Anschnallpflicht für Taxifahrer

Ich bin von mehreren Seiten gestern darauf hingewiesen worden, dass die Anschnallpflicht für Taxifahrer demnächst kommen soll. Zum Beispiel hat Spiegel Online das hier berichtet. Das überrascht mich zwar zugegebenermaßen, ich hätte nicht gedacht, dass diese Regelung noch irgendwer auf dem Schirm hat, aber es gibt auch nichts, was mir egaler sein könnte.

Bisher ist es uns Taxifahrern erlaubt, während der Personenbeförderung – also so lange Kundschaft an Bord ist – keinen Sicherheitsgurt anzulegen. Der Hintergedanke ist, dass wir im Falle eines Überfall schnell das Fahrzeug verlassen können.

Nun ist das natürlich eine nette Sonderregelung, allerdings ist sie – o Wunder – statistisch nicht so recht sinnig. Der BZP führt in seinem Statement zugunsten der Einführung der Anschnallpflicht zwar an, dass es auch letztes Jahr wieder zu 244 Verletzungen bei Überfällen* kam, die Zahl der Verletzungen durch Unfälle jedoch wesentlich höher liege und die „heutige Sicherheitstechnik“ (ich bin sicher, sie meinen Airbags) geradezu ein Anschnallen erfordere, um nicht ihrerseits zu Verletzungen zu führen.

Und ich wüsste nicht, was sich an der Erkenntnis ändern sollte. Ich bin davon bisher schon ausgegangen und schnalle mich dementsprechend an, auch wenn ich es nicht müsste. Sicher, wahrscheinlich gibt es unter Taxifahrern weit mehr Gurtmuffel als sonstwo – eben weil man sich daran gewöhnt, sich halt nicht anzuschnallen. Und die dürfen sich meinetwegen gerne über die Bevormundung beschweren. Mir persönlich isses wie gesagt halt völlig egal, da ich mich sowieso anschnalle.

Danke an all die Hinweisgeber!

*Spiegel Online macht im verlinkten Artikel aus den 244 Überfällen mit Verletzungsfolge im letzten Jahr insgesamt „genau 244 Überfälle“, was natürlich Quatsch ist und vermutlich nicht einmal Berlin abdecken würde. Die weitergehenden Schlussfolgerungen sind jedoch zufälligerweise richtig, und das ist ja immerhin schon mal was.

26 Kommentare bis “Anschnallpflicht für Taxifahrer”

  1. Holger sagt:

    Moin,

    ich muß sagen, ich habe mich in 12 Jahren Nachtschicht nie angeschnallt. Ich habe es einfach als unbequem empfunden, wenn ich 12 Stunden und mehr auf einem Sitz rumrutsche, mich auch noch festzubinden und meine Bewegungsfreiheit einzuschränken.
    Mit Fahrgästen war das Anschnallen eh unangenehmer. Da greif von hinten einer in der Gurt und man ist fast bewegungsunfähig. Mal eben Tür aufmachen und rausfallen ist nicht drin (bei uns schon vorgekommen).

    Komischerweise schnalle ich mich privat immer an. Aber so isses halt 🙂
    Viele Grüße!

  2. elder taxidriver sagt:

    Naja nicht gerade Breaking News, mit der Anschnallpflicht .

    Ich war sogar am Halteplatz meist angeschnallt. Bilde mir ein, so in der Rückschau, dass man dann seinen Oberkörper leichter aufrecht halten konnte: Energiesparmaßnahme..

  3. elder taxidriver sagt:

    Anschnallen: Schönes Beispiel wie lang eine Innovation braucht um sich im Verhalten der Autofahrer durchzusetzen.
    Mindestens fünfzig Jahre. Und auch das nur weil Verstöße mit Bußgeld geahndet werden.
    Jetzt kommt bestimmt noch mindestens ein Beispiel wo jemand nur gerettet wurde, weil er nicht angeschnallt war..

  4. Holger sagt:

    Naja, das es sicherer in Hinsicht auf Verletzungen durch Unfälle ist bezweifele ich nicht.
    Wie gesagt, privat schnalle ich mich immer an. Nur auf dem Fahrersitz einer Taxe niemals *g*

  5. elder taxidriver sagt:

    Ich fand es auch bequem. Nicht angeschnallt fehlte mir was. Auch die Fahrposition im Recaro-Sitz war irgendwie professioneller. Aber nach x-Stunden, fällt mir gerade ein, habe ich dann auch oft den Gurt gelöst , zur Abwechslung.
    Als die Gurte aufkamen, etwa 1956, hatten wir einen VW- Standard. Natürlich ohne Gurte. Wir Kinder hatten aber Klappbetten
    zu Hause, da waren so Stoffgurte mit denen man die Bettdecken beim Hochklappen fixierte. Die haben wir dann irgendwie im VW befestigt und als Sicherheitsgurte benützt.. Die Haken konnte man mit dem kleinen Finger aufbiegen..
    Aber Kinder sind eben innovationsfreudig.

  6. elder taxidriver sagt:

    Wie sagte Bette Davis in anderem Zusammenhang so schön:

    ‚ Bitte Anschnallen, es wird eine raue Nacht‘

  7. Faxin sagt:

    244 Überfälle mit Verletzungsfolge reichen nichtmals für Berlin? Das heißt mehr als jeden zweiten Tag wird in Berlin ein Taxifahrer nicht nur überfallen (also bedroht, das Geld rauszurücken), sondern dabei zusätzlich auch noch verletzt?!?

  8. Bloggi sagt:

    @Faxin: das ist von Sash sicher so gemeint, dass das „genau 244 Überfälle” (also auch die ohne Verletzungsfolge) nicht für Berlin reichen würde.

  9. Faxin sagt:

    @Bloggi: Ah… danke. Es ging nicht um das „genau“, sondern die Verletztenfolge fehlt… nur dann ergibt der Vergleich eigentlich keinen Sinn mehr. Ein Überfall führt ja nicht dazu, dass man körperlich verletzt wird – genausowenig wie ein Unfall – mit oder ohne Gurt – zwangsläufig zu einer körperlichen Verletzung führt. Zumal die Zahl dann tatsächlich unglaubwürdig wirkt. Oder der Deutsche Mietwagenverband halt eher ein aufgeplusterter städtischer Mietwagenverband einer nicht genannten Stadt ist und daher auch nur von dort die Überfälle zählt 😉

  10. MsTaxi sagt:

    Am Stand bin ich ohnehin nicht angeschnallt, warum auch?

    @elder taxifahrer

    Diese Energieersparnis erreiche ich durch eine ergonomisch korrekte Sitzeinstellung auch. *g* Die zwei Minuten gönne ich mir bei Schichtbeginn gerne.

    @all

    Verletzungsfolgen bei Überfällen, naja… Die psychischen Folgen dürften auch bei den Überfällen ohne Körperschaden deutlich sein. Seltsam nur, dass unsere Berufsgenossenschaft im Gegensatz zu der BG des Einzelhandels hier keine Notfallinterventionen bezahlt. Ein posttraumatisches Belastungssyndrom kann aber bei uns ebenso zu Krankschreibung und Berufsaufgabe führen wie im Einzelhandel. Es ist zwar nur eine Schätzung, belastbare Zahlen existieren meines Wissens nicht, aber ich nehme mal an, die Folgekosten bei PTBS sind ebenfalls happig, sie tauchen nur in der Statistik nicht auf.

  11. Wahlberliner sagt:

    @MsTaxi: Wie meinst Du das mit einer „ergonomischen“ Sitzeinstellung? Ich kann die Energieersparnis noch nachvollziehen, dass der Gurt also das nach-vorne-sacken verhindern hilft. Das *ist* dann eine ergonomische Sitzeinstellung, weil man eben aufrecht sitzt. Das unergonomische Gegenteil wäre ja dann höchstens eine (für mich zum Autofahren absolut widerwärtige) „Liegesitz“-Einstellung, also wo man mehr liegt, als zu sitzen. Das ist absolut unergonomisch, man (ich zumindest) muss den Sitz, um das Lenkrad einfach berühren zu können, so weit nach vorne machen, dass die Beine wiederum „zu lang“ dafür sind, und ähnliches. Also, erklär mal, wie Du eine ergonomische Sitzeinstellung *noch* mehr ergonomisch machen willst, so dass der Gurt diese (in meinen Augen unwichtige neben-)Funktion nicht mehr zu erfüllen brauchst?
    Ich fahre zwar kein Taxi, aber beim Autofahren muss ich trotzdem sitzen, und nicht liegen…

  12. MsTaxi sagt:

    Ich meine die Sitzposition, die du beim Fahrsicherheitstraining kennenlernst. Die wird ja oft zunächst als unbequem empfunden.

    – Sitzlehne möglichst so weit aufrecht, dass Schultern auch bei leicht angewinkelten Armen, während die Hände auf „10 vor 2“ liegen, noch anliegen.
    – Becken auf Sitzfläche möglichst weit nach hinten (gerade bei größeren Menschen sind die Sitzflächen oft zu kurz), Sitz aber so weit vorne, dass das „Bremsbein“ auch bei Bremspedal auf ABS-Aktivierung noch leicht angewinkelt ist.
    Dadurch ist auch der gesamte Rücken an der Lehne angelehnt, du hast kaum Ermüdungseffekte auch bei längerem Verharren in dieser Position, weil du dich nicht am Lenkrad festhältst. Das ermöglicht auch in Krisensituationen weiträumigere Lenkbewegungen.
    – Gurt bleibt dann auch leichter über dem Becken und rutscht nicht über den Bauch hoch. Gurt wird natürlich angezogen, so dass er eng anliegt, das reduziert in Krisenmomenten dem Gurtstraffersystem auch die notwendige Arbeit.

    Diese betont aufrechte Position ist zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig, ich find sie mittlerweile bequem.

    Kopfstützeneinstellung und Einstellung von Rück- und Außenspiegeln spar ich jetzt mal, wir reden ja über den Gurt. *g*

  13. MsTaxi sagt:

    Nachtrag: Ich gebe zu, bei vertikal betont ausgereizten Personen wie Sash stößt das manchmal an seine Grenzen. 🙂

  14. klingo sagt:

    Allet Unsinn, wie diverse Filme beweisen haben die auf der USS Enterprise auch keine Anschnallgurte und haben so schon mehrmals die Erde gerett!

  15. ELP sagt:

    D.h., ein Taxifahrer schnallt sich nach der jetzigen Regelung an, sobald die Fahrgäste aussteigen und ab, sobald wieder welche einsteigen?

  16. Roichi sagt:

    @ ELP

  17. Roichi sagt:

    @ ELP

    Nein.
    Der Taxifahrer mutiert zum Raumschiffcaptain sobald ein Fahrgast an Bord ist.
    Der braucht sich dann nicht mehr anschnallen sondern kann alleine durch Festhalten am Sitz die Erde retten. Oder so.
    Taxifahrer retten also jeden Augenblick unseren Planeten.
    Nix Gurtmuffel, Superhelden, die gelegentlich „vertikal betont ausgereizt“ daherkommen.

  18. Rosa sagt:

    Ich habe ja nichts gegen eine Anschnallpflicht für Taxifahrer und ich glaube auch, dass das Verletzungsrisiko durch einen Unfall höher ist als durch einen Überfall.
    Aber die Zahlen, die da gegenübergestellt werden, sind falsch. Weil wenn das Nichtanschnallen die Flucht erleichtert und damit das Verletzungsrisiko senkt, dann müsste man eigentlich zählen, wieviele Taxifahrer durch eine Flucht aus dem Auto bei einem Überfall einer Verletzung entgangen sind, nicht wieviele trotzdem verletzt wurden. Da der Geflüchtete aber nicht nachweisen kann, dass er verletzt worden wäre, wenn ihn der Gurt bei der Flucht behindert hätte, wird man das ganze erst wirklich beurteilen können, wenn es eine Anschnallpflicht gibt und die Zahl der Verletzten durch Überfälle dann immernoch unter der Zahl der Verletzten durch Unfälle liegt.
    Oder die Zahl der Verletzten durch Unfälle ist höher als die Zahl der Verletzten durch Überfälle plus die Zahl der Taxifahrer, die bei einem Überfall aus dem Auto geflüchtet sind.

  19. metro sagt:

    Hier sieht man mal wieder, dass Deutschland das Land der Bürokratie ist. Meiner Meinung nach, alles so lassen wie ist, keine Anschnallpflicht, jeder Fahrer/ in ist alt genug selbst zu entscheiden ob er es tut oder nicht. Ich selbst habe mich seinerzeit, aus Bequemlichkeit, nicht angeschnallt…..

  20. Aro sagt:

    @ Rosa
    Und was ist mit den Fahrern, die dem Überfall entkommen konnten, weil sie NICHT angeschnallt waren – dafür aber neben dem Auto überfahren werden? An die denkt wieder mal niemand.

    Für mich ist die Anschnallfrage übrigens beantwortet, seit ich vor einigen Jahren dabei geholfen habe, einen halb aus der Frontscheibe hängenden Körper herauszuziehen.

  21. Sash sagt:

    @Rosa:
    Von der Rechnung her ist natürlich richtig was Du sagst. Die Zahlen wird aber halt – wie Du ja auch schreibst – nie jemand auftreiben können. Da muss man sich eben behelfen.

  22. hartmut sagt:

    @metro Der Wegfall einer Sonder-/Ausnahmeregel ist aber eher Bürokratie-*Abbau*, oder …?

  23. Cabbi sagt:

    Naja, ich glaub ja mal, dass diese Statistik auch nicht die Wahrheit erzählt. Von den 2400 bei einem Unfall verletzten Fahrer muss man ja die Angeschnallten abrechnen, ebenso die Fahrer, die ohne Fahrgast unterwegs waren und gegen ein schon bestehendes Gesetz verstossen haben. Da sieht’s doch gleich wieder anders aus.
    Jeder kann sich denken das allein die Umklammerung des Gurtschlosses schon reicht um einen Fahrer im Sitz zu fixieren.
    Und jeder kann sich auch denken, dass der Fahrer in einer Paniksituation mit Abwehr, Gang raus nehmen usw. beschäftigt ist und das Gurtschloss schlecht öffnen kann.

  24. Maik aus Wilhelmshaven sagt:

    Mein erster Gedanke, als ich das gelesen habe, mit der Einführung der Anschnallpflicht, war die Frage, ob man da nicht ein „Tauschgeschäft“ machen könnte. Anschnallpflicht gegen ein, zwei weitere Erleichterungen beim Ein/Aussteigen der Kunden (Erweiterung §12 der StVO) 😉

    Ansonsten, in der Stadt fahre ich meine Kundschaft auch meistens ohne Gurt, ausserorts ist er dafür eigentlich immer angelegt 🙂

  25. Roichi sagt:

    @ Maik

    Wie gut, dass ich nochmal nachgesehen hab, was dieser § denn aussagt.
    Ich dachte schon an eine Ausstiegshilfe nach James Bond Art.

  26. ThorstenV sagt:

    @klingo die hatten aber eine spezielle Ausbildung, was zu tun ist, wenn es rumst http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/ScreenShake

    Es wundert mich, dass es hier noch keine technische Lösung gibt. Z.B. ein leicht zugänglicher Knopf, der den Drei-Punkt-Gurt simultan an allen drei Punkten löst

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