„Die Lampe an“

Immer noch Biermeile. Ich war fast schon etwas enttäuscht, denn dieses Mal hatte ich die ostwärts führende Seite der Karl-Marx-Allee bereits zur Gänze durchfahren und noch keine Kundschaft. Zugegeben: Selbst Luxusprobleme wirken klein, aber ich gewöhne mich schnell daran, wenn es mal gut läuft. Aber natürlich sollte ich Kundschaft kriegen.

Gewunken hat es etwa auf Höhe meines Dachschildes, der Fahrgast hatte also ungefähr meine Größe. Durchaus auch in der Breite. Wetten darüber, wer mehr auf die Waage brächte, wäre ich nicht eingegangen, wir waren uns staturmäßig schon sehr ähnlich. Sonst hielten sich die Ähnlichkeiten in Grenzen, er war deutlich älter. Ein gepflegter, aber doch verwegen wirkender hellgrau melierter Vollbart flauschte sich von Ohr zu Ohr und ging unter dem Rand seiner Mütze in eine ebenso graue und offensichtlich windschiefe Frisur über.

„Eine Mütze!? Wes Geistes Kind muss man sein, um bei den Temperaturen eine Mütze zu tragen?“

fragte ich mich. Ihr erinnert Euch: Letztes Wochenende, da war Sommer in Berlin. Aber aus Berlin stammte er auch nicht, er war einer von den Biertouristen. Das hat die Hauptstadt also auch geschafft. Zum Picheln reisen die Menschen jetzt auch hierher und nicht nur zum Oktoberfest nach München.

„Min Jung, ech hän schon schön die Lampe an, verscheisser mech nech, ok?“

Ich krieg den Hamburger Dialekt einfach nicht in Buchstaben gepresst, aber als mir der olle Seebär seine Sätze ins Auto gepfiffen hat, hab ich umgehend Lust auf ein Bismarckheringsbrötchen bekommen. Ja, „die Lampe an“ hatte er tatsächlich schon, aber der Alkohol schien ihn in eine tiefe Zufriedenheit mit der Welt versinken zu lassen. Wären wir zwei länger im Auto gesessen, hätte er sich wahrscheinlich bis nach Hause bringen lassen. Er kam wirklich direkt aus Hamburg, wollte hier in Berlin aber nur ums Eck. Das „nh Hotel Alexanderplatz“, wahrlich ein gut gelegenes Haus – eigentlich absolut in Torkelweite von der Biermeile. Dank der umfassenden Straßensperren kamen wir letztlich doch auf fast exakt zwei Kilometer Fahrtweg und damit 6,60 €.

Er hat mir einen Zehner in die Hand gedrückt und wollte kein Rückgeld haben:

„Soll Dir ja auch man büschen gut geh’n heude!“

Ich hatte keinen Grund zum Meckern: Ich hab die durch die Absperrungen etwas verlängerte „Runde um den Block“ beendet, war wieder an der Biermeile und dort … hatte ich dann die Tour mit der Truppe aus der wilden Gegend in Neukölln. Optimale Auslastung oder bildlich gesprochen: Nur ganz wenig die Lampe an … 🙂

PS: Wenn wir schon mal im hohen Norden sind … nicht ganz in Hamburg, dafür am nördlichsten Ende Niedersachsen, im Landkreis Cuxhaven, fährt Kollege Andreas. Und, wer hätte das gedacht, er bloggt auch. Mal wieder ein frischer junger Taxiblog, aber auch hier mal wieder einer, dessen erste Geschichten auf mehr hoffen lassen. Also hier und ab sofort neu in der Seitenleiste: herrtaxifahrer.de

(Alle, die mir bei Facebook oder Twitter folgen, wissen das ja bereits seit gestern …)

11 Kommentare bis “„Die Lampe an“”

  1. elder taxidriver sagt:

    Den durchaus handlichen, schönen Begriff TORKELWEITE müsste man mal beim DIN-Institut, dem Deutschen Institut für Normung vorstellen und um Klärung bitten. Oder der Gesellschaft für Deutsche Sprache. Oder Beiden.

  2. elder taxidriver sagt:

    Zwischendurch ’normal‘ laufen gildet aber nicht.

  3. elder taxidriver sagt:

    Techn. Hinweis zum Mützentragen bei großer Hitze:

    Ich seh‘ immer die Jugendlichen, Typ Skateboardfahrer, die Wollmützen tragen , weil es , wie sagt man?, hip ist , oder totaaal cool, oder so. Und bei Älteren ist es so, dass die oft gar keine Haare mehr haben auf’m Koppe und da ist man empfindlich wegen der Sonne und manchen ist es auch nicht angenehm, dass alle das nun sehen, deshalb bedecken sie gern ihre Blöße.

    Früher wurden gern Perücken getragen , als Wärmeschutz in schlecht geheizten Räumen und auch, weil viele Männer an
    einer damals weit verbreiteten Krankheit litten, heute ist sie leicht heilbar, in deren Folge man aber damals die Haare verlor. Das sollten nun auch nicht gleich alle sehen.

  4. Moin Sash,

    vielen Dank für die Erwähnung, die Horden deiner Leser sind eingefallen. Es waren schon sehr viele auf einmal und ich hatte schon die Befürchtung, die machen was kaputt :-).

    Blog war aber eben noch da und einige Grasen friedlich nebeneinander die Beiträge ab.

    Bis denne, HerrTaxifahrer

  5. Sam sagt:

    Ich trage auch im Sommer Hüte. Als Sonnenschutz eben, im Winter brauche ich keine. Haare wärmen den Kopf und die Ohren auch so. 😀

  6. Wahlberliner sagt:

    @elder taxidriver: Hey, zu den jungen Mützenträgern hab ich auch mal gehört! Mir war’s damals einfach peinlich, total ungepflegte und verfilzte Haare zu hben (ich hatte auch mal einen Monat lang ’n Haargummi drin, ohne zwischendurch kämmen – bei meiner dichten/dicken Wolle ein absolutes no-go, ich hab sie dann nur noch mit einer Haarschneidemaschine für Tiere abgekriegt, und das in Form einer Kappe aus Haaren, die ich mir gleich wieder hätte aufsetzen können). Und dann war da noch der Versuch, Rastalocken draus werden zu lassen – die brauchen ja auch möglichst wenig Freiheit, damit sie sich möglichst gut zusammenklumpen… Jaja, die wilden Zeiten der jungen Jahre…

    Und jetz geh ich mal beim Herrn Taxifahrer schauen…

  7. elder taxidriver sagt:

    @wahlberliner:

    Also das war bei Dir dann praktisch so wie bei den Frauen, die ihren ‚ bad hair day‘ haben..

  8. Wahlberliner sagt:

    @elder taxidriver: Eher die „bad hair years“ 😉

  9. elder taxidriver sagt:

    Only bad hair news is good news , good hair news is no news.

  10. Zugfahrer sagt:

    Weiß nicht wieso, aber ich mag Hamburger. Die Leute auch 🙂

  11. SaltyCat sagt:

    Hamburg? „ech hän […]“? ……. neeee … wohl eher „ick hebb“ – oder der vogel hat nicht nur in hamburg gelebt 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: