Ich will's ja gar nich wissen…

Manchmal hat man Fahrgäste, bei denen will man einfach nicht so recht wissen, was dahintersteckt. So wie vor langer Zeit schon der Typ, der sich morgens um 6 vor dem Hintereingang seines Hauses hat absetzen lassen, weil ihn sonst die Nachbarn sehen.

Heute hatte ich drei Klischeetypen im Auto, da weiss ich jetzt schon, dass das mit Worten viel zu schwer zu beschreiben ist.

Am Ostbahnhof war mal wieder Gedrängel, weil die Taxihalte mit ihrer Wendestelle hinter dem 4. – 5. Wagen immer verhindert, dass Kunden die Logik derselben verstehen, wenn mal mehr als 5 Gruppen gleichzeitig aus dem Bahnhof kommen. Zudem hat sich dank des Regens mal wieder eine riesige Pfütze auf der rechten Seite der Halteplätze 1 bis 3 erstreckt, sodass man sich entscheiden musste, wie man Kunden einlädt:

Die ohne Gepäck gabelt man am besten auf, indem man ganz dicht an den Bordstein fährt schwimmt, um ihnen so einen Einstieg direkt von dort zu ermöglichen.

Die mit Gepäck hingegen sollte man besser mitten auf der Straße einsammeln, da sonst irgendein Beteiligter garantiert seine Anglerstiefel auspacken muss, um zu vermeiden, literweise Wasser ins Fahrzeuginnere mitzubringen.

Meine hatten Gepäck, also hab ich gehalten wie der Inbegriff eines Verkehrshindernisses.

Die Kunden waren zu dritt und sie sahen alle quasi identisch aus: Mitte 30, kurze dunkle Haare, Dreitagebart. Dazu hatten sie alle einen langen schwarzen Mantel an und trugen alle die gleiche Ledertasche. Da sie dann auch noch vom Ostbahnhof zu einem Hotel nach Steglitz wollten – was man entweder macht, wenn der Reiseleiter schon morgens Cognac trinkt oder aber wenn man Spuren verwischen will – glaube ich an Serienkiller. Ganz sicher.

Der eine Meinte zum Einstieg: „Entschuldigung!“ und tippte auf die Adresse des Hotels. Kannte ich. Passt. Den Rest der Fahrt war leider keine Aufklärung möglich: Ich hab außer Englisch, Deutsch und ein paar Happen Französisch keine Sprache zu bieten – und die Herren konnten nur russisch. Wenn ich das korrekt verstanden habe 🙂

Serienkiller. Hundertpro. Aber eigentlich: Ich will’s wirklich nicht wissen!

Proleten mal nett…

Die Truppe war vom Auftreten her ziemlich genau so assig wie die Intelligenzverweigerer, die mich in Hellersdorf um 21 € beschissen haben: Mehr Muskeln als Hirn, angetrunken und in verdächtig guter Laune. Sollte eine nicht allzu lange Strecke werden, also gut!

Nach ein paar Metern hörte ich folgendes:

„Hey, darf ich sie mal was fragen? Sie haben doch Abitur?“

„Ja, das stimmt. Wieso?“

Ich hätte ja einiges erwartet. Vielleicht mal wieder eine Diskussion darüber, warum ich mir dann nicht einen „richtigen Job“ suchen würde. Aber weit gefehlt:

„Ja, ich hab da vor kurzem mal ne Dokumentation gesehen, und da hiess es, dass die meisten Taxifahrer Abitur haben.“

(Dreht sich zu seinen Kumpels um)

„Und hey ihr Deppen: Hier ist der Beweis!“

Die Fahrt verlief völlig stressfrei, es gab keinen Ärger, keine bösen Worte und das Bier blieb in den mitgeführten Flaschen. Zu guter Letzt waren wir bei 7,00 €.

„Weisste, det stimmt so…“

…und reicht mir einen Zehner. Immer wieder schön, wenn man sich verschätzt!

Ausgekontert!

Fahrgast 1: „Und wieviel macht das dann insgesamt?“

Sash: „Kurzstrecke plus Zuschläge für 6 Personen? 7 Euro!“

Fahrgast 1: „Wow, das ist ja quasi geschenkt!“

Fahrgast 2: „Geschenkt? In meiner Heimat könnte ich davon ein Haus kaufen!“

Sash: „Wahnsinn, noch einer aus Bangladesh!“

Darufhin ist Fahrgast 3 in der letzten Reihe vor Lachen bis kurz vor dem Ziel kaum noch zum Atmen gekommen. Sooo grandios war der Spruch jetzt auch nicht, aber die Fahrgäste haben gelacht. So denn!

Wie toll 4 € als Kurzstreckenpreis sind (2)

Ich hatte gerade einen echt guten Lauf. Vier Touren direkt in Folge. Meist nur kurze Strecken, aber Kleinvieh macht auch Mist! Ich hab also meine Kundin am Boxhagener Platz rausgeschmissen und kurz die Eckdaten notiert. Da sehe ich schon das Zögernde Hinüberblicken einer Dame an der Ecke Gärtnerstraße. Während ich geschrieben habe, hab ich ihr eine einladende Geste zukommen lassen, und tatsächlich stieg sie dann bei mir ein.

„Äh, ich müsste in die Hauptstraße x<10.“

„Alles klar, kein Problem!“

Ich war sowas von zufrieden mit dem Abend und hab deswegen einfach mal nachgefragt:

„Liegt das nicht relativ weit vorne von hier aus?“

„Ja… ja doch, das tut es!“

„Wissen sie was? Dann versuchen wir es doch einmal mit einer Kurzstrecke!“

„Au ja, das ist eine gute Idee! Danke vielmals!“

Und so bin ich mit ihr losgefahren, und die letzten paar Meter (über die Nebenstraße) hat sie mich dann gelotst. Wir kamen vor ihrer Haustüre zum Stehen, als das Taxameter gerade mit einem Piepen verkündete, dass die Kurzstrecke zu Ende ist.

„Na sehen sie, hat ja gerade noch gereicht mit der Kurzstrecke!“

„Danke! Vielen Dank!“

„Kein Problem!“

Daraufhin reicht sie mir einen Fünfer und ich beginne einfach mal obligatorisch, in meinem Portemonnaie nach einer Euro-Münze zu kramen. Daraufhin reicht sie mir noch einen Zweier.

„Wow! Vielen Dank!“

„Das… wissen sie, das finde ich einfach fair!“

Und ich erst 😉

Wie toll 4 € als Kurzstreckenpreis sind (1)

Auf der Warschauer Str. haben sie mich angehalten. Höhe Revaler. Sie hätten gerne eine Kurzstrecke zum Speicher. OK, das ist nun so eine Strecke, bei der man sich überlegen kann, ob die Kurzstrecke nun nicht schon rausgeschmissenes Geld ist, weil man zum Laufen 3 Minuten braucht, und der Normaltarif grob geschätzt bei 4,40 € liegen würde.

Aber das mache ich doch gern.

Sie haben ihre Situation auch korrekt eingeschätzt und mich gebeten, noch zu wenden, so dass ich sie direkt vor der Tür rauslassen kann. Die Kurzstrecke deckt diese paar Meter locker mit, und so war es ihnen natürlich ohne Aufpreis möglich, auf den Gang über die Straße zu verzichten. Ist ja alles kein Problem. Dafür sind wir Taxifahrer da – um jemanden bequem bis vor die Tür zu bringen.

In der sehr kurzen Zeit unterwegs kam das Gespräch aber dennoch auf den Preis. Was das denn jetzt mache.

„3,50 €, oder?“

„Leider nicht. Seit erstem Juli kostet die Kurzstrecke 4 €.“

Alles aber kein Problem. Die Fahrgäste waren in Partylaune und außerdem zu viert. 1 € pro Person ist nun ja wirklich kein Drama.

Beim Aussteigen meint dann mein Beifahrer lachend:

„Tja, ist ja klar, dass vier Euro ein blöder Preis sind. Ich meine, da gibt’s halt kein Trinkgeld!“

Drückt er mir also 4 € in die Hand und steigt aus. Ganz der Dienstleister, hab ich zurückgelächelt und abwinkend gemeint:

„Das ist halt das Problem an Preiserhöhungen!“

Aber ganz ehrlich: Der Spruch hat mich echt aufgeregt! Hey, kein Trinkgeld bei einer Kurzstrecke zu bekommen, ist kein Problem. Schön wäre es natürlich immer, aber das ist der Low-Budget-Preis. Und wenn jemand seine letzten vier Euro in ein Taxi investiert, dann ist mir das lieber, als wenn er sich dafür ein Bier kauft und sich beschwert, wie teuer die Taxen sind. Aber auf einen Preis zu verweisen, bei dem selbst der letzte Idiot wenigstens wissen sollte, dass wir Fahrer ihn nicht selbst bestimmen, um dann großspurig zu verkünden, dass man extra deswegen kein Trinkgeld gibt, ist schon arg daneben.

Ohne zu böse wirken zu wollen: Dann lieber die Klappe halten!

Ich bin echt zu gutmütig…

„Sorry? Excuse me?“

„Hello!?“

„Could you help me? Is there a Place I can buy some cocaine?“

Nee, ist klar. Ich bin Taxifahrer, ich bin ja wirklich völlig logischerweise ein Drogen-Experte. Aber man ist ja freundlich.

„I guess you must go to the Berghain…“

Ich möchte mir ja jetzt keinen Stress mit den Clubbetreibern einhandeln, aber ich fahre die Leute ja manchmal von dort aus – und die sind ganz schön auskunftsfreudig. Also ich sehe zumindest die Chance, ums Berghain herum jemanden zu finden, der Drogen bei sich hat, die zum Verkauf bestimmt sind.

Man kann meinen Tipp jetzt für moralisch verwerflich halten, aber ist das wirklich schlimmer als Rentner ins Automaten-Casino zu bringen? 20-jährige zum Straßenstrich? Deppen zu ihrer Freundin? Manchmal muss man sich damit abfinden, dass man nur Fahrer ist und nicht verantwortlich für das, was die Fahrgäste machen.

„The Berghain?“

„I think so. See, it’s just here left, then the next one right, the next left at the end of the street…“

„Oh… is it far?“

„No, not really. 5 minutes to walk, maybe 7!“

„Would you bring me there?“

Warum nicht? Ich bin vor 3 Minuten für ne Zigarette zum Ostbahnhof gefahren. Nach der Wartezeit ist eine 4,40 €-Tour auch kein Weltuntergang! Nur wirst du nicht mit mir, einem Dealer und einem Sack Drogen noch irgendwo anders hinfahren. Dort ist aussteigen angesagt!

„Of course!“

„OK, would you wait a moment. I wanna go with my friends…“

Warten? Auf die Tour? Naja, die Minute hab ich auch noch.

„We are 5 people? Is that ok for you? I will pay some extra.“

„No problem!“

Hey, dann ist das schon eine 5,90 €-Tour für null Aufwand! Geht er also in den Bahnhof rein. Die Wartezeit reicht für fast eine komplette Kippe. Dann kommt er raus. Nicht gerade mit vier Freunden, dafür aber mit einem Döner…

„What’s up? Where are your friends?“

„Just wait a second, they’re trying to get something to eat!“

In den nun folgenden 5 Minuten hab ich ihm kurz klargemacht, dass das nicht gerade eine Tour ist, für die sich 10 Minuten Wartezeit ernstlich lohnen würden und ich zudem kein großes Interesse daran habe, dass er seinen Döner im Auto isst. Dass er ihn wieder in die Folie einschlägt, würde ich für die Strecke akzeptieren, er muss ihn nicht hier aufessen – aber eben auch nicht im Auto. Er war sehr verständnisvoll und als seine Freunde kamen, bin ich fast in Ohnmacht gefallen. Allesamt wiederliche Vorzeige-Kokser: 19 Jahre alt, Anzug mit lockerer Krawatte, Monatseinkommen um die 5000 €, in einer Hand eine Flasche Beck’s, in der anderen ein Döner. Alle drei. Drei?

Ja, sie fahren nun doch nur zu viert.

Es hat dann noch eine gute Minute gedauert, bis ich ihnen auch noch die zwingenden Grundlagen fürs Betreten des Autos bezüglich Döner und Bier genannt habe, und dann konnte es auch schon losgehen.

30 Sekunden später waren wir am Berghain, 4,40 € standen auf der Uhr und die Jungs standen ehrfürchtig vor dem „besten Club Europas“. Sie bedankten sich vielmals und waren hochzufrieden und bezahlten die 4,40 € centgenau…

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Ein Mann, ein Hund, 6 Artikel!

Wie kann man bei einer einzigen Tour darüber nachdenken, 6 Artikel für den Blog zu schreiben?

Artikel 1:
„Der haart nicht!“ war eine Lüge!

Artikel 2:
Ich hab schon viele Negativvermutungen über das Einkommen als Taxifahrer gehört, aber dass mir von einem Zehner keine 2 Euro bleiben sollen, ist neuer Negativrekord.

Artikel 3:
Ich glaube ihm gerne, dass er das mit der Fahrt nach Bremen ernst gemeint hat – aber 50 € + freier Eintritt zu seinem Konzert sind für einen Taxifahrer echt ein beschissener Deal! Dass er für die Rückfahrt auch nochmal 50 € springen lassen wollte, hat mich immer noch nicht überzeugt.

Artikel 4:
Da in Berlin „allet nur noch Zujezogene“ sind, behauptete er „einer von drei echte Berliner“ zu sein. Soweit eine gar nicht so unrealistische Einschätzung. „Hihi, und ick kenn die andere beede jar nischt!“ machte mich dann doch stutzig. Aber es zeugt von gesundem Selbstvertrauen, wenn man davon ausgeht, mit zwei unbekannten Mitstreitern „die Stadt zusammenzuhalten“.

Artikel 5:
Der Hund war nicht nur haarig, sondern auch wirklich ein sehr schöner. Ich brauch im Taxi aber keine Verhandlungen darüber, ob ich ihn nach der Tour behalte.

Artikel 6:
All das oben genannte muss man sich jetzt noch mit einer Stimme vorstellen, die im Normalfall versoffen-rauchig, tief und männlich klang, bei Erregung allerdings in eine schrillen Stimme umschlug, die mich beim Anhalten schon vermuten lies, es wäre eine Frau, die mich gerade zum Stoppen genötigt hätte. Eine äußerst hysterische… und mitten im Satz kommt der Umschwung dann wirklich derb.

War irgendwie ziemlich seltsam.