2013, endlich!

Da stand ich nun. Der Weihnachtsmann hat sich mit seinen zwei Bier aus dem Beifahrersitz geschält und eine Vierertruppe Kiddies stand schon ganz hibbelig wartend vor dem Taxi und hoffte darauf, dass ich sie nicht stehen lassen würde. Wäre mir natürlich nicht in den Sinn gekommen. Als der Zeitpunkt gekommen (also der Weihnachtsmann gegangen) war, platzte einer gleich raus:

„Haste den Unfall gesehen?“

Ich folgte seinem Finger, drehte mich um und tatsächlich: auf der anderen Straßenseite stand ein Auto, dessen Motorhaube eine formvollendete Symbiose mit dem nächstliegenden Laternenpfahl vorzubereiten schien. Während sie ins Auto krabbelten, erzählten sie mir jedenfalls, dass da ein besoffener Typ dringesessen hätte und sie gerade als Zeugen für die Cops noch dableiben mussten.

An dem Punkt war mir klar, dass ich heim musste. Ich hatte hier vor vielleicht 10 Minuten den letzten Kunden eingeladen. Ganz definitiv genau hier – und ich hab von dem ganzen Tara auf der anderen Seite der Straße nix mitbekommen. Vielleicht war ich müder als gedacht. Ich hab noch so vor mich hinüberlegt, dass der Kerl jetzt wohl froh gewesen wäre, ein Taxi genommen zu haben – selbst wenn er von Warschau gekommen war: Totalschaden, Führerschein weg … in Anbetracht dieses Verlaufs sind unsere Dienste dann eben doch ein Schnäppchen. Aber gut …

„Wo soll’s hingehen, Jungs?“

„Marzahner Promenade 35, kannst uns aber am Döner rauslassen. Ich zeig Dir dann, wo Du genau …“

„Danke, weiß ich. Und danke für die Fahrt! Ich wollte gerade Feierabend machen und ich wohne in der Promenade in der 26. Ich kenn den Döner, der liegt fast vor meiner Haustüre, super Sache!“

Und das war es wirklich! Sowas kommt schon öfter mal vor, aber immer noch selten genug, dass man sich darüber freut! 🙂

Die Jungs waren auch gut drauf und haben es trotz dreisten Nachfragens, ob wir in Anbetracht der Dinge nicht den Preis halbieren können, nie den Bogen überspannt. Im Gegenteil: sie haben sich selbst nicht wirklich ernst genommen, sondern angefangen, mir obskure Dinge wie das Rasieren meines Kopfes anzubieten, wenn ich ihnen einen Nachlass gewähre. Und die Einladung auf einen Döner und anschließendes Trinken bei ihnen in der Bude wirkte sogar glaubhaft. Da ich nun aber seit sechseinhalb Stunden am Sitz festgewachsen war und wirklich nur meine Ruhe wollte, hab ich dankend abgelehnt.

Ich hab in Sichtweite zum Dönerladen geparkt, kurz den nötigen Papierkram erledigt und die Wertsachen aus dem Auto geräumt. Um 7.35 Uhr hab ich den Wagen zugeschlossen, in meine Tasche mit dem Trinkgeld gegriffen und nach einem überprüfenden Blick, ob die Jungs bereits auf dem Heimweg sind, meine Schritte zum Döner gelenkt.

Hab mir drei Feierabendbier eingepackt und mit den Angestellten kurz über die Silvesterschicht getratscht. Und dann, als ich zu Hause vor meinem Schreibtisch mit einem bereits reichlich angenagten Feuerzeug ein Bier geöffnet habe, habe ich den Vorhang aufgezogen, am Nachbarhaus in der Franz-Stenzer-Straße die Spiegelung des Morgenrots betrachtet und leise zu mir gesagt:

„Na denn 2013, herzlich willkommen!“

Die vorletzte …

Silvester (oder Neujahr, um genau zu sein) war fürs Bloggen wie man sieht, doch recht brauchbar. Aber auch die schönste Schicht geht mal zu Ende. Als der Zeiger der Uhr morgens die sieben überquerte und sich so langsam am östlichen Horizont die Dämmerung bereit machte, den ersten Tag im neuen Jahr zu verkünden, war mir dann auch mal nach Heimfahrt. Natürlich hatte ich nichts gegen ein oder zwei Winker, bevorzugt natürlich in die richtige Richtung. Aber da ich schon auf der Landsberger stadtauswärts unterwegs war, war ich guter Dinge.

Ein Weihnachtsmann in etwas verschlissenen Klamotten hielt mich vor einer Gartenkolonie an. Genau genommen war es kein Weihnachtsmann, aber die Ähnlichkeit war nicht so ganz von der Hand zu weisen.

„Fährst mich zur Tanke?“

„Zu welcher?“

„Egal, muss noch einkaufen!“

Meiner Fahrtrichtung nach hab ich mich nicht für die in der Rhinstraße entschieden, sondern die direkt in der Landsberger, keine zwei Kilometer voraus. Da ich eh zufrieden war, hab ich ihn an die Kurzstrecke erinnert und dann ging es auch gleich los. Als wir ankamen, wollte ich mich für die Sache mit der Kurzstrecke schon in den Hintern beißen, denn natürlich wollte er auch wieder zurück. Also würde es sowieso nicht reichen, nur die Wartezeit war damit umsonst …

Ich bin zu gutmütig, echt. Da sieht man wieder mal, dass es Sinn gibt, wenn die Kunden selbst wissen, ob sie eine Kurzstrecke haben wollen. Aber wider Erwarten ging es dann so schnell, dass es schon in Ordnung war. In einer dünnen Plastiktüte zeichneten sich zwei Bierflaschen und eine Schachtel Zigaretten ab, was man halt so einkauft am ersten Morgen eines neuen Jahres. 😉

Wir fuhren zurück, die Uhr sprang auf Normaltarif um, zählte noch lustig bis etwa acht Euro weiter, dann standen wir an der letzten Ampel, wo ich wenden musste, um ihn auf der richtigen Seite rauszulassen und außerdem wieder in meine Richtung – Osten – zu kommen. Etwa fünf Kilometer trennten mich noch von meiner Haustüre, noch besser allerdings war, dass da Winker standen. Direkt da, wo ich ihn nach netten zwei Euro Trinkgeld entlassen habe …

BER, LDS, WTF und LMAA

Die Wellen schlagen ja seit dem 1. Januar wieder mal höher, was das Taxigewerbe in Berlin angeht. Der Grund ist wie bei sämtlichen Kindergärtnereien das nicht enden wollende Gerangel um den Flughafen Schönefeld (SXF), bzw. die Dauerbaustelle des BER. Es ist in allen Medien nur noch vom „Taxi-Krieg“ die Rede, wenngleich es allenfalls ein paar Handgreiflichkeiten in den letzten Jahren gab – was im Grunde für eine recht niedrige Idiotenquote im Gewerbe spricht, wenn man mal betrachtet, wie viele wir sind.

Das Problem

Das Problem am jetztigen und auch am zukünftigen Flughafen ist, dass er im Landkreis Dahme-Spreewald (LDS) liegt. Dazu kam, dass vor einigen Jahren noch in LDS nur rund 40 Taxen zugelassen waren, die das Fahrgastaufkommen dort gar nicht bewältigen konnten. Das Pflichtfahr- und Tarifgebiet der verschiedenen Taxen endet hier aber wie fast überall deutschlandweit an der Stadt-/Landkreisgrenze und ignoriert den Flughafen. Ergo: obwohl der Flughafen dem Gefühl der meisten Leute nach zu Berlin gehört, ist taximäßig LDS dort zuständig.

Lösungs-, bzw. Problemerschaffungsversuche

Die geringe Taxianzahl in LDS war ausschlaggebend dafür, dass es zwischen Stadt und Landkreis ein Abkommen gab, welches uns Berliner Fahrer berechtigt hat, am Flughafen Kundschaft aufzunehmen. Wie genau und wann das System gewachsen ist, weiß ich auch nicht, aber das Abkommen beinhaltete natürlich auch Einschränkungen und Gegenleistungen. Es wurde eine Vorrückregelung am Flughafen geschaffen, die zunächst die LDS-Fahrer begünstigte, weil sie zahlenmäßig unterlegen waren – und einigen LDS-Fahrern wurde erlaubt, auch am Flughafen Tegel (der auf Berliner Stadtgebiet liegt) zu laden. Als die BER-Planungen langsam Gestalt annahmen und wunderliche Gerüchte um die Verdienstmöglichkeiten am größeren Flughafen herumgingen, meldeten einige Berliner Taxiunternehmer ihr Unternehmen in LDS an, so dass die Zahl der Taxen im Landkreis auf mehrere hundert stieg. Womit, relativ unerwartet, plötzlich die Berliner in der Schlange im Vorteil waren.
Deswegen wurde um die 1:1-Regelung auch wieder gefeilscht, sie wurde geändert und am Ende haben sich die Gewerbevertretungen bei der Lösungsfindung um einen gemeinsamen Tarif am Flughafen zerfleischt.
Bis dato war die (für Fahrgäste auch nicht gerade sinnvolle) Lösung, dass die Taxen halt einfach unterschiedlich kosteten, je nachdem, welches Kennzeichen der Wagen hatte. Die Tariffindung gestaltete sich schwierig, da die bisherigen Tarife extrem unterschiedlich sind:

Berlin hat einen recht einfachen Tarif mit der berühmten Wartezeitunterdrückung und ohne (hier nennenswerte) Zuschläge, die kurzen Fahrten sind teurer als im LDS-Taxi, die übliche Tour vom SXF (oder BER) ins Zentrum Berlins jedoch billiger.

LDS hat einen komplexeren Tarif mit Nachtzuschlag, keine Wartezeitunterdrückung, dafür günstigere erste Kilometer.

Keiner wollte auf die eigenen Vorzüge verzichten, am Ende stand ein ziemlich dürftiger Kompromiss: Bei der Eröffnung des BER sollten alle Fahrten von dort nach LDS-Tarif gefahren werden, egal woher das Taxi kommt. Dass das keine endgültige Lösung sein würde (es hätte hier in Berlin z.B. anscheinend Probleme gegeben, den neuen Tarif im Taxameter einzuspeichern), war klar. Der Senat aber war stolz wie Bolle, die Gewerbevertretungen suchten weiter nach Lösungen und die Fahrer hassten sich nach wie vor und bezichtigten die anderen jeweils der Abzockerei, des Vordrängelns und dergleichen mehr.

Dann wurde die Eröffnung des BER plötzlich um anderthalb Jahre verschoben und der Landkreis kündigte recht überraschend an, dass die bisherige Einigung damit hinfällig sei und hat die Zusammenarbeit zum 31.12.2012 hin gekündigt.

Der jetztige Stand

Seit Jahresbeginn dürfen nun keine Berliner Taxen mehr Fahrgäste am Flughafen Schönefeld aufnehmen. Also ja, dürfen sie natürlich – wenn sie bestellt sind. Das Ganze betrifft nur den Taxistand. Im Gegenzug haben die LDS-Fahrer, die bislang Tegel angesteuert haben, dort auch kein Laderecht mehr. Was nun in Boulevard-Medien als „immer irrer“ bezeichnet wird, soll auf der anderen Seite vollkommen „gelungen“ und „harmonisch“ sein. Im Grunde ist die Regelung damit zwar neu, ansonsten aber einfach nur identisch mit dem, was an den meisten Grenzen zwischen Tarifgebieten in Deutschland üblich ist: es ist eine Grenze, ab dort ist Schluss mit Fahrgastaufnahme. Immerhin eine durchschaubare Regelung.

Vorteile:
Kein Tarif-Roulette am Flughafen mehr, die Preise sind einheitlich.
Die Grenzen sind einheitlich und nachvollziehbar.
Alle Taxen können ihre Tarife behalten.
Weniger Stress zwischen den Lagern.

Nachteile:
LDS hat derzeit eher Probleme, weil Tegel noch besser läuft als Schönefeld.
Berlin wird Probleme haben, weil Tegel irgendwann in den nächsten, sagen wir mal 10 Jahren, schließt.
Die Fahrgäste zahlen für eine Fahrt von Schönefeld in die City ein paar Euro mehr.

In der Presse wird gelegentlich prominent erwähnt, wie schlimm das sei, dass die LDS-Taxen jetzt leer durch die ganze Stadt zurückfahren müssten – oder die Berliner, wenn sie Kunden in SXF anliefern. Dabei wird meiner Meinung nach übersehen, dass das bisher nicht groß anders lief. Viele Fahrer fahren ausschließlich vom Flughafen, es wird nur recht wenige Berliner Kollegen betreffen, die z.B. immer am SXF gestartet sind und dann in der City ihre Schicht fortgesetzt haben.

Aber wir würden hier keinen Kindergartenkrieg führen, wenn wir nicht jetzt schon wieder Gespräche vereinbart hätten und eine neue „Lösung“ anstreben würden …

Meine persönliche Meinung als Berliner Taxifahrer

Lassen wir’s doch so!

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich würde mich über einen gemeinsamen Tarif mit LDS freuen. Aber mir ist auch klar, wie schwierig das ist. Ich bin ja selbst ausgesprochener Befürworter unseres recht simplen Tarifs, weil ich Transparenz wichtiger finde als die Möglichkeit, irgendwo noch ein paar Cent mehr abzugreifen.

Ich finde es als Taxifahrer zwar auch bekloppt, dass der Senat mal eben zwei innerstädtische Flughäfen schließt, um einen auf dem Land nie fertigzubauen. Andererseits ist es derselbe Senat, der an den Flughäfen mal eben Privatfirmen in den Taxitarif eingreifen lässt (zu diesem Thema hab ich hier noch ein paar Worte verloren). Es gibt offenbar ohnehin keinen, der sich wirklich für die Belange der Taxifahrer interessiert, da kann man doch froh sein, wenn uns der ganze Flughafenstress künftig nicht mehr betrifft.

Das Problem, dass inzwischen zu viele Taxen auf der Straße unterwegs sind, wird zwar dadurch verschärft, rein mengenmäßig ist aber weder der eine, noch der andere Flughafen sonderlich relevant fürs Gewerbe. Dem Problem mit den vielen Taxen sollte ohnehin mal durch einen Konzessionsstopp oder durch eine vernünftigen Kontrolle begegnet werden.

Außerdem bin ich mir auch nicht sicher, ob der BER irgendwann mal ein wirklich gutes Geschäft abgeben wird. Die Preise für die Taxifahrt von dort in die City werden dank größerer Entfernung und den Zuschlägen deutlich höher sein als bisher, im Gegenzug bekommt der Flughafen eine schnelle Bahnanbindung. Ob da nur wegen steigender Passagierzahlen wirklich ein Plus für uns herausspringt, darauf würde ich nicht wetten. Vorschnelles Ärgern halte ich da für nicht angebracht. Und wer als Taxifahrer unbedingt zum Flughafen will, kann ja sein Gewerbe in LDS melden – er wäre damit ja in guter Gesellschaft.

Und die Preise für die Kunden? Ich würde mal sagen, dass die Kunden, die sich für die 5 bis 10 € interessieren, mit der Zeit wissen werden, dass sie dafür ein Berliner Taxi bestellen müssen. Vielleicht ist der Status Quo also doch nicht ganz so schlimm, wie es allenthalben berichtet wurde.

Drängler

Gut, wahrscheinlich war es wirklich ein Missverständnis. Aber wie man in den Wald hineinruft …

Ich war am Neujahrsmorgen dank Pauls Kumpel in Mariendorf gelandet. Dann eine Kurzstrecke, direkt danach winkte es in Tempelhof. Im Grunde wie erwartet. Ich hab die Leute am anderen Ende der Kreuzung gesehen und nur im Augenwinkel ganz kurz hinter einem geparkten Auto eine Bewegung. War mir egal, ich hatte die Winker anvisiert und hielt nun neben ihnen an.

Ein freundlicher junger Mann drückte sich etwas umständlich aus, wollte aber nur wissen, ob ich bereit wäre, einen Hund mitzunehmen. Er hatte diesen Wunsch noch nicht ganz ausgesprochen, da schob sich eine korpulente Dame im Hosenanzug ins Auto und ein mit einem altmodischen Mantel bewaffneter Brillenträger verkündete dem jungen Kerl, dass das sein Taxi sei.

WTF?

Mal ganz abgesehen davon, dass mir die Truppe rund um den Typen mit Hund und Dreadlocks sympathischer war, fragte ich mich doch auch so, was das jetzt bitte sollte. Der Brillenträger erklärte in strengem Lehrer-Tonfall:

„Das ist unser Taxi! Wir haben es vor der Kreuzung schon herausgewunken und der Fahrer konnte leider erst hier halten.“

Während mich mein Fahrgast ein wenig entgeistert ansah, schob sich der Kerl mit dem Mantel ins Auto. Ernsthafte Proteste kamen keine, also war es offensichtlich an mir, die Lage klarzustellen:

„Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass es reichlich unverschämt ist, hier einfach im Nachhinein aufzukreuzen und meine Fahrgäste davon abzuhalten, hier ins Taxi zu steigen!“

Schien mir angebrachter als ein „Verpisst Euch, ihr Arschgeigen!“

Dass sie wahrscheinlich wirklich die Bewegung am Rand waren und somit zuvor gewunken hatten, ist mir erst später in den Sinn gekommen, aber nichtsdestotrotz: am Ende ist es ja wohl meine Sache, wen ich befördere! Und da haben Leute, die andere Fahrgäste einfach zur Seite schieben und einen Anspruch bekunden zweifelsohne schlechte Karten. Ich sollte damit richtig liegen. Nicht nur, dass die Tour lang war und im Grunde mein guter weiterer Silverster-Umsatz letzten Endes auch dieser Entscheidung geschuldet war – nein, die Dame des sicher edlen Hauses sah mich gleich an, als wäre ich irgendein widerlicher Schleimpilz oder dergleichen. Igittigitt, ein Taxifahrer, der eine Meinung hat! Dass ich auf diese Schnösel verzichtet habe, war sicher meine eigentliche Glanzleistung an Silvester!

Mit den nun dann doch einsteigenden Fahrgästen hatte ich eine nette, unterhaltsame und spaßige Tour. Mit Späßen durchaus auch auf Kosten der beiden Wichtigtuer – was ich aber ehrlich gesagt für völlig legitim halte.

„Weil Silvester ist“

Um vier Uhr morgens Kunden zu finden ist nicht schwer an Silvester. Kinder sind da schon eher selten. Die kleine neunjährige aber war erstaunlich fit für ihr Alter und außerdem wurde sie natürlich von Papa begleitet. Der war erfreut, dass sich so schnell ein Taxi gefunden hat und gab als Ziel den Osten von Lichtenberg an. Was mich gefreut hat. Nicht nur, weil es eine dieser sehr lohnenden mittellangen Touren von Prenzlauer Berg aus war, sondern auch, weil ich so etwas weiter in Richtung Osten kam, wo ich dank großer Straßen und guter Ortskenntnis an Silvester einfach am liebsten unterwegs bin.

Das lief auch alles problemlos, selbst ein kleiner Umweg wurde unter den Tisch fallen gelassen, während viel über das Silvester in den letzten Jahren im eigentlichen Wohnort der Kleinen – ein beschauliches Nest unweit von Hamburg – geredet wurde.

Am Ende standen dann genau 16,00 € auf der Uhr und Papa fragte artig beim Töchterchen nach:

„Na, wollen wir dem Mann 20 € geben, weil Silvester ist?“

„Ja!!! Weil Silvester ist!“

Kinder. Sie machen selbst die schönsten Schichten noch schöner! 😀

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Paul

Arm an Kuriositäten ist Silvester natürlich nicht. Auch nie gewesen. Die Anzahl bekloppter Totalausfälle hat sich bei mir dieses Jahr sichtbar in Grenzen gehalten, abgesehen vom stressigen Fahrgast, den ich gestern erwähnt hatte, bleibt nur noch Paul.

Aufgegabelt hab ich ihn wie erstaunlich viele Fahrgäste in dieser Nacht in Friedrichsfelde. Dort kam er als ich an einer Ampel stand auf mich zugesprintet und ich war ein wenig erleichtert, dass er geradeaus laufen konnte. Sein bismarck’scher Bart verriet mir, dass kein jugendlicher Springinsfeld meine Dienste beanspruchte, sondern jemand, der sich vielleicht wenigstens auskennt mit den Folgen, die der Alkohol so auf seinen Körper hat. Diesbezüglich lag ich auch richtig. Ein wenig abstrus war die Fahrt dann trotzdem.

„Guten Abend und frohes Neues! Wo soll es denn hingehen?“

„Hinjehn? Ubahnstraße.“

„Urbanstraße, ja?“

„Saick doch!“

„In Kreuzberg, nehme ich an.“

„Logo.“

Zugegeben: aus dem Kopf hätte ich keine andere gekannt, aber man muss in Berlin ja wachsam sein.

„Und Du? Darf ick Du sang? Du bis ok?“

„Alles bestens – und das Du ist auch ok.“

„Ick bin Paul.“

„Sascha.“

„Sascha. Jut. Ick bin Paul. Bringste mir heim?“

„Das hatte ich vor.“

„Jut, haste Jeld bei?“

Au Backe. Ich hab während meine Antwort unauffällig zu ihm geschielt um das Risiko abzuschätzen. Gut, einen Überfall hatte er sicher nicht geplant. Aber die Frage nach meinem Geld ist nichts, was ich so einfach auf die leichte Schulter nehme. Da ist Taktieren angesagt.

„Naja, ein bisschen Wechselgeld halt, wie üblich.“

„HAHA! Ick mach doch nur Spaß. Ick zahl Dir dit ja ooch.“

„Das will ich doch hoffen. Ich dachte, das ist Teil des Deals.“

„HAHA! Klar. Du bringst mir heim, allet ok! Haste Jeld bei?“

„Wechselgeld, hab ich eben schon gesagt.“

„HAHA! Du bis mir eener! Ick mach nur Spaß! Ick bin Paul, und Du?“

Das Gespräch sollte nach diesem Start (wir waren noch nicht einmal auf der Frankfurter Allee!) nicht arg viel besser werden. Ein „HAHA!“ jagte das nächste und ich wurde etwa 15-mal gefragt, ob ich Geld dabei hätte. Immerhin war damit schnell klar, dass keine böse Absicht vorlag und einfach nur aufgrund des Alkoholpegels die Witzeplatte in seinem Kopf ein wenig sprang.

Ich hab silvestermäßig Fünfe grade sein lassen und nicht einmal protestiert, als er das ein oder andere Lachen damit verband, meinen Arm zu – ja was eigentlich? Knuddeln, massieren, festhalten … egal! Paul war dicht, ich hatte eine 20€-Tour und wäre ihn bald wieder los. Ich entschied mich für den Weg über die Elsenbrücke, es war mir im Gegenzug recht egal, ob wir vielleicht über die Schilling ein paar Cent hätten sparen können. Paul fragte ohnehin immer nur nach, wo wir seien, um anschließend mit lautem „HAHA!“ einzuleiten, dass es ihm völlig egal sei, so lange ich ihn nur heimbringen würde.

Also heim. Genau genommen ging es in eine Kneipe, was ich zwar nicht für die beste Idee hielt bei seinem Zustand, aber wieder einmal hab ich mich einfach zurückgezogen in die Rolle des Fahrers. Ich konnte an Silvester nicht die Welt retten und der Kater eines einzelnen Bismarcks konnte mir gleich dreimal egal sein. Am Hermannplatz fing er an, sich kindisch zu freuen und kurz vor seiner Kneipe fragte er ein letztes Mal, ob ich Geld dabei hätte. Aber wie ich erwartet hatte, zahlte er anstandslos die knapp 20 € auf der Uhr.

Während Paul mir für die 80 Cent Trinkgeld, die er gab, versuchte möglichst viele blaue Flecken durchs Anknuffen meines Arms zu verschaffen, sah ich etwas ängstlich zu einem Typen vor mir an der Straße, der im Gegenzug zu Paul zwar nicht den Bart, dafür aber den Habitus des deutschen Reiches versprühte. Seine Brille nur durchs zweite Glas von einem Monokel zu unterscheiden, steifer Gang, altmodische Weste … ein bisschen psychopathisch wirkte er schon. Aber er war ein potenzieller Kunde. Paul knuffte noch um sich und bedankte sich überschwänglich, als der feine Herr Kurs auf mein Taxi nahm. Naja, immerhin ein Fahrgast!

„Nee Paul, kaum jeh ick, kommste jeloofn!“

richtete er das Wort an meinen Fahrgast. Sie kannten sich also. Wahrscheinlich hat das geholfen, den überglücklichen Paul schneller aus dem Auto zu bekommen. Bismarck der Zweite ist dann übrigens trotzdem eingestiegen. War eine sehr nette Fahrt ohne komische Dialoge bis nach Lichtenrade. Nochmal 20 €, dieses Mal aber mit mehr Trinkgeld …