„Nein, tut mir leid! Wir befinden uns in Friedrichshain, und das ist ganz schön weit entfernt von Spandau, wenn man sich vor Augen führt, dass es sich um eine innerstädtische Strecke handelt. Wenn man die Sache auf Deutschland bezieht, liegen sie natürlich schon um einiges näher, wobei ich nicht ausschließen möchte, dass irgendein Stadtteil einer anderen Stadt auch Spandau heisst. zum Abschluss kann ich ihnen nur anbieten, sie nach Spandau zu fahren – falls es in ihrem Interesse ist, dorthin zu gelangen. Aber seien sie sich bewusst, dass dies ein Taxi ist, und sie für diese Dienstleistung Geld bezahlen müssen. Genau genommen irgendwas zwischen 22 und 30 €.“
Ich habe mir wirklich schon oft überlegt, fragenden Kunden diesen Monolog an den Kopf zu werfen. Da ich aber – das ist die Crux erfolgsbasierter Bezahlung – um meinen Umsatz fürchte, antworte ich in solchen Fällen meistens mit:
„Klar!“
Ich kann selbst nach einem Dreivierteljahr nur schwer abschätzen, was meine Kunden mit seltsamen Kollegen so alles erlebt haben, aber es müssen schlimme Dinge sein, wenn sie sich bei selbstverständlichen Strecken (d.h. zu Orten, die im Pflichtfahrgebiet liegen) erkundigen, ob ich sie dort hinbringen würde.
Das ist wieder so eine Kleinigkeit wie die Frage „Sind sie frei?“ am Taxistand. Auf den ersten Blick normal, aber wenn man darüber nachdenkt, ist es ein unglaublich bescheuerter Beginn einer geschäftlichen Beziehung. Würde man in eine Bäckerei gehen und fragen:
„Brot?“
Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen, aber es lässt sich nicht abstreiten, dass beide Fragen etwa den selben Sinngehalt haben.
Es ist sicher zu großem Teil ein Versäumnis der Gewerbevertretungen, aber man kann doch konstatieren, dass die Kunden beim Taxifahren nicht wirklich eine Vorstellung haben, wie dieses Gewerbe funktioniert. Jeder dritte Kunde schätzungsweise erfährt durch mich irgendwelche essentiellen Details des Gewerbes. Die einen erfahren, dass es nichts bringt, neben einem leeren Stand die Taxirufsäule anzurufen, wenn kein Taxi da ist; andere lernen was über die Grenzen des Pflichtfahrgebietes und dessen Bedeutung und wieder andere lassen sich über den Tarif oder die Bezahlung von uns Fahrern informieren.
Das ist für mich ein sehr erfüllender, aber gleichzeitig anstrengender Teil meiner Arbeit.
Wenn ich mich schon mit etwas auskenne, dann gebe ich mein Wissen gerne weiter. Aber dafür, dass Taxifahren eine wirklich weit verbreitete Dienstleistung ist, habe ich bisweilen das Gefühl, die Kunden wissen in der Regel wirklich zu wenig darüber. Im Übrigen – wie sicher auch bei anderen Dienstleistungen – oft zu ihrem Nachteil.
Ich bin nun zwar gewissermaßen „Insider“, aber ich denke, dass Txifahren an sich keine sonderlich mystische Geschichte ist. Als Gelegenheitsnutzer von Taxen sollte man doch irgendwie ein paar Rahmenkenntnisse haben. Natürlich muss man nichts über die Geschäftsmodelle und Vergütungen, oder gar über technische Details wissen. Aber die Menschen – und ich gehe jetzt mal nicht von den ganzen Touris aus – wissen oft weder was ein Taxameter zählt, noch rudimentär was sie als Kunden für Rechte – oder Pflichten! – haben.
Ich leiste diese Aufklärungsarbeit wirklich gerne – aber kann es sein, dass da auch von höherer Stelle mal was getan werden sollte?
Hi Sash, der Vergleich mit der Bäckerei ist sehr nett und treffend 🙂
Ich werd das demnächst mal probieren: „Schrippe…??“
Ich hab ja die Hypothese, dass die Kunden, die sich so umfassend von Dir „aufklären“ lassen müssen/möchten, Wenigfahrer sind. Für die eine Taxe einen so unglaublichen Luxus darstellt, dass sie voller Ehrfurcht davortreten. Also meine Eltern wären so (die eher die halbe Nachbarschaft für Fahrdienste mobilisieren, als einmal ein Taxi zu rufen mit einer Strecke für 12 Euro). Der Taxifahrer – das unbekannte Wesen, das nur die wohlhabende Oberschicht fährt und mich einfachen Menschen nur mit Verachtung straft (weil ich einfacher Mensch so eine Fortbewegungsart gar nicht wählen darf).
Oder es sind Wenigfahrer, die irgendwann mal von einem Deiner unhöflichen Kollegen angemault wurden: „Watt? Nur bis Beusselstrasse? Und dafür ha ick mir hier in Tejel 3 Stunden die Beene in den Bauch jewartet?“…und jetzt denken, dass alle so sind.
Dass auch Taxifahrgäste Kunden sind, müssen viele wohl erst noch lernen.
Jedenfalls sage ich oft, wenn ich in Tegel in die Taxe steige: „So, und jetzt kriegen sie ne schöne Fahrt, einmal Treptow, und damit schnell geht bitte über die Autobahn“. Ich weiss jedenfalls, dass ich dem Kollegen dann ne schöne Fahrt verschaffe (is doch so, oder? 🙂
@Nihilistin:
Ja, ich denke Treptow – noch dazu über AB – ist zumindest mal nicht unteres Ende der Fahnenstange 🙂
Aber was die Kunden angeht: Das sind ja eben nicht alles Wenigfahrer. Das irritiert ja so. Sicher, hier mal ein unfreundlicher, nicht auskunftsfreudiger Kollege, und da mal wieder 2 Jahre nicht Taxi gefahren – aber es sind ja echt oftmals die Kleinigkeiten, die die Leute nicht wissen.
Ach so, und beim Bäcker dran denken: Wenn er dann sagt „20 Cent!“, musst du unbedingt probieren zu sagen „Kannste nicht 10 machen, das liegt doch eh da rum…“
Nach meiner Schätzung müssten das mindestens 10 % der Leute tun, also auffallen dürfte man damit nicht 😉
Durch meine Erfahrung mit Versandhandelskunden kann ich außerdem folgendes nur empfehlen:
Wenn Ihr 2 Minuten in Schlange warten musstet oder die Brötchen heute ein wenig dunkler waren, müsst Ihr einfach mit voller Überzeugung erwarten, dass ihr die 5 Cent für die Brötchentüte nicht bezahlen müsst. Verpackungskosten sind ja nur da um Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen. 😉
Auch hiermit fällt man nach meinen Schätzungen nicht unangenehm auf. 🙂
@all:
Die armen Berliner Bäcker 🙂
Jaja die armen Bäcker, 80% dieser Rotzlöffel schmeißen die Tagesaktuellen Backwaren lieber in den Müll, anstatt diese z.b. 1 Std. vorm Feierabend billiger zu verkaufen. Mal ganz davon ab, kann garnicht mehr zählen wie oft ich bei Bäckereien angeblich frische Brezeln gekauft habe, und anschließend in ein Steinhartes irgendwas gebissen habe.
@Sash
Ich denke, das viele Kunden nur aus langeweile Fragen…..nachdenken ist schließlich furchtbar anstrengend 😉
@Marcus:
Ja, zum Teil mag die Fragerei auch Langeweile bedeuten. Wer weiss es schon…
Ansonsten solltest du wohl den Bäcker wechseln 😉 Obwohl die in Berlin auch keine Brezeln machen können. Scheint ein schwieriges Gebäck zu sein.
Im Übrigen glaube ich da – als nicht eingeweihter, zugegeben – nicht so recht dran. Tagaktuelles wird oft am nächsten Tag noch verkauft – günstiger – oder inzwischen wahrscheinlich meistens an die Tafel oder dergleichen abgegeben.
Ich krieg gelegentlich die belegten Brötchen geschenkt – Nachtschicht sei Dank!