Der Nachfrage wegen… der Verdienst als Taxler

Unglaublich viele Leute landen inzwischen bei mir, weil sie zu ergründen versuchen, wie viel ein Taxifahrer pro Tag verdient. Sorry, liebe Stammleser, ich weiss, ich hab schon oft was darüber geschrieben, und ich verweise hier auch gerne auf die entsprechende Seite in meinem Blog – aber für alle Nachfragenden hier noch einmal aktuell zusammengefasst:

  1. Es hängt davon ab, in welcher Gemeinde ihr vorhabt zu fahren – ich kann höchstens einen Ausriss für Berlin geben.
  2. Es hängt davon ab, wieviel der Chef euch zahlt, ob ihr selbstständig seid, kriegt ihr eine Umsatzbeteiligung, ein Festgehalt oder eine Mischung.
  3. Es hängt davon ab, wieviel Zeit ihr investieren könnt.

Sorry, genauer kann man eine Angabe wie „Wieviel verdient Taxifahrer am Tag“ nicht beantworten. Weil zwischen einer Acht-Stunden-Tag-Schicht in Oldenburg und einer 13-Stunden-Nacht-Schicht in Berlin Welten liegen. ist aber beides „ein Tag“ im Leben eines Taxifahrers. Für die Nachtschicht in Berlin (7 – 12 Std.) kann ich euch (nach kurzer Zeit) folgende Wegmarken mitgeben:

  1. Weniger als 50 € Umsatz ist sehr selten (bedeutet aber eben auch nur um die 22 € brutto)
  2. Mehr als 300 € Umsatz ist noch seltener…
  3. Die durchschnittliche Schicht liegt zwischen 100 und 150 €
  4. Trinkgeld kann man mit etwa 10% veranschlagen – längerfristig gerechnet. An einzelnen Tagen kann es deutlich mehr oder weniger sein.

Um es kurz zu machen: Es ist ein schlechter Job, um eine Familie zu ernähren: Wenn das Geld dafür reicht, dann hat man keine Zeit, und wenn man Zeit braucht, kriegt man nicht genügend Geld zusammen. Mit einer 50-Stunden-Woche kann man also inklusive Trinkgeld auf 1500.- netto kommen. Muss man aber nicht zwingend.

Ich beantworte konkretere Nachfragen gerne – vielleicht konnte ich ja doch noch jemandem helfen…

Drogen…

Da lief die Schicht gerade so schlecht. Ich wollte schon das Auto eine Stunde vor Feierabend abstellen und mich hier im Blog beschweren, wie scheiße die Welt  da draussen ist. Ich habe eine Halte passiert, die um 5 Uhr gefälligst leer zu sein hat, es aber nicht war. Keine hundert Meter weiter winkt eine Gestalt.

Mit Winken ist hier das Ganzkörperwinken gemeint, das gemeinhin ab einem Pegel von 2 Promille aufwärts unter ausgewählten Individuen auftritt. Der Winker meint, er bewege die erhobene Hand, wobei diese eigentlich recht ruhig bleibt, und der Rest des Körpers schwingt beachtlich. Achtet mal drauf, das gibt es echt öfter!

„Willelmsru Härdrschrase!“

„In die Herzstr. nach Wilhelmsruh?“

„Ja, Härdschrase, saichdoch! Willmsruuu!“

Hat mir erstmal gar nichts gesagt. Wilhelmsruh schon, aber man könnte es jetzt vergleichen mit einem Anhalter, der am Ortsausgang München einsteigt, und als Fahrtziel Sprockhövel-Gennebreck angibt. Kann man wissen, muss man aber nicht. Ich hab also nachgefragt:

„Wie schreibt man die denn, ich würde die gerne ins Navi…“

„Härdschrase…“

„Mit tz oder…?“

„Nää, wies Härds!“

„Ich finde hier aber nur eine „Hertzstr. mit tz in Wilhelmsruh“

„Näh, Herdschrasee!“

Da war mir klar: Entweder stimmt die Straße, oder wir sind sowieso in der falschen Stadt – und da könnte ich auch nichts dran ändern. Die erste Kreuzung (noch bevor das Navi einsatzbereit war) bin ich erstmal falsch abgebogen. Nicht schlimm, nur ein kleiner Umweg, und im Nachhinein betrachtet goldrichtig, da er noch an einer Tanke vorbei wollte, und dort eine war.

Nach dem kleinen Zwischenstopp – bei dem er immerhin nur Essen und keinen Alk mehr gekauft hat – vernahm ich von der Rückbank Schmatzgeräusche, wie man sie aus Tierfilmen kennt, die Löwen beim Gemeinschaftsverzehr von Antilopen zeigen.

„Naja, zufriedener Kunde – guter Kunde!“

…dachte ich so bei mir und bin einfach mal dem Navi nach Wilhelmsruh gefolgt. Ich war ja durchaus schon in Wilhelmsruh, allerdings noch nicht als Taxifahrer, sondern nur bei meinem „erheiternden“ Ausflug in die Zeitarbeit letztes Jahr. Die Hertzstr. geht direkt von der Hauptstr. ab, und so hielt ich an der Ecke, und fragte, in welche Richtung, ich denn jetzt in die Hertzstr. abbiegen müsste. Die Antwort war so vorhersehbar wie unnütz:

„Härdschrase, Willmsru!“

„Ja, da sind wir jetzt. Ich wollte nur wissen, wohin genau. Haben sie eine Nummer?“

„Nee, nur Hausnummer…“

„Ja super, und wie…“

„Fahr einfach mal…“ – und zeigte nach rechts.

Ich fuhr in die Straße und folgte dem Verlauf, immer darauf bedacht, ihn daran zu erinnern, dass wir bereits „am Ziel“ sind. Er sagte daraufhin etwas grob verwirrendes:

„Ja, mit Härdschrase könn wir jetz auch nich punkten!“

„Wie bitte?“

„Ich satte: Wir könn nich punkten mit Härdschrase!“

„Wo wir gerade dabei sind: Die Straße endet hier, soll ich doch in die andere Richtung fahren?“

„Jaja, fahr du mal!“

„Haben sie nicht wenigstens eine Hausnummer?“

„Da mussich mal telefoniern!“

Ich bin also mal rechts rangefahren, und während er eine Nummer wählt, wirft er plötzlich ein:

„Pestalozzistr. kannste mal eingeben!“

„Ähm, das ist dann aber ganz andere Ecke, oder?“

„Nee, gib mal ein!“

„Also Pestalozzistr.?“

„Nee, Härdschrase, Willemsru!“

„Aber da sind wir doch gerade. In der Hertzstr. in Wilhelmsruh!“

„Wir sinn? Ja, das is ja hier, merk ich grad! Was muss ich löhnen?“

Ich glaube, jede der drei oder fünf Pestalozzistraßen hätte die Tour noch mal um 5 € ergiebiger gemacht. Aber irgendwie war ich dann doch froh, heimfahren zu können…

Welt, Dorf und das = dazwischen

Die beiden jungen Damen in meinem Taxi lebten nach eigenen Angaben in London und Athen. Auf die Frage hin, ob ich aus Berlin käme, antwortete ich arglos (bei Berlinern gebe ich die schwäbische Herkunft manchmal nicht an):

„I’m from Stuttgart in the South of Germany“

Es folgte ein schriller Klang, der etwa so zu umschreiben wäre:

„Waaaaaaaaaaaaaaaaaahhhh!!!“

Dann folgte der erklärende Satz:

„I was born in Stuttgart!“

Ich meine: Schwaben in Berlin sind wirklich keine Seltenheit. Aber griechische Schwaben aus meiner Heimatstadt ist dann schon ein wenig absurd. Ich glaube, ich hätte weniger vergnügliche Erlebnisse, wenn ich aus Villingen-Schwenningen kommen würde…

Die letzte Tour…

Und dann war da noch der Mann, der mir erklärte, dass er vor 6 Uhr zuhause sein muss, weil seine Frau ihn sonst des Fremdgehens bezichtigen würde. Direkt vor der Haustüre wollte er sich auch nicht absetzen lassen, weil ihn die Bäckereiangestellten (Nachbarn!!!) sehen könnten. Überglücklich, von mir um 5:45 Uhr vor dem Seiteneingang abgesetzt zu werden, ist er dann auf leisen Sohlen mit einem Grinsen im Gesicht im Haus verschwunden…

Als Taxifahrer sollte man sich echt über gar nichts mehr wundern.

Der Innovationspreis für Sicherheit

…im Straßenverkehr geht heute einmal an die Berliner Polizei. Diese hat lange Zeit der heutigen Nacht eine Kontrolle am Schlesischen Tor aufrecht erhalten, die so dämlich hinter einer Kurve angebracht war, dass man auch als regelkonformer Fahrer erschreckt bremsen musste, wenn man von der Oberbaumbrücke kam.

Theorie von Sash:

„Wer ins Schleudern gerät, wird kontrolliert. Chef hat gemeint, das ist am einfachsten…“

Seid ihr des Wahnsinns?

Ok, das hab ich so nicht gefragt, aber ein bisschen zu ungehalten habe ich schon reagiert. Hatte eine nette Tour mit ein paar Mädels. Fünfe waren es genau genommen. War eine kurze Tour zu fortgeschrittener Uhrzeit, aber die Laune war prächtig. Dann kam das Bezahlen…

Die Tour kostete 7,90 €.

Recht fix hatten die Mädels sich darauf geeinigt, dass jede zwei Euro zahlt, und damit ja auch mir noch ein nettes Trinkgeld zuteil würde. Wirklich sehr aufmerksam, und für so junge Fahrgäste alles andere als normal. Aber ganz im Ernst:

Wie kann man nur so eisern die „Kein-Geld-an-Freunde-verleihen“-Theorie praktizieren, dass am Ende jede einzelne mit 10 oder 20 Euro bezahlt? Danach war mein Münzgeld schlicht und ergreifend quasi alle. Ende!

Als dann noch der Typ an der Tanke sagte, er habe seine Schicht gerade erst begonnen, und deswegen auch noch nicht so viel Wechselgeld… da hab ich Feierabend gemacht. Das hat mir einfach gereicht! (OK, war eh fast an der Zeit…)

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Russen-Disco!

Steigen am Berghain drei Leute ein. Schon von der Besetzung her hätte mir klar sein sollen, dass das nicht gerade eine normale Fahrt wird. Die Protagonisten neben mir:

Dame 1, im Folgenden D1 genannt: Ende 20, blond, unauffällig

Dame 2, im Folgenden D2 genannt: Mitte 30, etwas verlebtes Gesicht, auffallend alkoholisiert, eher freizügig bekleidet

Herr 3, im Folgenden H3 genannt: Mindestens 50, ebenso alkoholisiert und Anzugträger

Gut gelaunt sind sie eingestiegen und haben als Fahrtziel „die Russen-Disco“ genannt. Sagte mir erstmal nichts. Auch als sie dann sagten, sie meinten das „CCCP“ am Rosenthaler Platz, wusste ich es nicht so recht, aber wie ich zum Rosenthaler komme, weiss ich ja. Nach ungefähr dreieinhalb Sekunden habe ich mich davon überzeugen können, dass die Manieren der drei nicht… sagen wir mal: der Norm entsprechen.

„Schmeiß mal die Scheiß-Sitzheizung an!“, tönte H3.

„Heh, des heisst „Muschi-Heizung“!“, korrigierte D2 ihn brüllend.

Sie fing dann auch gleich an zu reden:

„Geil, du hast’n CD-Player! Kannste des mal reinmachen!? Jetzt gibt’s hier mal echt geile Mucke! Mach mal lauter. Noch lauter. Nee, noch’n bisschen. Noch mehr. Dreh doch mal voll auf…“

Und ich hab tatsächlich nach jeder Bitte lauter gemacht. Hab ja nichts gegen Musik. Nicht mal gegen Elektro. Wie ich irgendwo schon einmal erwähnte: Für fünf Minuten kann ich mir alles antun!

Nun aber ging es los: Die ganze Fahrt über diskutierten sie nur darüber, wo sie nicht stattdessen hingehen könnten. Das Fahrtziel wurde mehrmals verschoben, aber immer wieder gleich korrigiert. Dank der Musik funktionierte das natürlich auch nur brüllenderweise. Irgendwann sprang dann die CD, wofür angeblich auch nur der Player was konnte, und selbst nach der Entnahme der Digitalscheibe und deren Begutachtung war klar, dass die natürlich vorher nicht so verkratzt war. Immerhin forderte niemand Schadensersatz, und wir stiegen um auf Radio in Lautstärke 10,5 (von 10). Der verstörendste Moment war dann zweifelsohne der, als es darum ging, ob sie jetzt in das Café oder die Disco wollen, und H3 sich lautstark für die Disco aussprach.

Daraufhin sprach D1 nämlich relativ leise jene Worte, die kein Mann jemals nicht verstanden hat – selbst wenn es sich um ein Flüstergespräch im Innern einer Flugzeugturbine bei Höchstlast handelt:

„Schade, ich wollte heute eigentlich noch ficken…“

Ob ihr’s glaubt oder nicht: Sowas ist nicht einmal sonderlich ungewöhnlich im Taxi. Verstörend wurde es in dem Moment, als ich daraufhin in den Rückspiegel gesehen habe, und in zwei schmachtende Augen blickte, die MICH fixierten. Warum passiert einem sowas eigentlich nur, wenn man gerade eine Beziehung führt, die man für nichts aufgeben würde? Hätte die nicht 4 Jahre vorher kommen können?

Ich hab dann total männlich darauf reagiert, und für den Rest der Fahrt nicht mehr in den Rückspiegel geschaut…

Sie sind dann schließlich an der „Russen-Disco“ ausgestiegen, und ich bekam immerhin über zwei Euro Trinkgeld. Aber von ihm – nicht, dass ihr jetzt denkt…