Meine Kundinnen waren so eine mittelprächtige Mischung aus super-nett und kühl distanziert. Ein paar nette Worte sind gefallen, aber es war ihnen auch anzumerken, dass sie mich einfach nur als Dienstleister betrachten, dessen Preis ihnen nicht sonderlich zusagte. Aber Tarif ist Tarif, und ich finde, dass 15 € Fahrpreis für 5 Personen auch mal ok sein muss, wenn es einem eine fast dreiviertelstündige Fahrt mit der Bahn erspart.
Dennoch gab es Trinkgeld, der übliche Das-macht-man-halt-so-Euro. Sie haben sich ein Stückchen vor ihrem Hostel rausschmeissen lassen, und als ich den hinteren Sitz wieder einklappen wollte, fand ich eine gute Möglichkeit, mich doch noch beliebt zu machen:
„Einen Moment! Jetzt sieht jeder bitte nochmal kurz in seinen Taschen nach, und wer kein Handy findet, kann es sich dann bei mir abholen!“
Das High-Heel-Geklacker auf dem Bordstein verstummte zugunsten einiger Wühlgeräusche und am Ende ergab sich folgendes: Alle hatten ihr Handy. Mist!
Also hat es irgendwer sonst in meinem Wagen verloren. Ich hatte ja mal sowas von keinen Bock auf den ganzen Stress. Fundamt, Papierkram, Zeitverschwendung!
Ich hab das Handy mal angesehen. Hmm, ein älteres Nokia-Modell, ziemlich verkratzt und… angeschaltet! Nur eine Tastensperre ohne Passwortschutz drin. Na denn! Was sagt die Uhr? Sie sagte 3.30…
So komisch es klingt – ich fand die Zeit optimal, um jemanden anzurufen. Die meisten Nachtschwärmer waren noch unterwegs und mir lag es wesentlich näher, kurz mit dem Auto zu einem Club zu gurken, als kompliziert zu meiner Schlafenszeit irgendwann einen Termin mit jemandem auszumachen.
Ich sah nach den letzten Anrufen und entschied mich spontan für Steffen. Der hatte erst zwei Stunden vorher auf dem Handy angerufen und ich hoffte einfach mal, dass er noch wach ist. Ich fand, Steffen klingt nach nachts wach sein. Ja, schon irgendwie…
Also hab ich mit Steffen telefoniert. Das Ganze verlief ziemlich erfolglos, denn Steffen befand sich tatsächlich in einem Club und abgesehen davon, dass Elektro nicht meine Musikrichtung ist, war die Wiedergabe übers Handy bescheiden – aber leider sehr dominant. Ich hab Steffen also angebrüllt und dann aufgelegt. Im Übrigen etwas, das nachts um 3.30 Uhr auch mit allen anderen Telefonnummern Spaß macht! 😀
Wie zu erwarten war, rief Steffen binnen einer Minute zurück, nachdem er sich irgendwo in ein leiseres Eck verkrümelt hatte.
Als ich ihn in verständlichem Tonfall am Ohr hatte, kam er mir schon etwas bekannter vor und als er sagte, dass er mit seinen Freunden im Tresor ist, wusste ich auch wieder, mit welcher Truppe ich es zu tun hatte.
Ehrlich? Nicht die beste des Abends. Nette Jungs zwar, aber nervige Preisfeilscher, die selbst am Club noch nicht aufgegeben haben, mir das tolle Angebot zu machen, ich solle doch den Zehner vergessen und einfach 5 € so nehmen und dem Chef nix sagen.
Aber gut. Ich war etwa 3 Kilometer entfernt und hab beschlossen, dass es mir den Stress nicht wert ist mit Anfahrtskosten etc. Hauptsache das Handy ist wieder bei seinem Besitzer! Während der Fahrt hab ich mich dann aber doch ein bisschen geärgert. Schließlich kann ich ja auch nix dafür, und selbst wenn es nur 15 Minuten und 3 Kilometer sind: Es ist meine Arbeitszeit! Ich hab also insbesondere wegen der Hinfahrt vor etwa 4 Stunden beschlossen, den Jungs wenigstens meine Meinung kundzutun, wenn sie jetzt einfach mehr oder weniger wortlos das Handy entgegennehmen sollten.
Aber glücklicherweise war das nicht nötig. Ein überglücklicher Besitzer strahlte über beide Ohren als er sein geliebtes Telefon wieder an sich nehmen konnte und schüttete mir eine ordentliche Menge Kleingeld in die Hand. Die Anfahrt war damit locker bezahlt, er hat quasi nachträglich noch Trinkgeld gegeben, was davor irgendwie nicht drin war.
Und überhaupt: Besser so als zum Amt rennen oder Briefe zu schreiben! 🙂
Cool! Mir hat auch mal ein Berliner Taxifahrer mein vom Gürtelclip gerutschtes Nokia in die Kneipe zurückgefahren, vor der er mich zwei Minuten zuvor abgesetzt hatte. Warum ich es nicht gemerkt hatte, dass mir der Funkknochen abhanden gekommen war, weiß der Geier. Die Dinger hatten ja noch ordentlich Gewicht damals. Hab ihn dann mit fünf Mark belohnt, das liegt etwa in der Nähe des damaligen Kurzstrecken-Tarifs, und mehr kann er in der kurzen Zeit nicht gefahren sein.
Überhaupt könnte ich jetzt ein Loblied auf die Hauptstadt-Taxler im Allgemeinen anstimmen, denn der Prozentsatz an Arschlöchern, die mir da untergekommen sind, ist doch bedeutend geringer als beispielsweise in München, der angeblichen „Weltstadt mit Herz“. Aber das spar ich mir jetzt einfach mal.
„Im Übrigen etwas, das nachts um 3.30 Uhr auch mit allen anderen Telefonnummern Spaß macht!“ Du hast schon komische Hobbies 😉
@Cliff McLane:
Freut mich, dass deine Erfahrungen so gut waren. Ich denke ja auch, dass die meisten Kollegen ganz ok sind. Wahrscheinlich sogar in München 😉
@SaltyCat:
Irgendwie muss man als Nachtfahrer ja ein Sozialleben haben 😀
Wehe aber, Du rufst mich mal morgens um 13 Uhr an!!!
Ich finde es gut, wenn man ehrlich ist. Denn ich möchte genau so behandelt werden 🙂
[…] hier den Originalbeitrag weiterlesen: Fundsache Handy | Gestern Nacht im Taxi […]
Das erinnert mich an meinen Kumpel. Wir kamen von irgend einem kleinen Konzert, Alkoholisierungsgrad jenseits des messbaren. Und mein Kumpel hat schon nüchtern die Angewohnheit alles zu vergessen, was nicht nagel- und nietfest ist. So kam es, dass wir kurz nach abrauschen des Taxis verblüfft feststellten, dass sein Portemonait nicht mehr vorhanden war.
Kurzer Anruf bei der Taxizentrale, 5 Minuten später war mein Kumpel um ein Portemonait reicher und ich um 5 Euro ärmer, da er all sein Geld an dem Abend schon ausgegeben hatte.
@Der Maskierte:
Wenn es so schnell geht, ist es natürlich super. Manchmal klappt glücklicherweise alles, wie es soll 😀
Und wie viel Geld war das ganze Kleingeld? Kenne das selber nur allzu gut, dass viele Jugendliche einfach ihr Portemonnaie ausschütten, nach dem nachzählen ist es dann meistens das doppelte 😉
@Lukas:
Rund ein Zehner war es. Und ja: Manchmal ist das echt viel…
Also ich finde das sehr nett, dass du das Handy zu den Jungs gefahren hast. Ich habe leider nicht so gute Erfahrungen gemacht. Aber das kann halt auch mal passieren. Umso schöner ist es zu merken, dass es auch noch nette Menschen gibt.