„Diese Straße … 47!“

Es gibt so Fahrten, die einen ganz eigenen Typus begründen. Derer gibt es fraglich viele verschiedene. Und sicher hat jeder Fahrer so seine eigenen Schubladen, in die er die Fahrten ggf. steckt. Ich hab da beispielsweise die „Rentner vom Bahnhof in einen Außenbezirk“-Fahrten als eigene Kategorie. Die sind überwiegend stressfrei und nicht selten ertragreich beim Trinkgeld. Zusätzlich gibt’s oft interessante Infos aus der Berliner Geschichte.
Oder die „Berghain zu einer Schwulenbar nach Schöneberg“-Touren: ebenso stressfrei, meist sogar langweilig, dafür viel Englisch.

Worauf ich jetzt eigentlich raus will, sind die fast schon hobbymäßigen „Null Aufwand und damit gutes Geld“-Fahrten. Schätze, diese Sortierung nehmen andere Kollegen auch gelegentlich vor. Das sind die Fahrten, die man kriegt, wenn man sowieso in die Richtung unterwegs ist – oder etwa eine Kurzstrecke mit nur ein paar Metern Umweg serviert bekommt. Am Sonntagmorgen hatte ich z.B. meinen Umsatz beisammen, als ich einen Kunden am Adlon abgeliefert hatte. Auf dem Heimweg stieg mir an der Französischen Straße ein Winker zu und wollte zum nh Hotel „Alexanderplatz“. Das lag (abgesehen von 5 Metern Umweg in die Hotelvorfahrt) komplett auf dem Weg, den ich sowieso fahren wollte und hat mir schnell einen Zehner Umsatz gebracht, auf den ich an anderen Tagen eine Stunde warte.

Nun aber zu den zwei Trunkenbolden.

Ich war auch hier auf dem Weg nach Hause. Vor der Schicht. Ich darf das Taxi privat nutzen, also tue ich es gelegentlich. In dem Fall wollte ich zu Hause meine bessere Hälfte abholen und mit ihr zusammen zwei Sendungen aus der Packstation holen. So halten wir das öfter, gerade bei schwereren Paketen. Wann immer ich nach Hause fahre, entscheide ich je nach Laune, wann ich die Fackel ausmache. Mal will ich davor gar keine Kundschaft, mal schalte ich sie erst aus, wenn ich fast da bin. Dieses Mal habe ich sie angelassen und bekam ungelogen 100 Meter vor der Haustür – beim wunderbaren Döner, der in unserem Viertel sowohl das nächtliche Essen als auch die Rund-um-die-Uhr-Versorgung der ortsansässigen Alkoholiker gewährleistet – Winker. Zwei stark schwankende Gesellen, um 21 Uhr bereits voller als die halbe folgende Nachtschichtkundschaft zusammen.

Ihr Deutsch war mittelprächtig, wahrscheinlich waren es Russen. Der eine auf dem Beifahrersitz wies mit ausladender Geste Richtung Westen und sagte:

„Diese Straße!“

Was halb Berlin hätte bedeuten können.

„47.“

Aha. Er meinte also genau diese Straße, in der wir uns befanden …

„Ach so, also Marzahner Promenade?“

„Ja. 47.“

Gut, die 47 liegt natürlich in die andere Richtung – aber für derartige Ortskenntnis hat man ja uns Taxifahrer. Und nachdem ich gewendet hatte, konnten sie mir die richtige Einfahrt auch zeigen. (Nee, ist nicht so einfach bei uns mit dem Straßenverlauf …)

Ich hatte gnädig eine Kurzstrecke eingetippt und sie nach einer Minute Fahrt mit einem zusätzlichen Euro Trinkgeld auch bezahlt bekommen. Würde ich alle drei Minuten 2,80 € (Bruttolohn-Anteil von 4 € + Trinkgeld) verdienen, wäre ich mehr als nur zufrieden. 🙂

Kurioser Nebeneffekt dieser Fahrt: Ozie hatte dieses Mal meinen Tracker im Blick, um zu wissen, wann ich komme – und sich entsprechend gewundert, dass ich quasi direkt vor der Tür nochmal umgedreht habe. Aber wenn ich mir meinen Blog so durchlese, glaube ich eh, dass der Job per se etwa kurios ist …

8 Kommentare bis “„Diese Straße … 47!“”

  1. Wahlberliner sagt:

    Naja, es hätte ja auch die „Straße 47“ sein können…das wäre dann aber ein weiter (und lukrativer) Umweg geworden!

  2. Sash sagt:

    @Wahlberliner:
    Das stimmt wohl. 🙂

  3. mr t sagt:

    Was ist denn das für eine nette Tour, die du verlinkt hast?
    Das ist ein wenig mehr als nur 1 Minute, schätze ich 😉

  4. Sash sagt:

    @mr t:
    Verlinkt?
    Der Tracker? Hat der vorher noch was angezeigt?
    Wenn ja, dann war das wohl die Tour nach Köpenick gestern …

  5. lenni sagt:

    Ne, wenn ich den Link öffne, den du als „Straßenverlauf“ bezeichnetest, dann öffnet der mir die Tour nach Waldblick/Mahlow über’s Adlergestell.

  6. Sash sagt:

    @lenni:
    Orrrr!
    ORSM holt da die alten Speicherungen wieder vor. 🙁
    Das war eigentlich nicht Sinn der Sache. Ich hau den Link wieder raus.

  7. highwayfloh sagt:

    Wäre noch geil gewesen, wenn die Hausnummer des Ziels die „11“ gewesen wäre … könnte dann
    glatt zu ner legendären Zielangabe werden: „Kölsch-Wasser“ respektive „4711“ 😉

  8. Sash sagt:

    @highwayflo:
    Ich muss ehrlich gestehen: es war nicht die 47. So viel Anonymität gestehe ich meinen Kunden dann doch zu … 😉
    Und by the way: wäre es die 11 gewesen, wäre die 47 doch gar nicht vorgekommen, oder?

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