Manchmal passieren Dinge, die einen zum Nachdenken bringen. Bezüglich des Taxigewerbes ist das bei mir nicht mehr viel, irgendwie bekomme ich ja inzwischen einiges mit. Von Kunden, Kollegen, meinen Chefs, aus der Presse, von Lesern. Und nicht zuletzt fahre ich ja selbst Taxi.
Hier bei GNIT ist Taxifahren meist eine lustige Angelegenheit, manchmal vielleicht auch etwas traurig – immer jedoch mit einem Schuss Ironie gewürzt. Das muss der Kollegin aus Mecklenburg-Vorpommern aus dem NDR-Bericht im unten verlinkten Video wie ein Hohn vorkommen.
Das sind die düsteren Seiten des Gewerbes – und die gibt es natürlich leider auch zuhauf. Das im Video angesprochene Beispiel (Festgehalt von 4,50 € pro Stunde und 100 unbezahlte Überstunden monatlich!) ist zweifelsohne extrem. Unter niedrigen Einkünften leiden aber selbst hier in Berlin die meisten. Durch unsere Umsatzbeteiligung sind wir hier wenigstens auf dem Stand, dass Unternehmer und angestellte Fahrer gleichermaßen betroffen sind.
Natürlich ist Taxifahren auch ein harter Job! Ihr dürft echt nicht vergessen, dass ich persönlich in mehrfacher Hinsicht unglaubliches Glück habe: Zum einen komme ich mit relativ wenig Geld aus, zum anderen verdiene ich ein paar Kreuzerchen nebenher. Und ich habe Chefs, die mich nicht zum Arbeiten zwingen und vorbildliche Arbeitgeber in jeder Hinsicht sind.
Ich kann nur hoffen, dass den im Bericht genannten Unternehmen erst ein umfassender Amtsbesuch und anschließend eine Klagewelle von biblischen Ausmaßen ins Haus steht!
Ansonsten bleibt nur zu sagen: Gebt Trinkgeld! Das kommt bei uns Fahrern an 🙂
Allerdings kann ich auch die Fahrer nicht wirklich verstehen dass sie für so eine Bezahlung tatsächlich arbeiten. Ist es in eurer Gegend wirklich so schwer eine andere Arbeit zu finden? Wir hier in Ö verdienen auch nicht gut (schon gar nicht wenn wirklich nach Kollektiv bezahlt wird), aber für so einen Lohn setz ich mich sicher nicht die ganze Nacht hinters Lenkrad. Da geh ich dann lieber irgendwo putzen.
@Seismo
Selbst so unterbezahlt ist man gesellschaftlich immer noch anerkannter mit einem Job als mit Hartz 4.
Vom Selbstwertgefühl abgesehn.
Ohne das Video gesehen zu haben: 4,50 Euro ist natürlich ein Witz. Da hab ich vor 25 Jahren mit einem Ferienjob schon mehr verdient. Und dann stellt sich mir die Frage, wo das Geld denn bleibt.
Wenn 100 Überstunden auflaufen (im Monat, also rund vier Stunden täglich), gab es ja offensichtlich den Bedarf an Fahrten. Und auch wenn ich vermute, dass die Tarife in Meck-Pomm eventuell etwas unter denen in Berlin liegen, müssen damit doch auch Einnahmen generiert worden sein.
Wo sind die denn gelandet? Komplett beim Chef, ohne dass die Fahrer davon etwas abbekommen hätten? Das wäre wirklich ein Fall fürs Arbeitsgericht. Wenn ein Unternehmen nur überleben kann, wenn es seinen Vollzeit-Mitarbeitern nicht einmal 800 Euro Brutto im Monat zahlt, stimmt etwas mit dem Konzept des Unternehmens nicht. Nicht mit der Bezahlung der Mitarbeiter.
Und was die Sache mit dem Trinkgeld angeht: Ja, das gut und wichtig. Ich geb es auch gerne, wenn ich mit der Fahrt zufrieden bin.
Aber es kann nicht Aufgabe des Trinkgelds sein, miserable Arbeitsbedingungen so gerade noch erträglich zu machen. Eine vernünftige Arbeitsumgebung zu schaffen ist in zuerst einmal die Aufgabe des Unternehmens, nicht die seiner Kunden.
Lady Solana: Ja das ist schon klar, darum meine Frage ob in dieser Gegend denn so schwer andere Arbeit aufzutreiben ist. Wenn dies so ist versteh ich ja dass man zumindest irgendetwas arbeiten will. Ich kann nur sagen in unserer Gegend wäre es kein Problem eine andere Arbeit aufzutreiben. Die ist dann zwar meistens nicht so angenehm, aber doch wesentlich besser bezahlt als die Taxler in der Gegend verdienen.
Andererseits hab ich mir grad unseren kollektivvertraglichen Stundenlohn ausgerechnet und mir sind die Tränen gekommen. Wir bekämen eigentlich auch nur 4,54/Stunde. Allerdings hält sich da bei uns kein Unternehmer dran weil er sonst alleine fahren müsste.
Wenn ich wirklich nur 4,50€ verdienen würde (ohne Trinkgeld), führe ich nun wirklich nicht vom Hof, schon gar nicht in Nachtschicht. Ein Unternehmer, der wirklich nur solche Löhne zahlen kann, ist entweder ein absolut unfähiger Typ in Sachen Wirtschaftlichkeit oder aber die Gewerbeaufsicht in der entsprechenden Gegend funktioniert nicht, Stichwort „ruinöses Gewerbe“.
Solche Unternehmer gehören von Gewerbeaufsicht, Finanzamt und Zoll gepiesackt bis zum Geht nicht mehr…
Die unbezahlten Überstunden werden sicherlich nicht gefordert weil so ein Ansturm an Kunden herrscht, sondern, weil der Unternehmer durch die Mehrarbeit (tatsächlich wohl meist nur Warterei) Mitarbeiter sparen kann bzw. ansonsten Zeiten hätte, an denen er mit seinen Fahrzeugen nicht zur Verfügung stünde.
Bezüglich der Einstellung: ‚lieber Arbeiten, egal was, wie lange und wofür – Hauptsache nicht Hartz 4.‘ zeigen die Beiträge der Springerpresse und des entsprechenden ‚Qualitäts’fernsehens Wirkung.
Ich vermute mal, einige Fahrer sind ihren Chefs noch dankbar, dass dieser ihnen das Fahrzeug stellt (geht bei Taxis in D ja kaum anders) und sie nicht wie bei einigen Billig-Pizza-Unternehmen mit dem eigenen Auto fahren müssen.
Vor einigen Jahren bin ich im Nebenjob abends/nachts mal so eine Art Kurier gefahren, Stundenlohn 4,20 Euro, und bei Schäden am Kfz. hätte ich in voller Höhe haften sollen. Solche Jobs zielen ganz bewußt auf Arbeitslose oder Vorruheständler mit deren geringen Dazuverdienstgrenzen ab. Fragt mal die Fahrer von Paketdiensten, Kfz.-Ersatzteildepots, Apothekenkurieren. Ich habe einige getroffen, die sind nachts vor ihrem eigentlichen Paketjob z.B. erst noch Zeitungen ausgefahren (Druckerei-Verteilerdepots).
@Seismo:
Grundsätzlich hast du natürlich Recht, aber wie Matthias und LadySolana schon geschrieben haben: Der gesellschaftliche Druck und die Auswirkungen aufs Selbstwertgefühl (was in dem Fall ja auch gesellschaftlich induziert ist) sind ja nicht zu verachten. Außerdem sind 150 € mehr im Monat für Leute in schlechter Lage durchaus ein Grund, sich zu verbiegen. Ich will das Verhalten nicht gutheißen, kein bisschen! Aber Verständnis hab ich irgendwie schon dafür…
Und Meck-Pomm scheint arbeitsmäßig wirklich wirklich schwierig zu sein.
@Falcon030:
In dem Video geht es ganz klar um illegale Abzocke der Arbeitnehmer. Die 4,50 € sind mies, aber die passieren mir Montags in Berlin mit meiner Umsatzbeteiligung durchaus auch mal. Allerdings muss ich dann keine 4 bis 6 unbezahlten Überstunden machen, die den Verdienst nochmal auf 3,30 € senken…
Das mit dem Trinkgeld war mehr ein Scherz, um wenigstens noch ein bisschen Optimismus zu verbreiten. Natürlich kann das Trinkgeld kein planbares Instrument sein – wobei viele Kellner ja wirklich fast nur davon leben. Aber da ist es dann auch entsprechend mehr als bei uns.
@MsTaxi:
Zustimmung!
@Matthias:
Auch dir stimme ich voll und ganz zu. Bei meiner Bewerbung bei einem Paketdienst haben sie auch gleich nachgefragt, ob ich nicht auf 165€-Basis arbeiten möchte…
Also wenn wir doch ehrlich sind……besteht ein nicht zu verachtender Teil der Taxi, Paketdienstjobs usw. doch sowieso nur, weil die Fahrer auf 400euro Basis angestellt sind, aber in wirklichkeit Vollzeit arbeiten. Ob man das den Personen bei diesen Löhnen wirklich übel nehmen kann?
@Marcus:
Den Arbeitnehmern nehme ich das nicht wirklich übel. Auf der anderen Seite: Womit verdienen sie den Rest des Geldes, das man zum Leben braucht? Meist muss das Amt herhalten. Absolut verständlicherweise. Und da sind wir spätestens an dem Punkt, wo es wirklich mies wird. Sicher begünstigt das ein oder andere Gesetz solche Geschehnisse, aber ich weigere mich, anzuerkennen, dass jemand für 400 Euro Vollzeit arbeitet. Das gibt es und das ist traurig. Die Unternehmer gehören meiner Meinung nach aber ihrer Freizeit zu 100% beraubt – hinter Gittern.
Trinkgeld gebe ich gerne, wenn es der jeweilige Taxifahrer auch „wert“ ist bzw. die Taxifahrerin, sofern ich hin und wieder ein Taxi nutze … da lass ich mich nicht lumpen….
Denn wenn ich für nen schönen Abend auch mal 50, Euro oder mehr ausgebe dann kommts für die Taxi-Fahrt auf ein paar Euro mehr oder weniger auch nicht mehr drauf an … sag ich mal so pauschal …
Aber es kommt auch drauf an „wen“ man dann als „Dienstleister“ gegenüber hat…
Aus persönlicher Erfahrung blieb mir (und meiner Begleitung) „ein“ Fahrer in Erinnerung den wir aus diversen Gründen vom „ersten Mal“ in Erinnerung behalten hatten … dementsprechend viel auch das Tringeld ein bisschen magerer aus…
@highwayflo:
Das finde ich selbstverständlich.
Oh mann, ich werde mich nie wieder über meinen Lohn beschweren…
@Daniel:
Traurig, dass es nicht nur nach oben keine Grenzen zu geben scheint, oder?
Ich habe selbstverständlich nur die 400euro Jobber gemeint, die Nebenbei noch Hartz4 beziehen.