Muss ich das blicken?

An der Rückseite vom Berghain, kurz nach drölf Uhr und im Schein des Mondes spielte sich folgende Geschichte ab.

Ein mit gutem Umsatz gesegneter Sash schießt die Wedekindstraße entlang, froh ob der Tatsache, dass ihm an dieser Stelle nicht wie vor kurzem ein Kollege mit Fernlicht entgegenkommt. Stattdessen: Winker!

Gleich 4 Leute stehen in der Gegend rum und einer rennt zu mir und beginnt mich zu fragen, wie man zum lab.oratory kommt.

„As far as I know it’s inside this building, but the entrance is on the other side.“

sagte ich und deutete etwas irritiert auf die Rückwand des Berghain. Den Weg hab ich mittels Gesten noch angedeutet, und irgendwann tönte es aus der Gruppe:

„We take the taxi!“

Im Auto bot ich dem Mann auf dem Beifahrersitz auf Englisch an, seinen Sitz zurückzuschieben, woraufhin dieser meinte, ich könne Deutsch mit ihm reden. Und die da hinten kenne er gar nicht.

Das Fahrtziel hieß nun Warschauer Str., und ich hab es gar nicht mehr geblickt. Also wurde mir erklärt, ich solle erstmal zum Berghain, bzw. zum lab.oratory fahren. Da steigen dann die beiden englischsprachigen Gäste aus. Die bezahlen bis dorthin, die beiden Deutschen dann den Rest zu ihrem Fahrtziel. Das Ganze hätte vor Ort noch etwas komplizierter werden können, da ich von den Berghain-Spezialisten nur 2 € für die Kurzstrecken bekommen hatte – obwohl die im Auto verbliebenen soo ja gar nicht teilen wollten.

Aber sie haben es hingenommen. Glücklicherweise.

Mir haben sie dann noch erzählt, dass sie die beiden Gestalten auch nur zufällig an der Ecke getroffen haben, wo ich sie dann aufgegabelt habe. Der Ruf „we take the taxi“ war so gemeint gewesen, dass er und sein Kumpel mit mir fahren, wenn die anderen mich nicht bräuchten. Die seien dann aber einfach mitgekommen.

Die Krönung war aber, wo die beiden Niesel ohne Deutschkenntnisse gerade herkamen. Genau: aus dem Berghain…

WTF?

Durch die Gegend fliegen …und zurück!

So, gerade erst gestartet, quasi frisch geduscht auf die Straße geworfen, kämpft sich Sash durch den Friedrichshainer Abendverkehr, der eigentlich relativ langweilig ist. Der auf Winker-Wahrscheinlichkeit optimierte Umweg Richtung Ostbahnhof erweist sich einmal mehr die paar Überkilometer wert und so kommt es, dass vor der O2-World ein Taxifahrer und ein Kunde aufeinandertreffen.

Da dies nicht wörtlich zu verstehen ist, steigt der junge Mann auch ein und hat einen sonderbaren Fahrtenwunsch:

„AirBerlin, Airport Tempelhof!“

Einen Moment bitte, holpert AirBerlin jetzt über die grüne Wiese?

„Was it Tempelhof? Or Schönefeld. No! I mean Tegel!!! Airport Tegel!“

Also es ist nicht so, dass ich nicht alle drei gerne hintereinander abgefahren wäre, aber bei Fluggästen spielt ja meist auch die Zeit eine gewisse Rolle.

Nicht so jedoch bei ihm! Nachdem ich mich dreimal vergewisser habe, ob er wirklich wirklich nach Tegel will, habe ich ihn natürlich auch nach der Dringlichkeit gefragt. Denn er hatte z.B. kein Gepäck dabei, das wundert einen ja doch. Dann erzählte er, leicht alkoholisiert, dass er erst am nächsten Morgen fliegen würde. Aha!?

Er hätte für die Nacht keine Bude mehr und bringt die paar Stunden am Flughafen rum. Aber angeblich war er mehrere Tage in der Stadt… kuriose Type.

Als ich dann mit ihm bereits grob Richtung Brandenburger Tor unterwegs war, änderte er seine Reisepläne ein weiteres Mal. Er habe sein Handy vergessen, und wolle nun doch zurück zu seiner Wohnung (wo kommt die denn plötzlich her?) nach Kreuzberg, in der Nähe vom Kottbusser Tor.

Das war jetzt natürlich ein ziemliches Rumgegurke. Vom Startpunkt aus hätte fast noch eine Kurzstrecke zum Kotti gereicht, nun standen bereits 15 € auf der Uhr, als er langsam unruhig wurde, und mich fragte, ob es denn noch weit sei. Ich hab mir inzwischen meinen Teil gedacht und mich gefragt, ob er denn überhaupt Geld dabei hat. Oder ob das wirklich seine Wohnung ist, ob er tatsächlich zum Flughafen muss etc…

So gesehen war ich dann erleichtert, als er gemeint hat, ich solle nicht auf ihn warten, er würde doch noch ein bisschen da bleiben. Das bisschen Schwitzen am Fahrtende wurde übrigens durch die 3,20 € Trinkgeld wieder wettgemacht, die er nachher gegeben hat. Aber irgendwie würde mich immer noch interessieren, was da Sache war…