„Schatz, lass doch bitte mal den Taxifahrer in Ruhe!“
„Nein! Ich, jawohl: ich, fahre jeden Tag mit dem Auto ins Geschäft. Das ist die einzige Möglichkeit, mich mal mit einem anderen Menschen zu unterhalten. Der Mann kennt sich aus und kann mir meine Fragen beantworten.“
So sonderlich gut konnte ich das nicht einmal. Er hat nach den Öffnungszeiten der ein oder anderen Lokalität gefragt, die mir nichts gesagt hat. Aber kommunikativ war er! Mich persönlich haben die beide ein wenig an die Eltern aus der Serie „Mein Leben und ich“ erinnert: Eigentlich inzwischen ganz schön spießig geworden, aber fest davon überzeugt, wie cool sie noch sind.
Naja, das war zumindest sein Part. Sie wirkte alles andere als begeistert von seinen Allüren.
„Wissen sie, wir sind ja auch total spontan in den Park gefahren. Wir wollten da einfach mal dieses Sonnendings, hier… Aufgang! Den Sonnenaufgang wollten wir mal einfach total spontan im Park!“
„Wir wollten da eigentlich was ganz anderes…“
„Jaja, du wolltest nur Sex im Park!“
Das war einer der Momente, in denen man Unbehagen hören kann. Sie hat während sie still war hörbar nach Luft geschnappt und sich so unauffällig wie nur irgend möglich hinter meinem Sitz verkrochen, wo ich sie nicht sehen konnte.
Er war völlig unbeeindruckt von seinem Fauxpas und fuhr mit wichtigen Erkenntnissen fort:
„Ja und der Sonnenaufgang, also der wollte dann gar nicht. Den gab es gar nicht. Ist einfach so hell geworden!“
Dass man im Rausch mal die Reihenfolge von Dämmerung und Sonnenaufgang versemmelt, kann passieren. Ich hab den Sonnenaufgang eine halbe Stunde später genießen können 😉
„Wie spät ist es? Halb fünf? Bohoho Schatz, das haben wir lange nicht mehr gemacht, was?“
„Jaja…“
„Ich meine, früher bin ich um halb sechs heimgekommen, aber das war ja, das war ja vor 20 Jahren. Aber wissen sie, heute sind wir ja total spontan in den Park…“
Man kann vieles behaupten, aber nicht, dass es unanstrengend war. Ich hab die vielen weiteren Einwände seiner Frau, doch den Taxifahrer in Ruhe zu lassen, nämlich nur der Lesbarkeit wegen weggelassen. Jedenfalls sind sie nahe eines Streits dann ganz spontan an der vorher angesagten Adresse ausgestiegen („Nana, die 5 Meter können sie schon noch fahren..“) um dann um 11 Uhr eher unspontan die Hilde zu besuchen.
Aber schön, dass sie noch so cool sind, ehrlich 😉
Ich finde die Menschen sehr belustigend, die sich beweisen müssen „wie toll jung geblieben“ sie sind. Beeindruckend finde ich hingegen die Menschen, die das nicht ständig „beweisen“ müssen, sondern die es einfach tun: Aus dem Alltag ausbrechen, das Leben genießen und NICHT groß darüber rumlamentieren.
„Berufsjugendliche“ sind auch so eine Gruppe von Zeitgenossen die mir generell suspekt sind.
Da bekenne ich mich lieber dazu ein alter Sack zu sein.
Bin ich ja auch 😉
Alter Sack hin und her, einen „romantischen Sonnenaufgang im Park“ (oder wahlweise am Badeweiher) mochte ich noch nicht einmal als ich jung war. Was hat man denn davon bitte? Tautropfen auf der Nase (wenn’s denn kein Regen ist), Ameisen am Arsch, Amsel- oder sonstiges Singvogelgezwitscher in ohrenbetäubender Lautstärke, und eine Freundin, die selig im Schlafsack schnarcht und sich morgens ihre kalten Füße zwischen deinen Schenkeln wärmt. Also entweder man hat einen VW-Bus mit Standheizung und Matratze (sehr von Vorteil!), oder man verlegt die Aktion ins heimische Schlafzimmer.
Natürlich erfordert so eine Sonnendingens ein gerüttelt Maß an Vorbereitung und/oder Leidensbereitschaft, aber als alter Sack muß ich sagen dass es schon ein Prüfung der zukünftigen Dauerbeziehung ist die Ameisen, Tautropfen und das Vogelgebrüll gemeinsam durch zu stehen.
Weicheier, VW-Bus, pfff.
Acker, Frühling, 1991, sage ich nur.
Hält immer noch.
Mit ohne VW-Bus und solchen verweichlichten Zutaten wie Schlafsack, Schlafzimmer uswusf.
Ergänzung.
Weicheier!
Damals war ich ein junger Sack.