Sehr glücklich

Fahrgäste zufrieden stellen…

Wie macht man das eigentlich? Ganz einfach: Man macht seine Arbeit vernünftig. Sicher, den ein oder anderen Meckerer würde es nicht einmal zufriedenstellen, wenn man kostenlos einen Monat sein höriger Haussklave wäre, manch schüchternes Kerlchen möchte am liebsten gar nicht beachtet werden und würde alle Bedingungen akzeptieren, um irgendwie heim zu kommen.

So in etwa war der Typ drauf, den ich am Treptower Park aufgegabelt habe. Nach Moabit wollte er. Er war zwar etwas erstaunt, dass ich als Preis 20 € genannt habe, aber als er dann auf dem Navi gesehen hat, dass es gute 10 km Fahrtweg sind, war der Preis schon nicht mehr der Rede wert. Ab da war er nur noch verwundert, wieso er „so weit weg“ war.

Ich hab versucht, ein bisschen mit ihm ins Gespräch zu kommen, immerhin hat er mir erzählt, warum er in Berlin ist, wie lange schon und ein paar andere Kleinigkeiten. So wirklich eine lockere Atmosphäre wollte sich indes nicht einstellen, nach jedem 3. Satz stellte er klar:

„Oh Mann, bitte bring mich einfach nach Hause, sonst komm ich nie nach Hause, bitte bitte!“

Natürlich hab ich ihm geduldig versichert, dass ich ihn auf dem kürzesten Weg und auch so schnell wie möglich heimbringe. Wirklich beruhigt hat es ihn nicht. Als wir am Brandenburger Tor waren, zeigte er sich kurz überrascht:

„Wow, wir sind ja wirklich hier. Wahnsinn? Wie haben sie das denn gemacht?“

Eine seltsame Frage, wenn man seit gut 10 Minuten miteinander im Auto sitzt. Aber er verfiel auch gleich wieder in Pessimismus und meinte:

„Dann, o Gott, dann ist das ja noch voll ewig, bis wir endlich zu Hause sind!“

Dass er nicht geweint hat, war alles. Ich hab ihn gefragt, ob ich ihm helfen könne, woraufhin er mehrmals betonte, er wäre schon „sehr glücklich“, wenn ich ihn einfach nur heimbringen könnte. Zwischenrein bemängelte er denn, dass der Abstand zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule viel zu lang sei und sprach laut die Straßennamen mit, die wir passierten, ohne dass er damit eigentlich etwas anzufangen wusste.

Rund einen Block vor seinem Zielpunkt bat er mich dann, dass ich ihn aussteigen lasse. Ich verwies darauf, dass sein Haus hier nur ums Eck sei, worauf er sagte, sein Haus liege in die andere Richtung, aber das wäre echt super, dass ich ihn wirklich heimgebracht hätte. Naja, gute Miene zu blöden Worten und bei 20,20 € war die Fahrt damit vorbei.

Es gab noch ein ordentliches Trinkgeld und der Typ ist schnellen Schrittes verschwunden. Ich bin dann ein paar Sekunden später an der Adresse vorbeigefahren, die er mir eingangs genannt, zum Ende aber verneint hat. Vielleicht lag es ja daran, dass es so runtergekommen aussah. Ich hoffe es. Aber sehr glücklich war er wohl irgendwie eher nicht.

8 Kommentare bis “Sehr glücklich”

  1. Stefan sagt:

    Sozialphobiker!?

  2. Kommentator sagt:

    Hmm… Mich erinnert das an eine Situation, als ich nach einem Streit mit der Schönsten wuentbrannt aus dem Haus und mehrere Stunden (!) durch mir bisher unbekannte Viertel (es war nicht in Berlin) stapfte, um Dampf abzulassen. Den Rückweg habe ich mich dann, als die Wut verraucht war, schon wegen der Entfernung, fahren lassen.
    Vielleicht ging es Deinem Fahrgast ähnlich? Eventuell hat er auch noch den Ärger gefürchtet, der ihn nach seiner Rückkehr erwartete, entweder wegen des vorangegangenen Streits oder wegen der Abwesenheit (Frauen HASSEN es, wenn man mitten im Streit das Haus verlässt, soviel kann ich sicher behaupten).
    Und beim nächsten Mal frag‘ einfach den Fahrgast, dann wissen wir es sicher! 🙂

  3. Nick sagt:

    @Kommentator:
    Frauen hassen es, wenn man mitten im Streit das Haus verlässt?
    DAS hätte ich nie gedacht 😉

  4. Hendrik sagt:

    Um genau zu sein: Nicht nur die hassen das 😉
    Der Fahrgast klingt für mich aber eher nach einer wirren mischung aus depression und paranoia

  5. Nick sagt:

    @Hendrik:
    Ich glaube du meinst: nicht nur das hassen die. 😉

  6. Sash sagt:

    @Stefan:
    Möglich.

    @Kommentator:
    Wie gesagt: Viel aus ihm rauszuholen war nicht 🙁

    Der Rest der Diskussion kam jetzt etwas unerwartet 😀

  7. Erinnert mich an einen Praktikanten in meiner alten Firma, der durch obzessiven Rauschmittelkonsum zum Berufsparanoiker wurde.

    Immerhin konnte man den wunderbar auf die Schippe nehmen.

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