Und? Meckerste?

Es war eine reichlich verstrahlte Truppe, die mir am Boxi ins Auto gekrochen kam. Ich persönlich tippe ja auf eine Gruppe Alt-Autonome aus den 80ern, aber es kann sein, dass mich da mein Blick auf die Szene und das Umfeld einen Trugschluss machen ließ. Der letzte der drei, gerade dabei, seine selbstgedrehte Kippe wegzuschmeißen, fragte beim Einstieg:

„Ick hätt‘ noch ’ne Fraje? Meckerste jetzt die janze Zeit mit uns wejen de kurze Strecke?“

„Hatte ich eigentlich nicht vor. Aber auf Nachfrage mecker‘ ich natürlich gerne! Meinetwegen ununterbrochen.“

Es ist unglaublich, wie man mit so einem einfachen Satz, diesem kleinen Funken Ironie und dem zarten Hauch von etwas Schlagfertigkeit seine Fahrgäste für sich gewinnt. Ist noch eine tolle Tour geworden und für eine Kurzstrecke ein beachtliches Trinkgeld.

Gab übrigens keine Nachfrage nach Meckereien, sondern nur Lob 😀

Tapetenblues

Kaum dass der Alkohol mal in etwas größeren Mengen fließt, beginnen die Leute, nachzudenken. Dabei kommen nicht immer sonderlich vorteilhafte Sachen heraus, was eine Kundin von mir beweist:

„Außerdem hat mich mein Freund sitzen lassen, das blöde Arschloch!“

Name, Beruf, Arbeitgeber und Automarke hab ich auch noch mitgeteilt bekommen, eins a Hasstirade mit leicht säuerlichem Abgang in Form von Selbstmitleid. Einer ihrer Mitfahrer führte das Gespräch wie folgt fort:

„Wenn wir hier jetzt geradeaus fahren würden und dann links, dann würden wir direkt zu meiner neuen Wohnung kommen. Da hab ich gestern tapezieren lassen und jetzt haben die da so viel Farbe draufgeklatscht, dass mir, als ich da mit dem Messer ran und so und dann sind mir die ganzen Tapeten wieder runtergekommen.“

„Hä? Was soll des jetzt?“

„Na ich find meine Geschichte trauriger als deine mit dem komischen Typen da.“

Mein Bohrhammer hat mehr Einfühlungsvermögen.

Der Typ auf dem Beifahrersitz hat sich betont locker gegeben und ihre Probleme in den Wind geschlagen, dass es zwar irgendwie wehgetan hat, andererseits aber auch fast schon lustig war. Der Freund haut ab und hat nur sein Auto im Sinn, der heimliche Schwarm steht auf ’ne andere, das Geld ist knapp, der Job ist eh scheiße und die Eltern stehen kurz vor der Scheidung. Das ganze Leben ist irgendwie verkorkst und der Typ, mit dem man sich ein Taxi teilt, erwidert:

„Geh halt anschaffen.“

Dabei war er gar nicht das Oberarschloch, er hat sich nur ein bisschen lustig darüber gemacht, dass die junge Dame bereits mit 22 Jahren der Meinung war, sie hätte ihr Leben bereits komplett hinter sich. Er hatte durchaus ein Gespür dafür, dass sie eigentlich nur eine gewisse Aufmunterung und Ablenkung gebrauchen konnte. Ich hab mir mit ihr eine kurze Battle geliefert, ob es mir mit 22 beschissener ging oder ihr jetzt. Ich gebe das nicht im Detail wieder, aber ich bin nicht schlecht darin, Dinge in einen anderen Kontext zu stellen und somit konnte ich das glasklar für mich entscheiden. Und verkünden, dass man trotzdem noch glücklich werden kann. Da meldete sich der Beifahrer wieder und meinte zu ihr, theatralisch betonend wie genervt er sei:

„Schon mal über Selbstmord nachgedacht?“

„Naja, irgendwie schon.“

„Macht nix, hab ich auch schon mal.“

An der Stelle hab ich mich wieder eingeklinkt, weil die Vorlage einfach so gut war:

„Wieso das? Wegen den Tapeten?“

Kurz darauf ist Miss Hab-mein-Leben-vergurkt mit einem leichten, aber immerhin vorhandenen Lächeln ausgestiegen. Die anderen hab ich noch zwei Kilometer weiter gefahren und der Typ meinte zu mir:

„Weißt du, du bist mir sympathisch.“

Man hat als Taxifahrer schon ein komisches Verhältnis zur Kundschaft 😉

Extreme Schlaglöcher

Und dann war da noch der Kunde, der mich nicht so recht glauben konnte, dass ich schon einiges gesehen habe:

„In meiner Straße, da müssen Sie echt ganz arg aufpassen!“

„Ja?“

„Da sind Schlaglöcher. Aber richtig extreme!“

„OK, das kenn‘ ich aus einigen Kleingartenanlagen.“

„Nee, solche haben Sie noch nie gesehen. Das ist echt extrem.“

„Also wenn wir durchkommen, hab ich schon schlimmeres gesehen, sicher.“

„Ja, aber das ist echt heftig.“

Dort angekommen erwiesen sich die Schlaglöcher durchaus als heftig – also bis zu 30 cm tief und auch sehr zahlreich über die Straße verteilt. Allerdings zeichnete sich gleich ein Weg ab, wie man sie gut umfahren kann. DA hat er mir dann allerdings doch noch was neues erzählen können:

„Ja und hier hinten steht manchmal die Polizei und fragt nach, warum man Schlangenlinien fährt…“

Das machen die nicht wirklich, hoffe ich o.0

„Du bist einer von den Guten!“

Letztes Wochenende bin ich gelegentlich beim Wechselgeld wieder ein bisschen in die Bredouille geraten. Niemals mit Kunden, aber wenn man bei 40 € Umsatz bereits drei Fuffis in der Tasche hat, dann bleibt für den nächsten Kunden so ziemlich genau Null. Insbesondere wenn ich eine Rückkehr zum Ostbahnhof in Betracht ziehe, steuere ich in solchen Fällen meine Stammtanke an.

Die Total an der Holzmarktstraße ist eine sackteure Tanke. Insbesondere für Erdgas. Das liegt daran, dass sie jahrelang nahezu eine Monopolstellung innehatten, da die Berliner Innenstadt noch recht spärlich mit Gas-Tanken ausgestattet ist, die nachts durchgehend geöffnet haben. Da ich es nie eingesehen habe, dezikilometerweite Umwege zu fahren, um irgendwo ein paar Cent zu sparen, schlage ich seit jeher recht oft dort auf. Deswegen hatte ich schon mit einigen Nachtschichtlern dort zu tun und bisweilen sehr lustige Pausen dort erlebt. Zum Beispiel, als zwei der Mitarbeiter dort stundenlang alle Kunden mit Piepsestimme bedient haben 😀

Naja, jedenfalls hat es mich zum Wechseln auch dieses Mal dorthin verschlagen, wohlwissend, dass im Falle eines Schichtbeginns dort auch nicht immer grenzenlos was zu machen ist. Also hab ich einfach mal gesagt:

„Moin, ich komm ungern nur zum Schnorren her, aber könnt ihr vielleicht einen Fuffi kleinwechseln?“

Nach ein wenig Herumalbern über 10 € Wechselgebühr und der Gegenfrage, ob ich dann vielleicht einen Fünfhunderter in Fünfziger wechseln könne, hab ich kleine Scheine erhalten mit dem Hinweis, dass das bei einer netten Anfrage kein Problem sei. Wohlwissend, dass das nicht alle Fahrer so handhaben, hab ich auch angefügt, dass ich das zu schätzen weiß. Die haben ja auch nix davon, kein Wechselgeld mehr zu haben – lediglich größeren Spielraum als wir Taxifahrer.

„Nee, kein Ding! Du bist ja einer von den Guten. Soll ich dir aus meiner Kasse noch einen zweiten Fuffi kleinmachen?“

meinte der Kollege gleich.

Ich hab dankend angenommen und einen Zweier als „Gebühr“ liegenlassen. Freiwillig. Ebenso wie die zwei mir freiwillig entgegengekommen sind. Eine Hand wäscht die andere und außerdem sollte man nie vergessen, dass sich letztlich alles um Kommunikation dreht. Das geht insbesondere an die Kollegen, die irgendwoher wissen wollen, dass die dort an der Tanke aber total unfreundlich sind. Wie man in den Wald hineinruft…