Mein Gott, was sich aus einer Kundenanfrage alles ergeben kann – oder wie rede ich aneinander vorbei. Drama am Ostbahnhof in 3 Akten.
Die Personen:
Die Kunden:
4 Rentnerinnen mit 4 kleinen Koffern.
Taxifahrer (nach Reihenfolge am Stand, vereinfacht):
Kollege 1, Fahrzeug Mercedes E-Klasse
Kollege 2, Fahrzeug Mercedes B-Klasse
Kollege 3, Fahrzeug Skoda Octavia Kombi
Kollege 4, Fahrzeug Opel Zafira
Kollege Sash, Fahrzeug Opel Zafira.
Sashs Fahrzeug steht als einziges auf der den Kunden gegenüberliegenden Straßenseite.
1. Akt (Prolog)
Die Kunden betreten den Bahnhofsvorplatz. 3 von ihnen bleiben weise dreinsehend am Taxistand neben den Fahrzeugen von Kollege 1 und 2 stehen. Eine Kundin stelzt über die Straße auf Sashs leeres Fahrzeug zu. Sash wird aufmerksam und gibt sich als Fahrer zu erkennen.
„Hallo, kann ich ihnen helfen?“
„Ja, wir bräuchten ein Taxi für 4 Personen mit Gepäck.“
2. Akt (Eskalation)
Sash sieht sich am Stand um. Jedes der Fahrzeuge bietet selbstverständlich Platz für 4 Personen zuzüglich des nicht sehr umfangreichen Gepäcks. Dies gibt er auch zu verstehen und meint:
„Das ist selbstverständlich machbar. Aber sehen sie: Die Kollegen haben doch auch Platz für sie.“
Damit will er nicht etwa die Rentner loswerden, sondern nur sicherstellen, dass sie nicht wegen falscher Vermutungen ein anderes Taxi vor ihm verschmähen. Die Kollegen 1 und 2 scheinen sich nicht zu interessieren und bleiben im Wagen sitzen, Kollege 3 meint auf Nachfrage verwundert:
„Wat weiss ich denn, warum die hier so einen Stress machen?“
Dann nimmt er einen Funkauftrag an und fährt davon.
Sash geht zu Kollege 2, in der Hoffnung, seine nette Geste, einem länger wartenden Fahrer die Tour zu ermöglichen, wird erkannt:
„Kollege, bei dir ist doch sicher auch Platz für das bisschen Gepäck der Damen, oder?„
Die Kunden sind sichtlich aufgebracht, schielen verächtlich auf das Fahrzeug und beharren auf folgendes:
„Aber wir wollten doch ein Auto für VIER Leute!“
Währenddessen schält sich Kollege 2 aus seinem Fahrzeug und fängt an, Sash anzupöbeln:
„Was ich nicht verstehe: Wieso gehen sie denn nicht zu ihm!?“
und deutet auf Kollege 1. Der bleibt weiterhin im Auto sitzen und ignoriert das ganze Geschehen. Inzwischen wittert Kollege 4 eine gute Chance und fragt nach, ob er eventuell helfen könne.
Während Sash Kollege 4 erklärt, was für ein Auto gesucht ist, redet sich Kollege 2 in Rage über Kunden, die keine Ahnung hätten, aus völlig unerklärlichen Gründen nach wie vor in Richtung Sash. Kollege 4 reagiert erfreut und ruft den Damen zu, sie mögen doch bitte zu ihm kommen, er würde sie gerne mitnehmen. Das wiederum ist für die Kundschaft zu viel. Die Wortführerin beschwert sich nun lautstark, dass sie überhaupt nicht daran denkt, ein anderes Auto als das von Sash zu nehmen und wie unverschämt es sei, dass ihr dieser Wunsch verwehrt würde.
„Natürlich können sie bei mir einsteigen, ich wollte doch nur…“
„Glauben sie, wir wollen in so ein tiefes Auto einsteigen? Da kommen wir doch nicht mehr raus. Eine Frechheit ist das hier!“
Mit Zähneknirschen murmelt Sash ein paar einladende Worte und geleitet die lustig erregte Truppe über die Straße zu seinem Auto. Kollege 1 verharrt weiterhin in seinem Fahrzeug und Kollege 2 ruft Sash beleidigt hinterher, dass er die Tour ruhig fahren soll. Kollege 4 gibt langsam sein Betteln um Aufmerksamkeit auf, während Sash unter empörtem Fluchen auf die ach so schlimmen Berliner Taxifahrer das Gepäck einlädt…
3. Akt (Auflösung)
Mit durchaus ambivalenten Gefühlen nimmt Sash zur Kenntnis, dass es sich um eine lukrative Tour bis nach Buckow handelt. Während der Fahrt gelingt dann die teilweise Aufdröselung des Durcheinanders, und Sash findet mit seiner Bitte Gehör, doch beim Schimpfen auf die bösen Taxifahrer wenigstens diejenigen auszuklammern, die versuchen, irgendwie zu helfen.
Das Schauspiel endet letztlich unblutig mit einem durchschnittlichen Trinkgeld für Sash und einer Truppe von Kunden, die ab jetzt der Meinung sind, die Taxifahrer am Ostbahnhof streiten sich, um zahlende Fahrgäste loszuwerden.
Kollege 1 wacht eine halbe Stunde später auf und erzählt von einem irren Traum mit vier Rentnerinnen. Kollege 2 ist die restliche Schicht noch sauer über die blöden Kunden und hofft vergeblich, die Fahrt wäre unter 8 Euro geblieben, während Kollege 4 sich fragt, was er eigentlich falsch gemacht hat.
Da soll mir nochmal einer sagen, dass das ja alles so einfach ist…