Warum hab ich…

…warum habe ich ihn nicht einfach stehen lassen? Wahrscheinlich weil er kaum mehr stehen konnte. Nein, das wird keine Kotzgeschichte, aber dafür etwas (hoffentlich nicht!!!) sehr typisches…

Er fällt also ins Auto und meint:

„Vollgas!“

„Wohin denn?“

„Einfach Vollgas!“

Na das kann ja heiter werden…

„Also geradeaus?“

„Jjjja!? Hiierlng.“

Um es kurz zu machen: Die Kommunikation fiel schwer. Die Strecke, die er mit mir zu fahren gedachte, war allerdings nur rund 1,5 km lang und beinhaltete genau einen Richtungswechsel. Da war sogar das erträglich. Es ist zwar gar nicht so leicht „glich daaa vorne hinten bei den dem vor dem Ampel nee dahinten weissu weiter vorne neee stopp!“ zu halten, aber irgendwie habe ich auch das hinbekommen.

„Das macht dann 5.30 €.“

Verständnisloser Blick.

„Ich bekomme 5.30 € von ihnen.“

Verständnisloser Gesichtsausdruck, Versuch einer Kommunikation:

„Hmm!?“

In einem aberwitzigen Zeitlupentempo hat er dann seinen Rucksack geöffnet und ist in autistische Wühlversuche versunken. Ich bin ruhig geblieben, und habe meine Geldgier verflucht. Dann fischte er etwas aus seinem Geldbeutel und drückte mir Geld in die Hand: 5 Cent.

„Hm, das sind jetzt 5 Cent… da fehlen aber noch 5,25 €“, hab ich so diplomatisch wie möglich gesagt.

Er versteifte sich wieder in seinen Suchmodus und kramte weitere Münzen hervor. Damit kamen wir auf einen Gesamtbetrag von 2,03 €. Ich wies ihn mit meiner Engelsgeduld darauf hin, dass immer noch mindestens 3 € fehlen würden. Er drückte mir seinen Rucksack in die Hand mit einem Blick, den ich aus meiner Arbeit mit geistig behinderten Menschen kenne. Und das meine ich ernst, und keineswegs herabwürdigend – obwohl mir bewusst ist, dass seine geistige Umnachtung selbstverschuldet war. Er grinste mich auf eine debil-zufriedene Art an, und stieg aus, um zu pinkeln.

Ich hab seinen Rucksack kurz durchgeschaut, und ihn gleich gefragt, ob sein Geldbeutel etwa da drin sei.

„Hmmm!?“

OK, also Rucksack durchwühlt… aber nix gefunden. Super!

„Also, was machen wir jetzt? Hier fehlen noch mindestens drei Euro!“

„Hmm… l.. ll.. lllogger bleim!“

„Keine Sorge. Ich bin ziemlich locker. Aber ich mach das hier nicht nur aus Spaß an der Freude, sondern ich verdiene so mein Geld. Und wenn das Endergebnis dann „Ich kann leider kein Geld finden“ ist, dann ist das eben nicht so sonderlich erheiternd!“

„Lllogger… du weissss janich, ob der anne.. re nich nur Schbasss macht!“

„Und, war das ein Spaß?“

„Weissich nich.“

Nach dieser erschöpfenden Auskunft starrte er aus dem Fenster und schien auf eine Antwort von da draussen zu warten. Ich holte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und meinte:

„Sie sollten das aber wissen! Wir sind hier nämlich die einzigen beiden, und ich weiss es nicht!“

„Hmm?“

Der zu dieser Aussage zugehörige Blick war dermaßen dämlich, dass ich mir wirklich überlegt habe, ob ich ihn nicht fotografieren sollte. Stattdessen habe ich gefragt:

„Und? Was nun?“

„Kmmml mt rüüübr!“

„Haben sie noch Geld in der Wohnung?“

„Geld???“

„Ja, Geld! Sie schulden mir noch 5,30 €!“

Bevor mich jemand fragt: Ich hab permanent darüber nachgedacht, ob ich nicht einfach mit den 2,03 € abzischen sollte. Ob es das wirklich wert wäre. Aber ich hab mir gedacht, dass ich ihn so nicht davonkommen lasse. Ich bin also mit ihm rüber gekommen und dieses Rüber war glücklicherweise eine Sparkasse. Tasche nach der Karte durchsuchen überspringe ich mal ganz dezent und bleibe gleich bei der PIN hängen. Er hat meine Warnung, dass PIN’s im Allgemeinen und bei der Berliner Sparkasse im Besonderen keine 7 Ziffern haben, natürlich ignorieren müssen. Also habe ich gefragt, ob ich behilflich sein könnte.

Seinem Blick nach war immerhin sein Verständnis von Datenschutz noch recht ausgeprägt.

Naja, er hat Geld bekommen und war trotz allgemeiner Debilität auch gewillt, zu zahlen.

„Was krissn vmir?“

„Mindestens 5,30 €, obwohl ich eingedenk der Tatsache, dass wir hier jetzt seit einer Viertelstunde rummachen, gerne mehr verlangen würde…“

„Wieviel?“

„5,30 €!!!“

Er streckt mir einen Zehner hin und meint:

„Machse fünff!“

„Nein! Ich werde nicht fünf machen! Sie schulden mir 5,30 €!“

…und für den seelischen Schaden locker nen Zehner obenauf!

„Dann machse vier!“

Ich hab das als „Gib mir 4 € zurück“ interpretiert und war heilfroh, als ich den Kerl los war. Besoffen ist ja schön und gut – ich nehm auch meistens nur ein Taxi, wenn ich schon einen gelötet hab – aber ein Mindestmaß an Koordinationsfähigkeit und Einschätzungsvermögen sollte doch eigentlich schon dazugehören…

6 Kommentare bis “Warum hab ich…”

  1. Seismo sagt:

    Also schon allein dafür dass der dich so verarscht hat hätt ich dem mit so einer Wartezeit mindestens 8 Euro abgenommen. Solche Leute können einem echt den ganzen Dienst versauen. Wenns nur einer ist gehts ja noch, aber wenn das mehr werden ist das echt mühsam.

  2. Aro sagt:

    Ich habe mir angewöhnt, bei solchen Spielchen die Uhr weiterlaufen zu lassen, denn wie Du auch geschrieben hast: Es ist schließlich Deine Arbeitszeit. Von den Nreven mal ganz zu schweigen.

  3. Sash sagt:

    @Seismo:
    Hast ja Recht, aber auf der Uhr standen 5,30 €, und in dem Fall: Ich wollte wirklich nur noch weiter…

  4. Sash sagt:

    @Aro:
    Ja, ist natürlich nicht die schlechteste Lösung. Es ist nur irgendwie immer schwer zu entscheiden, wann ich die Uhr laufen lasse. Ich stell halt eigentlich immer auf Kasse, wenn ich das Ziel erreicht habe – schon weil ich es anfangs oft vergessen hab, und es dann auch nervig ist, dass alles auszurechnen etc. pp.
    Und wenn jemand halt 2 Minuten zum Zusammenklauben der letzten Kohle braucht, dann soll das meinetwegen kein Thema sein. Da muss ich auch nicht zwischen tattriger Oma und besoffenem Jugendlichen unterscheiden.
    Aber gut, bei dem hier hätte ich ahnen können, dass es dauert – das gebe ich zu.

  5. Ly sagt:

    ich will dich ja nicht desillusioniern, aber du schreibst:

    „dafür etwas (hoffentlich nicht!!!) sehr typisches…“

    nuja. Leider doch. Ich hab früher mit Kleinkindern gearbeitet. das macht die Sache etwas einfacher, und du hast ja auch alle Vorraussetzungen, also seh es nicht tragisch sondern als Einsatzmöglichkeit deiner sämtlichen Qualifikationen 😉

  6. Sash sagt:

    @Ly:
    Und irgendwann verwende ich dann meine Kenntnisse als Killerspielzocker *bösegrins*

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