Mal drüber reden…

„Sagen sie, was halten sie eigentlich von Fahrradfahrern, die die Fußgängerüberwege benutzen? Also an der Ampel? Und nicht absteigen?“

„Wenn ich ehrlich sein soll, hab ich mir da bisher gar nicht so viele…“

„Naja, sie sind ja professioneller Taxifahrer, sie haben sicher mit ganz anderen Dingen zu tun. Mich ärgert das immer maßlos. Und ich rege mich da total schnell auf!“

Das war nun wirklich ein ungewöhnlicher Gesprächseinstieg für einen Fahrgast. Die Fahrtstrecke war noch dazu überaus kurz. Eine dieser 6€-Touren vom Ostbahnhof in den Boxhagener Kiez, eine dieser Touren, weswegen ich die Halte sicher nicht als häufigen Anlaufpunkt nutze. Trotz des Einstiegs ist es übrigens nicht in eine Schlammschlacht ausgeartet, und ich hab mit ihm ein kurzes und dennoch inhaltlich brauchbares Gespräch über den Verkehr und die Umgangsformen untereinander geführt.

Mich nerven diese Autofahrer-gegen-Fahrradfahrer-Geschichten nach wie vor ziemlich. Und das, obwohl ich mich auch weit öfter über Fahrradfahrer ärgere als andere Vierrädler. Das Auftauchen von Idioten in der persönlichen Umgebung lässt sich leider nicht am fahrbaren Untersatz erkennen. Genauso wenig wie an der Nationalität oder den Klamotten. Auch ich denke mir zwar oft:

„Na, das passt ja!“

aber glücklicherweise kommt meist schnell genug ein anderer Idiot vorbei, der das Bild wieder gerade rückt. Dank dieser Idioten haben Lobbyvereine wie ADAC und ADFC streitlustiges Publikum, und eine wahrscheinlich zweistellige Millionenanzahl von Menschen in Deutschland verbringt einen guten Teil seines Lebens damit, sich im Straßenverkehr benachteiligt zu fühlen, dagegen anzugehen, und das auch noch für einen relevanten Part des eigenen Lebens zu halten.

So konnte ich dem Fahrgast auch nur sagen, dass es mich eigentlich nicht tangiert, wenn Radfahrer an Ampeln nicht absteigen, um die Fußgängerampeln zu benutzen. Sofern das irgendwie im Einklang mit dem sie umgebenden Verkehr (also auch dem der Fußgänger) steht, bin ich da sicher kein Prinzipienreiter. Allerdings bietet es den Einstieg in die Debatte über einen einzigen, wirklich sehr Radler-typischen Verhaltenspunkt, der auch mir persönlich bitter aufstößt:

Das Rosinenpicken

Radfahren ist in einer Stadt wie Berlin ja eine großartige Alternative im Verkehr. Man steht nicht so im Stau wie mit dem Auto, man ist dennoch zu 100% flexibel und nicht so langsam wie ein Fußgänger. Kein Wunder also, dass wir zum zugegeben ziemlich nervigen Autoverkehr auch wahnsinnig viele Radfahrer haben. Inzwischen beginnt ja selbst die grundsätzlich viel zu lahme Verwaltung, das zu erkennen und sich auf Fahrradfahrer als eigenständige Verkehrsteilnehmergruppe einzustellen. Es gibt immerhin an einigen Stellen schon ein recht gut ausgebautes Radwegenetz, es kommt immer mehr dazu – und inzwischen wird auch schon intensiv diskutiert, es zu verbessern. Ab nächsten Winter muss die BSR auch Radwege räumen und es wird allerorten eine Verlegung der Radwege auf die Straße diskutiert, da das wohl einige Unfallschwerpunkte entschärfen soll. Im Übrigen etwas, dem ich zustimmen kann. Wer gelegentlich von der Warschauer Str. in die Mühlenstr. abbiegt, wird wissen, wie unübersichtlich eine Kreuzung durch einen gesonderten Radweg werden kann, obwohl sie prinzipiell gut einsehbar ist.

Das Problem ist, dass manche Radler die Vorteile ihres Gefährts etwas überbewerten und der Meinung sind, alles was geht, müsse auch erlaubt sein. Je nachdem, ob es dem eigenen Vorankommen dienlich ist, verwenden einige nämlich sowohl Rad-, als auch Fußgänger- und Auto-Verkehrsräume. Zum Teil ist das verständlich, schließlich werden sie tatsächlich von der StVO mal hierhin und mal dorthin abgeschoben, und so kommt wahrscheinlich das Verhalten zustande, dass den meisten Fahrradhassern im Auto bitter aufstösst (obwohl sie es nicht benennen könnten): Diese Radfahrer sind unberechenbar.

Dazu gehört das Rasen über Fußgängerampeln genauso wie etwas, das mich vor ein paar Tagen fast den letzten Rest Nervenkostüm gekostet hätte: Das spontane Wechseln vom Radweg auf die Autospur ohne Notwendigkeit, Umsicht oder Gefahrenbewusstsein. Ich denke ja auch, dass man nicht bei jedem Quatsch pingelig sein sollte, aber bei Gefährdungen hört der Spaß auf. Und bei aller Sympathie für die Einstellung, das Selbsttötung auch zur freien Lebensgestaltung gehört, bin ich auch ein Freund davon, keine zufälligen Verkehrsteilnehmer in diesen manchmal für Außenstehende etwas traumatischen und durchaus auch ekligen Plan miteinzubeziehen.

Ich verstehe die brachliegenden Nerven von Radlern, die auf Hauptverkehrsstraßen nur ganz knapp überholt werden, und ebenso das Angepisstsein, wenn ein Auto auf einem Radweg parkt oder Fußgänger denselben als Flaniermeile missinterpretieren. Woraus sich für einige allerdings das Recht ergibt, betrunken mit einer Bierflasche in der Hand ohne sich umzusehen bei Rot über die Ampel zu fahren und trotz parallel verlaufenden Radwegen den Autofahrern ihre Geschwindigkeit aufzuzwingen, das ist mir indes unverständlich.

Ich hab schon mal irgendwo erwähnt, dass ich gerne auch Regeln hinterfrage und nicht übermäßig obrigkeitshörig bin. Aber ausgerechnet in der wahrscheinlich meistdiskutierten Blattsammlung Deutschlands, der StVO, stehen tatsächlich ein paar Paragraphen, die den Sinn haben, den Schutz der einen Verkehrsteilnehmer vor den anderen zu regeln. In einem dicht bevölkerten Gebiet wie der Berliner Innenstadt ist es eine Meisterleistung, es hinzubekommen, dass sich in die gleiche Richtung Menschen zu Fuß mit 5 km/h, welche auf dem Fahrrad mit 20 km/h und Autofahrer mit 50 km/h bewegen können. Dass auch irgendwer mal entschleunigen oder anhalten muss, um die Kreuzung und Überschneidung dieser Wege zu ermöglichen, das sollte doch jedem klar sein.

Und so etwas in der Art habe ich meinem Kunden auch erzählt. Mit dem dringenden Hinweis, dass ich nichts von pauschalen Vorverurteilungen halte, aber dass es natürlich kritisches Verhalten gibt, an dem ich vor allem diese ständige Egoisten-Perspektive und dieses „Ich will alles sofort und es ist mir doch egal, ob es die anderen stört“ hasse.

Seinen Nerv habe ich damit offenbar getroffen, das Trinkgeld betrug gute 50% vom Fahrpreis. Und trotzdem ist es immer wieder ein nerviges Thema und tagein tagaus ein Kampf mit meiner rechten Hand, die hier und da ausholt, um auf die Hupe zu drücken. Ich hab es bisher dennoch bei etwa 5 mal belassen in den letzten anderthalb Jahren. Ich hab ja auch nix davon, wenn ein erschreckter Radfahrer plötzlich umfällt und meine Spur blockiert 😉

Velotaxen?

Hangerhuken hat sich mittels des Formulars rechts unten in der Seitenleiste bei mir nach Folgendem erkundigt:

Moin!

Was hältst du von Velotaxen? Gibt es die häufig in Berlin? Könntest du dir vorstellen mal eins zu fahren? Glaubst du, die nehmen euch die Kunden weg, oder bist du der Meinung die Velotaxen sind sowieso nur für eine Stadtrundfahrt gut?

Was halte ich von Velotaxen? Mir tun vor allem die Fahrer leid 🙂
Also selber fahren will ich eher keines…

Über die Anzahl von Fahrrad-Taxen in Berlin bin ich nicht informiert, vor allem denke ich, dass die meisten eher tagsüber unterwegs sind. Von einigen touristischen Schwerpunkten und besonderen Großveranstaltungen abgesehen, schätze ich ihre Anzahl allerdings als sehr niedrig ein. Also auf jeden Fall deutlich weniger als die derzeit zugelassenen über 7.000 Taxen.

Ich denke nicht wirklich, dass sie uns merklich Kunden wegnehmen. Berlin ist eine riesige Stadt, über ein bestimmtes Gebiet kommt man mit dem Fahrrad in einer erträglichen Zeit kaum heraus. Für eine kurze Rundfahrt zwischen dem Alexanderplatz und dem Brandenburger Tor sind sie sicher keine schlechte Alternative zum Taxi, und wahrscheinlich wenn man was sehen will sogar besser. Ich glaube aber nicht, dass ein Velotaxi noch von Interesse ist, wenn es stattdessen zum Zoo gehen soll. Insofern schätze ich sogar ihren Wert für Stadtrundfahrten nur sehr niedrig ein. Einzelfälle mag es geben, aber in der Regel sind es doch eher sehr kurze Touren. Als Nachtfahrer kenne ich vor allem die, die z.B. nach Großveranstaltungen in der O2-World die Leute zum Ostbahnhof fahren. Weder vermute ich, dass viele als Alternative ein „normales“ Taxi genommen hätten, noch glaube ich, dass sich irgendein Fahrer um diese 500m-Tour gerissen hätte.

Insofern halte ich sie nicht für eine Konkurrenz und mir wäre das auch von keinem anderen Fahrer bekannt. Ich halte sie für kurze Wege ehrlich gesagt für eine gute und vor allem auch umweltfreundliche Alternative. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass sie in kleineren, aber dennoch touristisch geprägten Städten einen anderen Stellenwert haben. Berlin ist wahrscheinlich wirklich einfach zu groß.

Vergessen

Hab ich doch tatsächlich einen Taxiartikel vergessen. Ups. Na dann eben mal freihand:

Vergessen hat auch ein junger Mann im grünen T-Shirt gestern etwas, nämlich gute Laune und eventuell sein Benehmen. Mitbekommen habe ich es eigentlich erst, als er mitten in einer Schimpfkannonade gegenüber einem Kollegen war, der das allerdings mit stoischer Gelassenheit an sich hat abperlen lassen. Der ganze Wutausbruch dauerte runde zwei Minuten, in denen der Typ sein Fahrrad von einem Verkehrsschild abmachte.

Just darum schien es auch tatsächlich zu gehen. Nachdem der Typ sich wutentbrannt verzogen hatte, habe ich den Kollegen gefragt, was denn so schlimmes passiert sei. Und nun ja: Der Kollege hatte ihn wohl ermahnt, sein Fahrrad nicht an dieses Schild zu stellen, weil er dort ggf. Taxifahrgäste am Einstieg hindert. Das ist das Verkehrszeichen am Ostbahnhof, das direkt neben der Taxirufsäule ziemlich nahe an der Straße steht.

Nun gehöre ich nicht zu den gutgläubigsten Fahrern: Ich weiss, dass manche Kollegen gewaltig einen an der Klatsche haben. Den entsprechenden kenne ich nicht, und ich kann auch nicht ausschließen, dass er seine Bitte vielleicht eine Spur zu heftig angebracht hat. Desweiteren kollidieren am Ostbahnhof tatsächlich viele potenzielle Fahrradhalteplätze mit den Taxihalten. Hier sei vor allem das schöne Geländer an der letzten Rücke genannt. Dass es da mal eng wird, weiss ich.

Aber der Hinweis des Kollegen ist sicher nicht aus der Luft gegriffen. Der Anfang des Taxistandes ist scheiße organisiert. Die Rufsäule selbst steht schon blöd im Weg auf dem Gehsteig, und das Schild, dass eigentlich unseren Platz begrenzt, steht knapp einen Meter daneben, ggf. mit Fahrrad als Hindernisvergrößerung. Wenn wir auf der vorgesehenen Höhe halten, müssen die Kunden damit umständlich reinkrabbeln oder wir parken etwas vom Bordstein entfernt, was Bus- und Autofahrer ärgert und für die Kunden, sobald es mal geregnet hat, zusätzliche Mühen macht, weil just dort auch immer die größte Pfütze zu finden ist. Fahren wir – wie es meistens gehandhabt wird – eine Wagenlänge weiter vor als erster, stehen wir genau genommen auf der Bushaltestelle. Das ist wesentlich kundenfreundlicher, aber ich nehme an, dass die Busfahrer uns deswegen trotzdem für Assis halten. Davon abgesehen ist es nicht auszuschließen, dass irgendwann mal ein übereifriger Gesetzeshüter auftaucht. Die haben ja auch ihr Nest direkt vor Ort.
Und je weiter hinten man als erster hält, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Kunden einfach über die Straße gehen und eines der anderen Taxis weiter hinten nimmt. Das ist kein Weltuntergang, aber dass man das als erster auch nicht unbedingt forcieren will ist klar. Zudem sich einige eher weniger mobile Leute gerne mal aufregen, warum wir da so weit da hinten stehen…

Naja, und was den Nörgler angeht: Ganz egal, was jetzt genau der Kollege gesagt hat, es wird nicht weniger peinlich gewesen sein als das Argument

„Jetzt komme ich zu spät zum Spiel und dann darf ich mir noch so einen Scheiß anhören!“.

Darüber hinaus glaube ich nicht, dass das

„typisch Taxifahrer“

war. Sonst müsste ich hier ja jetzt „typisch Radfahrer“ argumentieren, und da kenne ich zum Glück schon persönlich genügend, von denen ich weiss, dass sie wegen einer Äußerung zum eigenen Verhalten nicht gleich ganze Berufsgruppen ausrotten wollen…

Taxi vs. Fahrrad

Klaus wird sicher bald sein Bild posten (das wesentlich besser ist), aber ich will wenigstens beweisen, dass ich es auch gesehen hab. Ich hab sogar die Typen gesehen, die das Rad aufgehängt haben. Immer wieder witzig, was einem unter Drogeneinfluss alles Spaß macht 😉

Taxi oder lieber Fahrrad? Quelle: Sash

Taxi oder lieber Fahrrad? Quelle: Sash