Ich kam gerade von der netten Tour zurück ans Berghain und wollte mich wieder anstellen. Um das zu tun fuhr ich an der immer ewig erscheinenden Schlange an wartenden Taxen vorbei, um an deren Ende zu wenden. In dem Fall passierte etwas völlig normales: Von der anderen Seite aus kam ein freier Kollege angefahren, der sich ebenfalls anstellen wollte – wir konkurrierten quasi um den Platz in der Schlange.
Die Umgehensweise mit der Problematik ist im Kollegenkreis interessant zu beobachten. Da wird teilweise auf das Schlangenende zugerast und mit eiligen Manövern dem anderen Fahrer der Weg abgeschnitten, weil man ja zuerst da war. Was immer noch ein Streitthema sein kann, denn: War der Kollege, der von hinten an die Halte fährt, nicht eigentlich zuerst in einer Art Warteposition und nun nur am Nachrücken? Ich glaube, zu dem Thema gibt es nicht einmal Gerichtsurteile. Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.
Natürlich ist ein Platz weiter in der Schlange erst einmal Geld wert. Man kommt früher weg, das ist per se immer gut. Andererseits: Was, wenn der erste eine Tour für 4,80 € ums Eck kriegt und der dahinter 3 Minuten später eine für 32,40 €? Meiner Meinung nach ist es also mehr Glück als alles andere – vor allem an den von mir präferierten Halten mit hohem Taxidurchsatz und viel Publikumsverkehr – und entsprechend bin ich da immer kollegial. In erster Linie entscheidet beim Heranfahren an die Halte in meinen Augen die StVO (wenn ich wende, hab ich nicht Vorrang vor dem entgegenkommenden Kollegen), aber selbst wenn mich das Schicksal begünstigt, gebe ich schon auch mal ein Zeichen, dass der Kollege vorfahren kann. Lieber als Stress an der Halte ist mir ein Platz weiter hinten sowieso allemal!
Aber als ich nun das Ende der Schlange am Berghain erreichte, hielt der einfahrende Kollege Abstand und gab mir via Lichthupe zu verstehen, ich solle doch zuerst einscheren. Hab ich nach so netter Aufforderung natürlich gerne gemacht. 🙂
Und ja, das ist so eine Kleinigkeit. Eine einfach nur nette Geste, die im Endeffekt nur selten Auswirkungen auf unseren Umsatz hat. Zumindest nicht vorhersehbar, in welche Richtung. Trotzdem ist das selten da draußen, deswegen freut das doppelt und deswegen hab ich beim Aussteigen auch kurz noch mit freundschaftlichem Nicken in Richtung des Kollegen signalisiert, dass ich das zu schätzen weiß. Und ich habe festgestellt, dass es – ein bisschen wider Erwarten – keiner war, den ich kannte. Keiner aus meiner Firma, keiner von den Gesprächsrunden am Stand. Einfach nur ein kollegialer Taxifahrer. I like!
Viel wichtiger als ein Platz weiter vorne ist das Gute Karma, das man sich bei gegenseitiger Rücksichtnahme verdient.
Wäre nett, deine und seine Fahrt zu kennen 😉
So soll es sein, schade, dass es erwähnenswert ist.
Schön dass es solche Menschen auch noch gibt.
Und der Frage von HaPe würde ich mich anschließen, wäre interessant zu wissen, wie Deine Fahrt war (was ja noch einfach in Erfahrung zu bringen wäre), und vor allem wie die Fahrt vom Kollegen war (was nur dann möglich wäre, wenn er hier mitliest) … Wir werden es wohl nie erfahren 😉
Eigentlich bedauerlich das es so eine Ausnahme ist, dass du es schon extra im Blog als Artikel würdigen musst. Aber aus meiner Taxi-Zeit kenne ich es nicht anders – da wurde mit 120 durch 30ger-Zonen durchs Dorf geheizt um bloß schneller am einzigen Taxistand zu sein, als ich …
aus meiner über 30 jahre währenden erfahrung im taxigewerbe meine ich, daß die hektik, früher an einer warteschlange zu sein, auf zwei gründen beruht: vielfach sinds anfänger, die meinen, das brächte mehr umsatz; zum anderen ists, wenn nichts draus gelernt wird, sich selbst perpetuierende dummheit: taxifahren ist wie würfeln. oft steigen wir in einer schicht 2 stunden aus und trödeln so rum und am ende ist mehr auf der uhr, als wär ich wie ein stein im wagen sitzen geblieben. die meisten von uns werden mit den jahren abgeklärt, ein paar hitzköpf lernens nie.
lieben gruß aus der obersteirischen provinz,
werner
Ach was, von wegen kollegial: Er wollte einfach nur die Tour für 32,40 EUR haben 😀
@HaPe:
Meine war nicht so besonders. Aber danach Winker bla keks … 🙂
@sb:
Ja, aber umso mehr sollte man es auch mal erwähnen.
@lichterspiele:
Ja, bei seiner hab ich keine Ahnung …
@Busfahrer:
Ach, ganz so extrem isses hier ja meistens nicht. Eher so wie mathematikos sagt.
@mathematikos:
Das stimmt schon. Ich bin ehrlich gesagt auch überrascht, wie gut z.B. das mit dem Nicht-Überholen hier in Berlin klappt. Ja, sicher: Die negativen Ausnahmen gibt es und sie ärgern einen gewaltig. Aber meist sind es dann doch genau das: Ausnahmen.
@Aro:
Das natürlich sowieso. 😉
ein sash!
wie viele es wohl gibt, so insgesamt?…
Da gibt es eigentlich bei uns eine gute Regelung für den einzig relevaten Taxenstand am Bahnhof, wer zuerst den Zebrastreifen, oder auf der anderen Seite die Fahrbahnverengung passiert hat, fährt zu erst an den Stand. Klappt eigentlich zu 95% auch. Man wartet, und läßt den Kollegen dann im Zweifel vor. Oder dem Kollegen ist es egal, und er stellt sich einfach hinten an. Da die meisten auch Funktouren fahren, ist es eh selten der Fall, das beide bis vorne vorrücken 🙂
Die restlichen 5% Rest bestraft dann das Leben. Es gibt einen netten „Kollegen“, der sogar seinen Kollegen aus der eigenen Zentrale Funktouren klaut, und der auch eher noch mal Gas gibt, um als erster am Stand zu stehen.
Zwei Mal hatte ich schon das Vergnügen, zu zusehen wie die alte Dame für 4,00€ bei ihm in den Wagen stieg, und ich kurz darauf einen Soldaten (immerhin im Schnitt 15€) bekam. Das Gesicht von ihm, das war dann goldwert!
@leserin:
Nee, also kollegiales Verhalten hab ich nicht für mich alleine gepachtet. Da sind andere mindestens genauso gut drin.
@Maik aus Wilhelmshaven:
Ja, es ist immer wieder schön, wenn sich so ein Verhalten gleich, ähm … „auszahlt“. 😀