Komische Kommunikation

War eine gute Schicht, und so hab ich mich schon gar nicht mehr gewundert, dass ich an der dunkelsten Stelle der Schönhauser Allee eine Winkerin hatte. Sie wollte in eine Straße, die mir nichts sagen wollte. Na gut, alles nicht so wild. Ich hab die Kundin, ich hab ein Navi – was soll mir die Welt schon können?

Eine nette Kundin hatte ich sogar!

Sie hat mir gleich erklärt, dass es in Pankow ist, eigentlich nur geradeaus und dann rechts und dann…

„Vielen Dank. Seien sie bitte nicht verärgert – ich mach den Job noch nicht ewig. Ich kann ja auch mein Navi…“

„Brauchen sie nicht! Sie haben ja mich!“

„OK, wenn sie es wünschen!“

„Wissen sie, ich hatte da mal mit einem Taxifahrer…“

Anzunehmen, dass hier die übliche Horror-Story folgt, bei der ein Fahrer nicht zwischen Schöneberg und Schönefeld unterscheiden konnte, oder 32,70 € für eine Fahrt vom Brandenburger Tor zum Alex genommen hat. Nix da! Einen Taxifahrer, der im Winter ohne Winterreifen unterwegs war, hatte sie mal. Und dann sind sie da rumgeschlittert und es war immerhin schon Weihnachten. Also gesagt hat sie natürlich nichts, aber wie sie da Angst hatte und das mit all den Geschenken und auch noch im Taxi!

Kurz: Sie hat geredet und geredet. Ich hab immer mal wieder ein „Na das ist wirklich ein wenig hart“ fallen lassen und das Ganze mal so hingenommen.

Irgendwann, als die Winterreifen-Geschichte nicht nur erschöpft, sondern überstrapaziert war, habe ich um die Situation aufzulockern eingeworfen:

„Na dann hoffe ich mal, dass ich – trotz meines peinlichen Beginns bezüglich der Ortskunde keinen so schlechten Eindruck hinterlassen werde!“

„Schlechter Eindruck?“

Mit dieser Form von Konversation konnte sie gar nichts anfangen. Das war ein etwas peinlicher Moment, weil ich sie damit irgendwie in die Ecke gedrängt hatte, ohne das zu wollen. Sie hat ein paar Sekunden lang geschwiegen und legte dann wieder los mit:

„Wir haben da ja neulich auch mal was bei ebay ersteigert. Und das war soo toll! Also wir waren vier Leute und – ach war das alles irre! – da haben wir…“

Während ich mir permanent Gedanken gemacht habe, was sie mir damit sagen will, oder warum sie überhaupt spricht, redete sie munter drauf los über diese ebay-Auktion. Das tolle Accessoire um das es ging, haben sie übrigens gar nicht bekommen. Aber das war ja auch spannend! Und wie die alle drauf waren und überhaupt und sowieso…

Ich hatte inzwischen ein wenig Angst, dass sie es verpassen könnte, mir die Route anzusagen. Also hab ich das Navi doch angeworfen. Die kürzeste Route war selbst nach meinen bescheidenen Ortskenntnissen bereits Vergangenheit. Kurz angefragt habe ich dann noch, weil das Navi mir bei jeder Querstraße sagte, ich solle doch bitte abbiegen, aber sie meinte, sie zeige mir den Weg schon. Aber diese Kette! Und wenn man sich damit auskennt, und die war nur ganz wenig kaputt und…

Ich hab mir also eine Weile lang Geschichten über Schmuck aus dem letzten Jahrhundert anhören können und nebenbei zusehen, wie das Navi die Route Querstraße um Querstraße ein paar Meter länger statt kürzer machte. Ich selbst bin eigentlich gar nicht mehr zu Wort gekommen. Und ebenso wenig auf einen Trichter, was an dieser Auktion jetzt so schräg war.

Irgendwann bat sie mich dann doch mit Übereinstimmung des Navis um einen Abbiegevorgang, und ich schätze, dass es runde 3 € waren, die ich auf der Tour grundlos verdient hatte. Als wir dann ankamen, war mir nur eines bewusst: Ich hatte in der letzten Viertelstunde einen Haufen Quark gehört, der mehr als nur uninteressant war.

Aber natürlich war ich höflich und habe ihr mehr Glück für eventuelle weitere Auktionen gewünscht. Verabschiedungen mit persönlichem Bezug sind immer das Beste! Da fühlen sich die Leute ernst genommen und verstanden – was bei meiner Wenigkeit in 90% der Fälle nicht einmal übermäßig geheuchelt ist. In diesem Fall schon ein bisschen…

Und dann verschwand sie in der Nacht mit den Worten:

„Ich könnte ja jetzt noch was über ein Kleid erzählen, aber das hält man vor Spannung kaum aus!“

So langsam weiss ich, woher diese Klischees über shoppende Frauen kommen. Aus Pankow!

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4 Kommentare bis “Komische Kommunikation”

  1. Ingmar sagt:

    Die erinnert mich ganz stark an meine Schnackerin: http://krankentransport-blog.de/?p=387

  2. Sash sagt:

    @Ingmar:
    Ja, die war wohl auch nicht schlecht 🙂

  3. Aro sagt:

    Mich erinnert das an die Dame im Film American Pie: „Damals im Ferienlager…“

  4. Sash sagt:

    @Aro:
    Genau das habe ich mir nun auch schon mehrmals gedacht!

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