, was viel zu wenige Menschen da draußen tun: Ungeachtet eigener Gefährdung einen Menschen beschützt. Es gibt keine – aber auch gar keine – Begründung, warum sowas mit einem Jobverlust bestraft werden darf. Und wenn es ein paar tausend Euro gekostet haben sollte (was hier sicher nicht der Fall war).

Sollte die Geschichte sich wirklich so zugetragen haben, dann möchte ich meinem Oldenburger Kollegen jedenfalls ein dickes Danke dafür ausrichten, dass er so gehandelt hat wie er gehandelt hat. Und seinem Chef so ungefähr die Situation herbeiwünschen, die der durch den Fahrer Gerettete inne hatte. Jetzt mal aus dem Bauch raus formuliert – natürlich wünscht man selbst Arschlöchern sowas eigentlich nicht.

Innerlich würde ich jetzt bei einem Shitstorm gegen das Unternehmen jubeln – aber ich möchte dennoch davor warnen. Ja, dem Chef die Laune und das Geschäft zu verderben, würde jetzt Spaß machen. Vermutlich würde man mit so einer Aktion am Ende aber mehr den Fahrern – eventuell also auch diesem einen besonders guten – schaden. Also ruhig Blut da draußen, bitte! Keine Namen und Adressen posten, wir sind hier nicht bei bild.de!

Ich würde mich über Infos freuen, ich würde z.B. auch gerne mit dem Kollegn selbst sprechen, falls ihn jemand kennt. Aber wenn es um persönliche Daten geht, dann bitte nicht öffentlich!

Ich freue mich jetzt erst einmal über mein Wochenende und darüber, dass ich solche Arbeitsverhältnisse bisher vermeiden konnte. Leider ist ja gerade beim Taxifahren keine Lösung, Kollegen aus anderen Städten ins eigene Unternehmen einzuladen. Sonst würde ich das natürlich tun.

Weihnachtsfeier! \o/

Wo ich die Tage immer mehr Kundschaft von Weihnachtsfeiern aufgabele, hätte ich fast schon die unserer Firma vergessen. OK, war nur Spaß, ich hab sie mir natürlich abgespeichert.

„Wie immer“ findet sie auch dieses Jahr am Montag – dem vermutlich einfach traditionell schlechtesten Tag im Taxigewerbe – statt. Und zwar am jetzt kommenden. Wie jedes Jahr freue ich mich, ein paar Kollegen zu treffen, die man übers Jahr selten gesehen hat, ebenso lassen mir aber die Aussicht auf Gänsebraten und Bier das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Natürlich weiß ich wie immer nicht, wie es laufen wird. Wird Kollege A. im Vollrausch wieder absurde Geschichten erzählen und Kollege T. unterm Billardtisch die Nacht verbringen? Werde ich mit Ben um 3 Uhr zur Tanke wanken, um noch einen Kasten Desperados zu holen? Oder schlägt mich endlich mal irgendein neuer Kollege beim firmeneigenen Tischkicker?
Und welchem firmenfremden Kollegen werde ich Angst einjagen, wenn ich heimfahre?

Fragen über Fragen!

Alle davon werde ich sicher schon am Tag danach nicht mehr beantworten können. Aber ich bin guter Dinge, dass das Ganze eher ein Spaß als eine lästige Pflichtübung wird. Denn auch nach nunmehr über 6 Jahren gilt eines noch immer ausnahmslos:

Ich verlasse unseren Firmensitz stets besser gelaunt als ich ihn betreten hab. Und weder ich noch meine Chefs wollen daran was ändern.

Schichtrettung mal wieder

Die Nacht fing langsam an, es tröpfelten nur ein paar kurze Touren herein. Schlimmer noch: Das Trinkgeld war unterirdisch. Keine 50 Cent pro Tour. Und ich kann’s gerade echt gebrauchen.

Zuerst lief das mit den Touren an. Eine lange Tour nach Tempelhof, Winker nach Charlottenburg, ein weiterer auf dem Weg zurück Richtung Osten … aber das Trinkgeld war immer noch mau. Dann eine lange Tour mit netter Unterhaltung, der geplante Umsatz war fast eingefahren. Aber immer noch hatte ich bei 10 Touren und 116 € Umsatz kaum 5 € Trinkgeld zusammen. Die nette Tour hatte diesbezüglich nur 40 Cent abgeworfen. 🙁

Dann noch ein verstrahlter Weihnachtsfeierer.

„Bringst mich nach Pankow?“

„Klar.“

„Was macht das?“

„Boah, hast mich erwischt: Kann ich gerade schlecht einschätzen …“

„Na, ich geb‘ dir’n Zwanni, ok?“

„So teuer wird es nicht werden!“

„Egal, kriegst’n Zwanni!“

Und er hat Wort gehalten. Dabei standen trotz ziemlichen Umwegs (seiner und meiner Verpreilung gleichermaßen geschuldet) am Ende gerade einmal 10,80 € auf der Uhr.

„Ich geb‘ gern Trinkgeld.“

hat er beim Aussteigen gesagt. Und ich konnte nicht lügen:

„Naja, ich nehm’s auch gerne an.“

🙂

Macht’s gut, Klaus und Moni!

Es ist schon ein paar Jahre her, da schrieb mich ein gewisser Klaus an und fragte nach, wie man das denn machen würde mit dem Bloggen. Er hätte da auch ein paar Geschichten, die er erzählen wolle. Klaus war ebenfalls Taxifahrer in Berlin, ebenfalls Schwabe wie ich – nur schon locker zwei Jahrzehnte vor mir hierher gekommen. Und insgesamt an Lebensjahren und Erfahrung reicher.

Ich kann mich nicht daran erinnern, ihm zum Schreiben einen wirklich guten oder hilfreichen Tipp gegeben zu haben. Vielleicht ein bisschen Zuspruch, mehr eher nicht. Sein cab-log (Was war ich anfangs neidisch auf den Namen!) wäre also sicher auch ohne mich aufgeblüht. Denn Klaus hatte wahrlich Geschichten zu erzählen und die Warnung, sie seien sprachlich „ungeschliffen“ niedergeschrieben, prangt eigentlich seit den Anfangstagen grundlos auf seiner Startseite.

Ich hab Klaus öfter am Stand getroffen, und ein paarmal auch gemeinsam mit Aro abends in der Stadt. Da haben wir drei aktiven Berliner Taxiblogger unsere Reviere abgesteckt und auch sonst viel geheimnisvolles besprochen, was uns die Weltherrschaft sichern sollte. Vielleicht haben wir auch nur Bier getrunken und Geschichten erzählt, ihr werdet’s nie erfahren. 😉

Von Aro habe ich dann eben mitgeteilt bekommen, dass Klaus vor kurzem gestorben ist. Noch ein paar Tage vor seiner Frau Moni, deren Tod krankheitsbedingt offenbar erwartbar bevorstand.

Ich will nicht verschweigen, dass ich das von Aro erfahren habe, weil Klaus und ich zuletzt unsere Differenzen hatten und ich auch Moni nur aus seinen schillernden Erzählungen über sie kannte. Dass Klaus und ich uns wegen ziemlicher Kleinigkeiten in den Haaren hatten, hat aber nie etwas daran geändert, dass ich in ihm immer einen großartigen Kollegen, guten Blogger und netten Menschen gesehen habe. Und dass ich es jetzt unendlich traurig finde, dass er und seine Frau nicht die vielen Reisen fortführen oder Berlins schönste Winkel aufspüren können, wie sie es in den letzten Jahren mit unglaublicher Begeisterung getan haben. Dass es die beiden so plötzlich aus dem Leben gerissen hat, ist einfach nur unfair.

Ich möchte allen engen Freunden und Verwandten mein aufrichtigstes Beileid aussprechen.

🙁

PS: Aro hat ebenfalls über den Tod der beiden gebloggt und es freut mich zu lesen, dass er offenbar das cab-log als Erinnerung erhalten will. Vielleicht nutzt ihr die Chance ja, nochmal ein wenig darin zu stöbern und so einem der guten Berliner Taxifahrer und -blogger die letzte Ehre zu erweisen.

Eine Buchempfehlung

Tom Vanderbilt: Auto

Warum wir fahren, wie wir fahren und was das über uns sagt

Das Buch wurde mir irgendwann einmal hier bei GNIT in den Kommentaren empfohlen und mir letztlich auch über meine Wunschliste bei Amazon geschenkt. Ich hab die Empfehlung des Titels und des Titelbildes wegen nicht so sonderlich ernst genommen und mich auch nicht weiter informiert. Was soll das schon sein? Ein kleines Büchlein, in dem irgendwer Autofahrerklischees aufgreift und die BILD zitiert, wenn die auf die Idee kommt, Porschefahrern kleine primäre Geschlechtsorgane zu unterstellen?

Nein, weit gefehlt.

Also ja, das Buch ist ein populärwissenschaftliches Sachbuch übers Autofahren und gefällig geschrieben. Aber es ist umfangreich und vermutlich das Gegenteil dessen, was wir als durchschnittliche Autofahrer gerne lesen wollen. Und deswegen sollten.
Für überzeugte Autofahrer ist es beileibe nicht die leichteste Lektüre. Zum einen über 400 Seiten dick (+ über 50 Seiten Quellennachweise und Erläuterungen), zum anderen für wirklich jeden mindestens einmal ein Schlag ins Gesicht.

Übers Fahren machen so viele „Weisheiten“ die Runde, da kann jeder etwas beitragen – aber was davon ist wirklich haltbar?

Das Buch deckt eine Menge verkehrstechnische und verkehrspsychologische Gebiete ab. Natürlich – ich sagte schon: populärwissenschaftlich – immer nur in Teilen. Vanderbilt schreibt über Drängler, Staus, Aufmerksamkeit, selbstfahrende Autos, Gefahrenabwägungen, schilderfreie Städte, den Verkehr als kulturelles Phänomen … und all das nach zugegebenermaßen laienhafter Einschätzung sehr faktenbasiert. 5 Jahre hat das Buch auf dem Buckel, manche Überraschungen (z.B. dass Fahrradspuren auf der Straße sicherer sind als getrennte Fahrradwege) sind heute keine mehr, dennoch liefert diese Sammlung immer wieder Hinweise darauf, wie wir Autofahrer systematisch unterschätzen, was wir da machen. Und das sage ich jetzt als jemand, der trotz seines Fahrerjobs selten durch Autolobby-Kampfvokabular auffällt.

Ich gebe zu, dass ich die letzten Monate selten zum Lesen gekommen bin und damit auch dieses Buch nicht mal eben kurz durchgerockt habe. Ich hab also auch nur noch einen Teil des Inhaltes im Gedächtnis. Was mir aber nach jeder Lese-Etappe irgendwie im Kopf blieb, war der Gedanke, dass man dieses Buch eigentlich lesen sollte, bevor man den Führerschein macht. Nicht, weil man damit ein paar Leute abschrecken könnte (was man vermutlich kann), sondern weil es unterschwellig und leicht selbstironisch aus der Sicht eines Autofahrers mit erweitertem Wissen zeigt, wie unzulänglich wir eigentlich alle sind und wie leicht wir uns durch nicht immer sinnvolle Signale in die Irre führen lassen.

„Ja, dit war ja nur so Psychologen-Jelaber für Psychologen, dit hat ja nüscht mit hier auffer Straße zu tun …“

sagte mal ein Kollege nach einem entsprechenden Seminar bei uns in der Firma. Dieses Buch könnte bei einzelnen Leuten diese Lücke schließen, den Bezug zwischen ihrem Verhalten und ihrem normalen Umfeld herstellen. Und wenn es das nicht kann, dann vermutlich auch kaum ein anderes.

Natürlich ist das irgendwie ein Spartenbuch für Leute, die gerne über den Verkehr nachdenken. Und dann auch wieder nicht, weil wir ja alle irgendwie ständig im Verkehr unterwegs sind. Deswegen möchte ich es wirklich gerne für alle hier empfehlen. Und jenen, den ich jetzt Angst gemacht habe vor „schwerer Lektüre“ oder dem „Schlag ins Gesicht“, möchte ich sagen:

„Schwer zu lesen ist es nicht. Es ist leicht verständlich und unterhaltsam. Und der Schlag ins Gesicht tut nicht weh, so lange man sein Hirn sowieso gelegentlich nutzt. Ich hab auch Kritik an manchen Punkten und ich wünschte auch, dass einiges im Buch erfunden ist. Aber es hilft eben auch, Probleme erst einmal zu erfassen und sich weiter zu informieren.“

Alles in allem wirklich ein großartiges Buch, ganz ehrlich!

Tom Vanderbilt: Auto (Amazon-Ref-Link)

Nicht so schöne Touren

Aus der Reihe „Sätze, die ich selten sage“:

„Es tut mir leid. Ich würde jetzt gerne irgendwas aufheiterndes sagen, aber mir fällt nix ein …“

Das war gelogen. Mir wäre jede Menge eingefallen. Nur eben nix, was die Fahrt erträglicher gemacht oder meiner Kundin geholfen hätte. Ihr Problem war eine leider alltägliche Geschichte: Sie war ausgegangen mit ihrem Freund, und der wollte am Ende lieber mit Kumpels weiterfeiern als heimgehen – obwohl das so abgemacht war.

Eigentlich nichts, was man in einer sonst funktionierenden Beziehung nicht irgendwie wieder hinbiegen könnte.

Oder für was man Ausnahmeregelungen hätte treffen können.

Oder überhaupt einmal ergebnisoffen drüber diskutieren.

Aber ich bin ja hoffnungsvoller Optimist bezüglich Beziehungen und wünsche jetzt wenigstens nachträglich guten Versöhnungssex. Und wenn sich sonst keine Gelegenheit zum Reden ergibt, können sie dabei gerne noch darüber diskutieren, wie viel Trinkgeld man im Taxi so gibt, nachdem man zwanzig Minuten die Laune runterzieht … 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.