Trinkgeldversprechen

Im Allgemeinen halte ich mich wirklich daran, Trinkgeldversprechen nicht zu trauen. Ich habe vor einiger Zeit zwar schon ein nettes Gegenbeispiel verbloggt, aber im Allgemeinen gilt doch immer wieder, dass man sich auf Aussagen von Kunden nicht verlassen sollte. Warum das so ist, weiss ich selbst nicht. An Unzufriedenheit lag es nach meinem Wissen zumindest bei mir im Taxi noch nie.

Die längste Tour des Wochenendes war ein schönes Beispiel dafür. Eine Gruppe junger Leute hat am Ostbahnhof am frühen Morgen ein Großraumtaxi gesucht. Dann hieß es aber auf die fünfte Person warten und außerdem gedachten sie, noch eine Zigarette zu rauchen. Bei dem Spielchen mit dem Warten mache ich gerne mit – allerdings hat das Grenzen. Ich hab da keine feste Linie, dass ich nur eine Minute pro Euro Umsatz warten will oder so – aber diese Spinner damals haben es echt so sehr ausgereizt, dass ich es mir inzwischen überlege.

„Wo soll es denn hingehen?“

hab ich gefragt. Abgelehnt hätte ich sie so oder so nicht. Aber übers Taxameter einschalten darf man schon nachdenken, wenn es nur um einen Fünfer geht. Oder ich stehe eben doch anderen Kunden zur Verfügung. Bei aller Lockerheit will ich ja trotzdem ein wenig Geld verdienen.

„Nach Falkensee. Lohnt sich also.“

Hossa! Klar, es liegt außerhalb – aber dafür reden wir hier auch von 35 bis 40 € Umsatz.

„Und sagen wir mal so: Wenn du uns noch rauchen lässt, dann springt auch ein bisschen mehr Trinkgeld raus…“

Na klar.

Die Fahrt war tatsächlich sehr entspannt, und mir wurde immer klarer, dass es eine wirklich lange Tour werden würde. Sie mussten alle an unterschiedlichen Adressen raus, ich hatte also richtig viel Glück. Gott sei Dank hatte ich nicht irgendeinen Festpreis ausgemacht 🙂

Als die ersten Ratten das Schiff verließen, stand die Uhr bei knapp 30 €, allerdings geschah jetzt etwas recht seltenes. Auf einen Sammelaufruf zückten wirklich alle schnell ihr Portemonnaie, und der der zuletzt aussteigen sollte, bekam tatsächlich in Windeseile 55 € zusammen fürs Taxi. Normalerweise wird da erst mal rumgerechnet, wer jetzt wie viel zahlt, manchmal geht es da echt um Cent-Beträge. Hier nicht. Die 55 € schienen zunächst ein absurd hoher Betrag zu sein, aber es stellte sich heraus, dass der junge Mann sogar noch ein Dorf weiter wollte…

Nach und nach hab ich die Leute abgesetzt, und zu guter Letzt sind wir dann an einem Kaff unweit der B5 gelandet, die für mich die morgendliche Einflugschneise nach Berlin werden sollte. Mein inzwischen ziemlich müder Fahrgast lotste mich zu seinem Haus, und das Taxameter stoppte die Zählung bei 49,10 €. Wow!

Da kann man doch nur froh lächeln in Anbetracht der Tatsache, dass er 55 € fürs Taxi bekommen hat. 🙂

Denkste!

„Hier haste 50. Stimmt so – und eine angenehme Schicht noch!“

Zugegeben: Hier war die Fahrt schon Belohnung genug – aber man denkt sich seinen Teil. Die zweitlängste Tour an dem Abend hab ich übrigens quasi genauso beendet. Die Uhr stand auf 24,80 €.

„Das war jetzt aber eine echt nette Fahrt. Machen sie mal 25.“

21 Kommentare bis “Trinkgeldversprechen”

  1. Sash sagt:

    @Thomas?
    🙂

  2. Thomas sagt:

    sorry falsche taste is schon spät bzw früh 😉

    Hallo, 90 cent haben oder nicht haben immer hin + den 20 cent macht schon 1,10€ !!
    Aber denk dran nicht alles auf einmal ausgeben!! 😉

  3. Sash sagt:

    @Thomas:
    Auf die ganze 9-stündige Schicht sind es sogar 6,60 € gewesen. So wenig Trinkgeld hatte ich echt schon eine Weile nicht mehr 🙁

  4. Quacki sagt:

    Brrr, was ist das denn für ein Kollegenschwein, dass noch 5€ vom gesammelten Geld wieder einbehält??
    Ich vermute mal außerdem, Sash, der gute Mensch in dir hat gesiegt, so dass du ihn nicht an die Warterei am Anfang erinnert hast, oder? Blöde, wenn man so eine Beißhemmung nicht ablegen kann. Eigentlich hätte man den an das Versprechen vom Anfang erinnern sollen (oder die meinten, ansonsten hätts nur 10c Trinkgeld gegeben ??)

  5. Sash sagt:

    @Quacki:
    Kann natürlich sein, dass das schon das großzügige Trinkgeld war 🙂
    Aber nein: Angesprochen hab ich ihn deswegen nicht. Zumal er auch nicht derjenige war, der diese Zusage gemacht hat. Und bezüglich Beißhemmung: Ich vermeide es tatsächlich, bei Trinkgeldfragen nachzuhaken. Das ärgert mich manches Mal selbst – aber ich hätte echt ein schlechtes Gefühl dabei. Schließlich ist Trinkgeld nach wie vor freiwillig und ich habe kein Anrecht darauf.

  6. Manche Menschen lassen mich nur hemmungslos mit dem Kopf schütteln. Kollegenschwein trifft es.

  7. Johannes sagt:

    Ich arbeite auch in einem Job wo es Trinkgelder gibt und ich kann deine Erfahrung nur bestätigen: Ein als großzügig angekündigtes Trinkgeld enrpuppt sich oft als Aufrunden zum nächsten vollen Euro. Mittlerweile traue ich mich aber etwas zu sagen. Zumindest durch die Blume. „So da haben wir 49.10€, die Guten
    geben 55€.“ Funktioniert eigentlich immer.

  8. Frz sagt:

    Johannes: Sowas finde ich als Dienstleistungsempfänger widerlich. Ich gebe recht häufig und wenn der Service stimmt ~10% Trinkgeld (sowohl im Restaurant als auch im Taxi), wenn ich dann aber SO vor den Kopf gestoßen werde das man meint mir sagen zu müssen wieviel Trinkgeld ich geben sollte kann man nicht mehr von stimmenden Service sprechen, dann wird halt doch nur aufgerundet…

  9. MacSpi sagt:

    Damit würdest du bei mir je nach Laune 0EUR (gute Laune) oder 0,01EUR mit der Ansage „Für ihre Mühe“ erhalten.

  10. ednong sagt:

    Du kannst ja drauf hinweisen, dass du nette Fahrten verbloggst 😉 und dann dem ersten Aussteigenden eine Karte von dir in die Hand drücken. Damit sie dann mal merken, was mit ihrem (Trink-)Geld geschieht.

  11. Nick sagt:

    Mir ist alles unter 10% ehrlich gesagt auch unangenehm (vorausgesetzt der Service war nicht beschissen).
    Ich pendel meist so bei 20-30%, je nach Summe und Alkoholpegel 😉

  12. Aro sagt:

    Nein, das finde ich auch daneben. Dem Fahrgästen ein Trinkgeld aufzunötigen ist inakzeptabel, auch wenns mit einem netten Spruch ist.

  13. Hannah sagt:

    So sind sie, die Falkenseer…(ich bin aus Spandau, ich darf das sagen 😉 )

    Mich würd’s ja interessieren, was mit den 5€ passiert ist – Katerfrühstück am nächsten Morgen?

  14. Thomas sagt:

    @ sash

    Naja es kommen auch wieder andere Tage. Da stimmt dann beides 1 die Kasse und 2 das Trinkgeld!! Wie sag ich an solchen Nächten wie heute immer. Der olympische Gedanke zählt!! 😉

  15. McGruber sagt:

    Ich weiß nicht: Ich nehm die 10%-Regel selbst gerne als grobe Faustregel in Kneipen oder bei der (eher seltenen) Taxifahrt.
    Wobei ich bei schlechtem Service (Kneipe: Bedienung kommt ewig nicht oder quatscht die ganze Zeit mit Kollegen) wirklich gar nix gebe und bei gutem Service auch gerne noch einen Tick mehr.

    Wenn mir dieser Spruch käme, müßte mir die Bedienung / der Taxifahrer vorher extremst positiv aufgefallen sein, damit ich überhaupt noch Trinkgeld gebe.
    Ich glaube, ich würde antworten: „Die guten Bedienungen betteln nicht um Trinkgeld“ und würde mir den Betrag auf den Cent rauszahlen lassen.
    Also, eine Bettelei um Trinkgeld find ich peinlich, selbst wenn ich weiß, dass diese Berufe davon leben.

  16. Johannes sagt:

    Grundsätzlich ist es natürlich richtig, dass das Trinkgeld eine freiwillige Leistung des Gastes ist. Ich mache dies auch nur bei Gästen die vorher ein „großzüges Tringeld“ angekündigt haben. Diese Gäste glauben sich allein mit der Ankündigung Privilegien „erkauft“ zu haben. Ständige Extrawünsche, jetzt laß doch mall die anderen Gäste und kümmer dich nur um uns. Viele glauben sie wären Dadurch wichtiger und besser.

    Von mir wird jeder Gast gleich behandelt. Egal ob er viel oder wenig verzehrt oder wie hoch das
    Trinkgeld am Ende ist.

  17. Sash sagt:

    @Johannes:
    Also ich halte zugegeben auch nicht viel davon, das so offensiv zu sagen – wobei ich einschränken möchte, dass es durchaus Situationen geben kann, bei denen ein spaßiger aufs Trinkgeld bezogene Spruch ok ist.
    So allgemein wie du würde ich das nicht handhaben – es sind ja nicht alle Kunden, die mit Trinkgeldversprechen was „erkaufen“ wollen. Im oben genannten Fall war es ja zum Beispiel jemand ganz anderes, der das Versprechen gemacht hat.

  18. Chefarbeiter sagt:

    Ich wette ein großzügiges Trinkgeld von 50 Cent, dass er seinen Kumpels am nächsten Tag erzählt hat, dass er dir 6 Euro Trinkgeld gegeben hat 😉

  19. Sash sagt:

    @Chefarbeiter:
    Wenn man das nur irgendwie rausfinden könnte 🙂

  20. Markus sagt:

    Also ganz ehrlich:

    Nach so einer Aussage gäbe es von mir keinen einzigen Cent Trinkgeld. Ich gebe gerne und bilde mir auch ein großzügig zu sein, wenn die Leistung stimmt aber das finde ich einfach nur unverschämt.

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