Etwas übertrieben

Gehen wir mal davon aus, es gibt irgendwo im Norden Berlins – vielleicht auch schon jenseits der Stadtgrenze – eine Art Landstraße, bei der eine ärgerliche Baustelle das Tempo von 70 auf schleichende 50 km/h begrenzt.

Auf dieser Straße sind nun unterwegs: Vorneweg der Sash als Taxifahrer nach einer guten Tour mit leuchtender Dachfackel mit exakt 50 km/h. Dahinter der Fahrer eines weißen Kleinbusses, der etwas genervt von der Geschwindigkeitsbegrenzung relativ dicht auf Sash auffährt. Etwa 20 Meter dahinter reiht sich ein 40-Tonner ein, der die lustige Truppe auf ihrem Weg nach Berlin auf etwa 60 bis 70 Meter verlängert. Eine spaßige, in der Geschwindigkeit leicht begrenzte Polonaise gen Hauptstadt.

Es ist düstere Nacht, der Straßenverlauf ist nicht gerade besonders kurvig – aber durch den umgebenden Wald sind die vorhandenen Kurven nicht einzusehen.

Ist es da nicht vielleicht etwas übertrieben, wenn ein Kollege – ebenfalls leer – hinter dem LKW ausschert und ordentlich Stoff gibt, um die gesamte Truppe auf einmal zu überholen? So dass es gerade noch reicht vor der nächsten uneinsehbaren Kurve? Ganz davon abgesehen, dass der Sash als freies Taxi wenigstens des Ehrenkodex wegen nicht überholt werden sollte…

OK, das ist alles nicht übertrieben schlimm. Also ja, es ist ungeduldig, lebensmüde und unkollegial, aber soweit Alltag.

Stellt euch die Situation vor. Den fragenden Blick des LKW-Lenkers. Die Wut des Kleinbusfahrers, der gerne als erster überholt hätte. Meinen Unmut, weil ich bremsen musste, damit er vor der Kurve reinkommt – obwohl ich besseres zu tun hatte, als diesen Spinner auch noch vor mich zu lassen.

Na, Situation vor Augen?

Dann stellt euch jetzt mal – natürlich rein hypothetisch!!! – vor, dass auch der Sash kein Heiliger ist, und die Kolonne mit knapp über 70 km/h angeführt hat, selbst also rund 20 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit…

Ich bin ja kein Kind von Traurigkeit, und ich gerate nicht so schnell in Panik, auch wenn sich Leute bekloppt verhalten und es eine Reaktion von mir erfordert. Aber manchmal ist man auf der Straße echt von Vollidioten umgeben. Aber wahrscheinlich fahre ich einfach zu langsam. Ich bin neulich auch bei 55 km/h in der Mühlenstr. rechts über den Radweg überholt worden…

Singen? Ist klar…

„Der Sitz geht noch ein ganzes Stück nach hinten…“

begann ich die Konversation mit dem letzten Fahrgast, der auf den Beifahrersitz krabbelte.

„Ach nee, ist schon ok, ich…“

„Ganz ehrlich: Da ist hinten auch noch genug Platz. Irgendwie pass ich mit meinen 2,03 m hier ja auch rein.“

Fehler.

„2,03 m!?!?

kreischte es hinter mir und vor Schreck hätte ich fast das Lenkrad verrissen, als zur offensichtlichen Anerkennung passend auch noch eine Hand meine Schulter griff und wohl so etwas wie eine Massage andeuten wollte.

Ein bisschen Flirten ist ja ok (abgesehen vom fürchterlichen Wort dafür), aber Anfassen ohne Fragen ist ein wenig unangemessen, wenn man bedenkt, dass ich über Wohl und Wehe meiner Insassen mit einem versehentlichen Zucken zu entscheiden vermag.

Abgesehen von diesem unschönen Anfang verlief die Fahrt aber problemlos und auf absolut lockerem Niveau. Es wurde viel gescherzt, und mir sind die Touren am liebsten, bei denen ich mein Geld mit Herumalbern verdienen kann. Die beiden offenbar zu den Damen gehörenden Herren nahmen glücklicherweise auch nicht allzu ernst, was ihre Liebsten so alles von sich gaben, und ehe die Fahrt begann, war sie auch quasi schon wieder vorbei.

Einer der Männer meinte beim Aus-dem-Wagen-Flüchten dann noch:

„So, und jetzt müsst ihr euch entscheiden: Singen oder nackig Taxe waschen!“

Und da kommen wir zum großen Mysterium im Umgang der Geschlechter miteinander. Nachdem die Damen nämlich den Vorschlag mit dem Singen lautstark verwarfen – ich erlaube mir hier keine Meinung dazu – lag mir natürlich einiges daran, den anzüglichen Vorschlag der männlichen Begleitung möglichst elegant zu verwerfen. Weder mochte ich am Ende der Geschichte vor den beiden Grazien als der lüsterne zwielichtige Taxifahrer dastehen, noch zog ich es in Erwägung, diese Geschichte im Blog nicht erwähnen zu können, weil meine Freundin bekanntlich mitliest. Also entschied ich mich für folgenden, eher biederen Satz:

„Ganz ehrlich: Ich würde normales Geld bevorzugen.“

Ja, und jetzt weiss ich, dass man auch damit einen Sturm der Entrüstung entfachen kann…

Wenn man alles ernst nehmen würde, was im Taxi so erzählt wird, dann hätten die Videotheken bald ein richtiges Platzproblem, weil sie so manchen Porno in die Doku-Abteilung packen müssten…

So eine Art Lesertreffen

Manchmal ist es einfach schön, nicht nur Taxi zu fahren, sondern auch darüber zu bloggen. Zum einen weiss ich den gepflegten Meinungsaustausch (und der ist hier wirklich meistens relativ gepflegt) zu schätzen, zum anderen ergeben sich eben auch Dinge, die dem Nichtblogger schlicht nicht passieren.

Ich hab vor einiger Zeit eine Mail von Christian bekommen, der sich noch im anderen Blog in ein paar Kommentaren als „Schlipsträger“ geoutet hat, und damals in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt Interesse an meiner laienhaften Prozessbeschreibung bekundet hat. Er benötigte ein Taxi, und die Fahrt fiel – selten genug, dass das vorkommt – in meine Arbeitszeit.

Naja, nicht ganz – denn eigentlich mache ich am Sonntag Abend, bzw. Montag Morgen frei.

Aber zum einen war es eine durchaus sehenswerte Tour (vom Tierpark zum Flughafen), zum anderen reizte es mich auch, einmal mehr einen Leser persönlich kennenzulernen. Ein Interesse, das auf der anderen Seite offenbar genauso existierte.

Kurzum: Ich hab gestern früh, als ich eigentlich frei hatte, noch kurz die rund 90 Pferde in meinem Opel gesattelt, um eigentlich das erste Mal in meinem Leben einen Anwalt privat zu treffen – und nebenbei Geld zu verdienen, so ehrlich muss ich sein!

Ich bin mehr als zu früh am Hotel aufgeschlagen, was sich aber auch nicht als Fehler erwies, da auch mein Fahrgast seine Unterkunft eine Viertelstunde früher als angegeben verließ. Akademisches Viertel mal andersrum 🙂

Glücklicherweise haben wir uns auf Anhieb erkannt und konnten uns ohne Peinlichkeiten direkt plaudernderweise in den Verkehr stürzen. Die Fahrt durch den langsam aufkommenden Verkehr dauerte zwar fast eine halbe Stunde, war aber letztlich viel zu kurz. Ich denke, diese Einschätzung teilen wir beide. Auch wenn keine Sekunde Stille im Auto geherrscht hat, bin ich mir sicher, dass wir uns gegenseitig noch einiges über unsere jeweiligen Berufe, das Bloggen und einiges mehr zu sagen gehabt hätten. Ich kann somit das „Gerne wieder“ nur einmal mehr zurückgeben. Es war eine angenehme und interessante Fahrt. Und in der Hoffnung, nur halb so indiskret zu sein, wie ich durch meine Nachfrage angekündigt habe, möchte ich die Höhe des Trinkgeldes nicht nennen, stelle aber für meine Leser klar, dass es sich um das höchste jemals von einer nüchternen Person gegebene handelte.

Zu guter Letzt noch ein Beispiel aus der nie niedergeschriebenen Reihe „Formulierungen, die mein Bloggerherz mit Stolz erfüllen und mir fast schon unangenehm peinlich sind“:

„Es ist mir ja geradezu eine Ehre, jetzt in dem Taxi zu sitzen, von dem ich sonst immer nur lese.“

So, und wer mal in der Hamburger Umgebung einen Anwalt braucht, der kann sich ja mal Christians Homepage und seinen Blog anschauen.

Ratestunde für Berliner

Wohin es gehen soll, fragte ich ganz arglos meine neu gewonnene Kundschaft.

„Änton-Kämpin-Street“

vernahm ich aus dem Fond. Na wo wollten die Fahrgäste da wohl hin?

Fantasie bei englischer Aussprache ist gefragt. Es stimmte fast perfekt, aber ein bisschen viel reininterpretiert (im letzten Teil) hab ich natürlich trotzdem…

TGBUSVBDEBW

Die gewünschte Überschrift hat leider nicht gepasst. Vollständig würde sie wie folgt lauten:

Trinkgeldbegründungen und Selbstverständnis bezüglich der eigenen Beförderungswünsche

Die Begründungen für Trinkgelder sind ja bisweilen seltsam. Manche Leute scheinen sich vor mir oder vor sich selbst rechtfertigen zu müssen, warum sie jetzt etwas mehr als eigentlich notwendig geben. Ein niedlicher Fall waren zwei Mädels, die mich etwas bedröppelt anfragten, ob ich sie vom Ostbahnhof auch nur kurz zum Berghain fahren würde.

Ich war zwar erster in der Schlange, aber ich war auch noch keine 10 Minuten dort. Meine gute Laune war also nicht einmal groß geschauspielert. Ich hab sie nur kurz darauf hingewiesen, dass die knapp über 4 Euro natürlich für die kurze Strecke recht happig sind. Sie haben es akzeptiert, das war es ihnen wert, gut ist.

Dort angekommen bat ich sie dann um die aufgelaufenen 4,40 €.

Antwort:

„Mach auf jeden Fall fünf – wenn du schon so ’nen beschissenen Fake fahren musst.“

Immer wieder gerne 🙂

Halte des Grauens

Neulich hat mich Aro am Ostbahnhof besucht. Wir haben uns gegenseitig unser Leid geklagt, und er hat insbesondere festgestellt, dass er die Tage nur Pech hatte dort. Ich kenne ja diese Fahrten.

„Einmal zum schlesischen Tor bitte!“

„Ich hab’s auch nicht weit. Also die Grünberger…“

„Würden sie uns nur kurz zum Berghain…?“

Schön, wenn es auch mal anders geht. Gestern, in einer einzigen Schicht:

„Wo soll es hingehen?“

„Potsdam.“

…und ähnlich nett:

„Bringste uns nach Bernau? Wieviel kostet das?“

„Muss ich kurz…“

„Hinfahrt hat 35 gekostet. Machen wir 40, n‘ Zehner für jeden und gut is?“

So sind die 200 in 8 Stunden dann auch kein Problem mehr 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Das ist ja unglaublich!

„Unglaublich, dass wir hier draussen ein Taxi finden!“

schallte es mir entgegen, nachdem die unabdingliche Preisnachfrage in Übereinstimmung mit ihren Vorstellungen ausgefallen ist.

„Unglaublich, dass ich hier draussen Kunden finde…“

hab ich mir da schon lange gedacht. 🙂

Dieses weite Draussen war übrigens hinter der Warschauer Str., beim Matrix eben…