Der missratene Abend des Mark X.*

*Name geändert

Das erste Mal gesehen habe ich ihn, als ich vor dem Matrix gewartet habe. Er kam vom Süden her ange… naja, schwankt und lief mit einer beachtenswerten Anzahl an Ausfallschritten am Matrix und damit an mir vorbei. Ich hab mir noch gedacht:

„Wow, das is’n Pegel, der sicher schon keinen Spaß mehr macht!“

Für mich folgte alsbald eine Fahrt, und dabei sah ich ihn wieder: Auf der Warschauer Brücke übers Geländer hängend. Offenbar hat er seinen Mageninhalt auf den 7 Meter tiefer liegenden Bahnsteig verfrachtet. Von meiner Tour zurückkommend sah ich ihn dann das dritte Mal. Er lag am Boden auf der Brücke, und ein Mann stand daneben und winkte mich ran. Ein Mensch, offenbar aus einem der östlichen Nachbarstaaten, fragte in mehr oder minder gebrochenem Deutsch, ob ich die Notrufnummer kennen würde.

Ich hab dann quasi erstmalig in meinem Leben freiwillig die 110 gewählt und den Cops Bescheid gegeben, dass hier auf der Warschauer Brücke einer Hilfe braucht. Dieser werte Herr war nämlich nur zeitweise ansprechbar, aber immerhin hat er seinen Namen und seine Adresse wiederholt preisgegeben. Inklusive Details wie „Zweiter Aufgang, da gibt es zwei Aufgänge…“ Sogar den Namen seiner Freundin wusste er noch. Dass er mir unterstellte, ich hätte sie gefickt, habe ich aufgrund seines Zustandes sogar wohlwollend zur Seite schieben können. Überhaupt habe ich öfter mit dem Gedanken gespielt, ihn ins Taxi zu packen, aber der wiederholte Versuch seinerseits, Flüssigkeit über den Mund abzusondern, sowie die Gefahr, dass er bei falscher Körperlage daran ersticken könnte, haben mich davon abgehalten. Das wäre im Übrigen bei weitem die beste Fahrt der Schicht gewesen, wenn die Adresse stimmt…

Aber so haben wir auf die Cops gewartet, die auch keine 5 Minuten später da waren. Beachtlich war die Reaktion auf den ersten Grünen, der ihn packte, aufrichtete und meinte:

„Halloho! Berliner Polizei hier! Was ist los? Zuviel getrunken?“

Die war nämlich folgende:

„N‘ bisschen!“

Er gab zu, nicht mehr aufstehen zu können und bat darum, heimgebracht zu werden. Auf die Aussage des Cops („Hör mal, wenn wir das machen, dann wird das teuer!“) konnte er immerhin sagen:

„Des is scheißegal…“

Naja, mich haben die Cops dann alsbald entlassen, und somit war die Sache für mich vorbei. Trotz eigenem Verschulden hoffe ich mal, dass der Kerl gut heimgebracht wurde, und die Rechnung nicht zu immens war.

5 Kommentare bis “Der missratene Abend des Mark X.*”

  1. Marcus sagt:

    Geht die fahrt eigentlich auf deine eigene Kappe ( also gratis ), wenn du einen z.b. Besoffenen nach Hause fährst, ohne das dieser zuwilligt? ( falls du das ja nicht tun würdest, wäre es ja schon fast unterlasse hilfeleistung….wenns ganz blöd läuft ) oder?

  2. Sash sagt:

    Naja, sagen wir so: Ich könnte das machen – und ich würde es tun, wenn sonst keine Hilfe da ist. Allerdings würde ich definitiv das Taxameter anschalten und zusehen, dass ich irgendwie an das Geld komme. Das jetzt nicht, weil ich nicht grundsätzlich unentgeltlich helfen würde, aber hier gehen mir ja Verdienstmöglichkeiten verloren und zudem entstehen meinem Chef Kosten. Das ist nunmal so. Zumal es ja auch allemal günstiger ist, als sich von den Cops chauffieren zu lassen.
    Ich denke schon, dass man das als unterlassene Hilfeleistung werten kann, und es ist klar, dass die Unversehrtheit einer Person immer an erster Stelle steht. Selbst mein Chef hat schon gemeint, dass ich doch ein Auge darauf haben sollte, wenn sich jemand z.B. besoffen im Winter im T-Shirt irgendwo auf ner Wiese absetzen lässt. Dass ich ihn dann lieber umsonst irgendwo „in Sicherheit“ bringen soll, falls er sich da zum Pennen ins Gras legen will.
    Und daran werde ich mich auch halten. Mein Chef meinte nämlich passend dazu: „Betrunken heisst eben nicht nur nervig, sondern auch hilflos!“

  3. Tasha sagt:

    ich weiss nicht mehr… bei irgend nem klinikaufenthalt wurden wir, aus ermangelung von betten, in der aufnahme station zwischengeparkt. da war auch einer, der sass im flur auf dem bett fixiert und jubelte über eine stunde:“3,7, ich habe 3,7″ in einer lautstärke. puh! ich sah die schwester an und sie nickte:“stimmt“ WOW. irgendwann kamen dann die grünen und holten. er war kein fall für die klinik, sonden für die ausnüchterungszelle!

    aber „du hast meine freundin gefickt“ hat auch was! 😉

  4. Sash sagt:

    …und du glaubst gar nicht, wie friedlich man das sagen kann!

  5. […] erste Fall, noch ganz aus der Frühzeit des Blogs, war Mark X., den ich auf der Warschauer Brücke in ziemlich leblosem Zustand gefunden habe, der sich am Ende […]

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