„Nur“ der Fahrer

Jetzt eine Location zu nennen geht leider nicht. Aber es war ein Club, einer von den besseren in Berlin, einer von denen, bei denen man eine Weile anstehen muss. Nicht einer meiner üblichen Verdächtigen, aber man hält als Taxifahrer eben mal hier und mal dort, halt da, wo was los ist. Es dauerte etwas, bis ich erster war, aber dann stand neben mir ein Pärchen, das sich innigst verabschiedete. Am Ende stieg von den beiden die junge Frau ins Auto und nannte mir einen wirklich nie gehörten Straßennamen.

„Oh, da haben Sie mich erwischt, ich gebe das mal besser ins Navi ein. Haben Sie vielleicht vorerst wenigstens den Stadtteil?“

„Klar: Grünau!“

Wow!

Nicht nur wegen der knapp 40€-Strecke blieb es nicht beim Smalltalk. Ich fragte wie immer nach, ob nach der Feier wenigstens Ausschlafen drin wäre, als Antwort bekam ich die Info, dass das nicht so sei, wegen einer Beerdigung. Uff. Scheiß-Thema. Andererseits ist ein „Uff“ bei Smalltalk doch immer auch ein Zeichen, dass man dazu WIRKLICH was zu sagen hat. Ob ihr das passte, wusste ich freilich nicht, aber ich hab mein Glück versucht. Nachgefragt, wer gestorben ist, persönliche Parallelen angebracht und selbstverständlich auch ehrliches Mitleid angefügt.

Nicht zuletzt mit der wichtigsten persönlichen Erkenntnis, die ich jetzt auch hier mal wirklich teilen muss:

Wenn man in diese verfickte Scheiß-Situation gerät, dass ein enger Freund oder Angehöriger stirbt: Man kann und darf sich dabei um vieles Gedanken machen, aber man sollte sich gefälligst von niemandem reinreden lassen, inwieweit man gerade „richtig“ trauert und ob das eigene Verhalten angemessen ist. Das rechtfertigt natürlich nicht, andere Menschen zu verletzen, aber ob man selbst gerne 4 Jahre schwarz trägt, zur Ablenkung feiern geht, sich einigelt oder sich privat einen Altar für den oder die Verstorbene einrichtet: Das ist ok! Sicher, alles davon kann ins Pathologische kippen, aber erst einmal ist das alles in Ordnung, jeder hat da seinen eigenen Weg.

Und ohne einen der Wege irgendwie zu glorifizieren, hab ich der Kundin eben gesagt, dass es schon ok wäre, jetzt am Abend vorher auf Ablenkung zu setzen. Wenn’s ihr gut tut …

Die Fahrt war trotz des traurigen Grundtenors grandios. Ihr ging es im Verlauf derselben besser, mir infolgedessen auch. Wäre die Gesellschaft ein bisschen menschlicher, könnte man selbst das vermutlich als Smalltalk abspeichern. Natürlich war ich nur der Fahrer und sie war nur eine Kundin und wir haben uns halt ein wenig ausgetauscht über unsere Erfahrungen.

Sie hat mir am Ende ihre Nummer gegeben. Nicht, was Ihr jetzt denkt! Nein, sie arbeitet an der Bar in dem Club und kann hier und da Gästelisteplätze vergeben. Reinkommen ohne anzustehen, und ich solle einfach mal anrufen, wenn auch ich Nicht-Clubber vielleicht mal will. Einfach weil’s geht, weil eine Hand die andere wäscht und weil das jetzt einfach mal verdammt gut getan hat, dass jemand sie versteht.

Wäre ich „nur der Fahrer“, würde ich bereits googeln, wie ich das zu Geld machen könnte. Hey, manch Touri reist für den Club ein paar tausend Kilometer an! Stattdessen werd‘ ich’s vermutlich nicht einmal selbst nutzen. Aber das Wissen, es zu können, adelt. So belanglos es in einer Party-Metropole erscheinen mag.

Über den Berg

In letzter Zeit gab es einige längere Pausen hier bei GNIT und wie bei so ziemlich allem, was hier passiert, war das meine Schuld. Teils habe ich wenig gearbeitet, teils aber war ich auch einfach nur frustriert und hatte keinen Bock, mir während einer miesen Schicht auch noch Dinge aufzuschreiben, die irgendwer versehentlich positiv hätte verstehen können. Ich hätte zwar eigentlich zu kaum einem Zeitpunkt gesagt, dass ich meinen Job nicht mag, aber ich fürchte, in irgendsowas wie eine Winterdepression oder dergleichen bin ich durchaus reingeraten, denn es betraf Taxifahren, Schreiben und eigentlich alles gleichermaßen. Ich hab zwar noch nie wie eine Maschine funktioniert, aber dass mich auch Dinge dauerhaft stressen, die ich mir selbst ausgesucht habe … das passiert halt auch nicht alle Tage.

In den letzten Wochen allerdings ist es vermehrt wieder da: dieses „Ich will!“-Gefühl. Mit neuen Schreibprojekten wird das vielleicht noch dauern, aber der innere Taxifahrer ist schon mal zurück. Ich hab wieder Bock auf Club-Kundschaft, ich will nicht mehr nur, dass die nächsten acht Stunden einfach vorbeigehen. Und dabei darf es meinetwegen gerne ein paar Jahre bleiben!

Letztes Wochenende hatte ich z.B. eine Italienerin an Bord, mit der ich eine fabelhafte 30€-Tour hatte, die am Ende aber eben nicht des Geldes wegen toll war, sondern weil wir uns eine halbe Stunde lang gut unterhalten haben. Welchen Bullshit wir schon gemacht, welche Drogen wir schon genommen hätten, und wie langweilig wir trotz alledem wären.

Oder der Typ mit dem falschen Schnurrbart, der sich darüber kaputtgelacht hat, dass er sowas trägt und ihn bereits im Taxi wieder abzunehmen versucht.

Und dann der offenbar vor einer Beförderung stehende Typ im mittleren Management, der mir die besten Parkbänke nannte, um Nachts mit Blick aufs Wasser in Berlin noch einen Joint zu rauchen.

So viel Spaß in so kurzer Zeit!

Tatsächlich habe ich trotzdem gerade meine Arbeitstage reduziert. Ich hab Freitag bis Sonntag ein Auto quasi vor der Tür, ich will für eine vielleicht nur bescheidene Donnerstagsschicht gerade nicht extra zur Firma fahren. Ob’s mit arg viel mehr GNIT-Artikeln was werden wird, ist also eigentlich fraglich. Aber ich will die verbleibende Zeit besser nutzen als bisher und meine Augen und Ohren sind definitiv offener als in den letzten Monaten. Ich hoffe, dass auch die enttäuschten Dauerleser mir da eine zweite Chance geben.

Und ja, heute Abend geht’s wieder auf die Piste. Let’s rock! 🙂

Einfach nur nice!

Was für eine Schicht!

Und nein, das ist kein verspäteter April-Scherz. Der gestrige Abend und heutige Morgen waren einfach prima. Dabei hatte ich nicht einmal immer Glück und von einem ernsthaften Umsatzrekord war ich weit entfernt. Es war noch nicht einmal so, dass alle Fahrgäste irgendwie super waren. Aber aus irgendeinem Grund hatte ich einfach die Extra-Portion gute Laune, die ich lange nicht mehr hatte. Nicht dass ich in den letzten Monaten irgendwie schlechte Laune  gehabt hätte, aber vorher hab ich das erste Mal seit langem bei Erreichen aller Zeit- und Geldziele trotz gerade vor dem Abstellplatz vollgetankten Auto beschlossen, nochmal eine weitere Runde zu drehen. Einfach weil’s geht. Und auch als ich dann wirklich Feierabend gemacht hab, habe ich ernsthaft noch auf Winker gehofft und war nicht einfach froh, dass die Schicht rum ist.

Und zum krönenden Abschluss hab ich die Heimfahrt in der Bahn auch noch zur Hälfte mit einem der Kollegen verbringen dürfen, die ich WIRKLICH mag. So darf der Monat gerne weitergehen.

Morgen allerdings hab ich dann trotzdem unerwartet frei, weil das Auto andersweitig vergeben ist. Egal, ist auch schön. 🙂

Januar und so

Auch wenn natürlich nicht mit dem 0-Uhr-Glockenschlag am ersten Februar schlagartig das Geschäft besser wird: Ich bin froh, mit dem gestrigen Abend meinen persönlichen Januar dieses Jahr beendet zu haben. Aber selbst der bot ja die ein oder andere nette Szene. So vorgestern, als gerade ein Kollege mit mir an zweiter Position am Stand ein Gespräch angefangen hat:

Kollege: „Hey Sascha, wie geht’s? Alles gut?“

Ich: „An sich ja. Aber wenn das Geschäft besser laufen würde, wär’s deutlich angenehmer.“

Potenzieller Fahrgast: „Sorry, ich hätte da mal eine Frage: Was nehmt Ihr bis Erkner?“

Ich: „Sagen wir mal 45 €.“

Fahrgast: „Na denn: Erkner, Bahnhof.“

Und ja: Wie erwartet war’s am Ende ein glatter Fuffi:

„Fünf Euro Zielprämie, weil Du schneller da warst als der Zug!“

PS: Das Absurde daran war, dass ich zwar früher da war als der Zug, die Fahrt aber deutlich länger gedauert hat. Sie hätten halt nur 20 Minuten in der Kälte warten müssen und sind deswegen stattdessen mit mir gefahren. Ist so eine Art „Gefühltes Schneller“. 😉

Vom Draußen und Drinnen

Die letzte Zeit gab’s bei GNIT nix zu lesen und das hatte einen einfachen Grund: Ich habe kaum gearbeitet. Zum einen, weil es einer der erbärmlichsten Januare seit Beginn meiner Aufzeichnungen zu sein scheint, zum anderen weil ich die letzte Woche deutlich mehr damit beschäftigt war, mir das Rauchen abzugewöhnen. Da sind Taxistände in den ersten drei Tagen nun wirklich nicht gerade die versuchungsärmste Umgebung, das würde ich also niemandem empfehlen. 😉

Andererseits muss man ja auch nicht mehr so viel aussteigen, wenn man nicht raucht. Und genau zum Aussteigen hatte dann ein mir bis dato unbekannter Kollege die Story des Wochenendes geliefert, als ich mal für ein paar Stunden sowas wie Arbeit imitiert habe. Er kam am Stand gleich auf mich zu und meinte:

„Ist Dir das auch schon passiert, dass sich dein Auto abgeschlossen hat, obwohl der Motor läuft?“

Äh, nein?

Und ich habe definitiv viel Übung darin, das Auto mit laufendem Motor stehen zu lassen und auszusteigen. Im Falle des Kollegen war’s ein Zafira Tourer, also das Nachfolgemodell von meinem. Hab also noch geschätzt 250.000 km Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Dann aber sollte ich das, denn eines hab ich jetzt schon gemerkt: Mir ist auch als Nichtraucher nach gelegentlichem Aussteigen. Frische Luft, Beine vertreten, diese Geschichten. Soll ja auch gesund sein.

Winter vs. Januar

„Alles hat Vor- und Nachteile!“, sagt man so schön und es trifft auf kaum was besser zu als auf die Schicht gestern. Es war immer noch eine sehr überschaubar erfolgreiche Schicht aus finanzieller Sicht; andererseits hatten wir schönstes Schneetreiben und ohne allzu viel Kundschaft hat man ja Zeit zum gepflegten Cruisen, während die Anlage der Hauptstadt den Beat vorgibt.

Sicher, ich muss das Auto nach der heutigen Schicht ziemlich ordentlich putzen, das ist echt unwitzig mit all dem Schneematsch. Andererseits passiert sowas halt, wenn man acht Stunden lang mit dem Taxi Luftkissenboot spielt. Im Gegensatz zu vorgestern war’s mit -4°C fast schon angenehm warm, aber ich hab trotzdem mehrfach das Auto quer zur Fahrtrichtung bewegt – was im Übrigen keineswegs ausschließlich zum Lustgewinn geschieht. Es ist einfach saupraktisch, dank Handbremse in engen Straßen quasi auf der Stelle wenden zu können. 😉

Es gibt tagein, tagaus so viel zu meckern. Könnte ich wie gesagt auch. Umsatz, Trinkgeld … aber hey, ich hatte heute Nacht einfach mal wieder richtig Spaß. Das ist nicht alles, aber es tut auch mal gut. 😀

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Na dann, 2017!

Heute Abend geht’s dann endlich wieder los. Die erste im neuen Jahr gestartete Schicht, voraussichtlich mit extrem kaltem Wetter und meinem eigenen Auto. Ich hoffe mal, es bleibt dabei.

Ob sich das Arbeiten lohnen wird, steht auf einem anderen Blatt. Ich verfluche den Januar nicht ohne Grund jedes Jahr, er wird vermutlich immer der schlechteste Monat im Taxi bleiben. Allerdings sind dieses Jahr mit der verpflichtenden Einführung des Fiskaltaxameters und offenbar auch mindestens einer anderen Gesetzesänderung (die irgendwas mit den Kontrollen im Gewerbe zu tun hat, von der ich allerdings bisher keine Ahnung habe!) durchaus auch kleine Silberstreifen am Horizont zu sehen, die vielleicht einen gegenteiligen Einfluss haben. Aber da kann ich erst einmal nur hoffen. Am Ende kann man ja trotzdem Glück oder Pech haben.

Für mich sieht’s so aus, dass ich nach der wenigen Arbeit in den letzten Monaten einfach richtig Bock hab, ranzurocken. Die Zahl der Blogeinträge und die Zahl auf dem Konto mal wieder in die richtige Richtung schubsen. Und das meinetwegen gerne inklusive Glatteis. Ich werde pünktlich um spätestens 19 Uhr das Haus verlassen, bzw. 20 Uhr am Auto sein. Der Tracker läuft, Twitter wird ebenfalls aktualisiert, 2017 bei GNIT beginnt heute. 😀