Führerscheintauglich

Mir fällt gerade ein, dass ich am Wochenende neben dem Kerl, der mir meinen Fahrstil abkaufen wollte, noch eine Fahranfängerin hatte. Sie winkte mich für eine Kurzstrecke nach Lichtenberg ran, an der denkbar ungünstigsten Stelle:

Direkt an der Kreuzung Frankfurter Allee/Möllendorffstr.  – und zwar in der Gürtelstraße, südliche Fahrtrichtung. Dort ist das Wenden nicht nur verboten, sondern durch eine Erhöhung der Straßenbahnschienen auch behindert. Also musste ich notgedrungen bis zur Scharnweberstraße in die komplett falsche Richtung fahren, wollte dann dort aber möglichst schnell wenden. Das ist dort auf den ersten paar Metern auch nicht erlaubt, schon gar nicht, wenn man es noch so halb auf dem Fußgängerüberweg macht wie ich. Ich stand also im 45°-Winkel auf der Straße, über den durchgezogenen Mittelstreifen, die Haltelinie und in den Fußgängerüberweg hinein. Hab auch schon besser ausgesehen auf der Straße. Aber es war 4 Uhr morgens, weder Autos noch Fußgänger in Sicht.

„Gut, so ganz legal ist das jetzt auch nicht wirklich. Verraten Sie mich bitte nicht.“

„Ach, ich mach ja gerade erst Fahrschule, sowas hatten wir da auch noch nicht, aber so in etwa müsste das doch gehen …“

„Kleiner Tipp: Machen Sie das NICHT in der Fahrschule.“

Wenn schon schlechtes Vorbild, dann doch wenigstens mit erhobenem Zeigefinger! 😉

Hektik

Hektik ist eine schlimme Sache in meinem Job. Insbesondere, wenn man ihn so ausübt wie ich: ohne Hektik.

Ich hab vor Ewigkeiten mal hier und da damit geprahlt, dass ich dank meines Jobs als Taxifahrer seit wasweißichwielang nicht mehr auf eine Bahn gerannt bin. Und das ist gut so. Aber manchmal haben es dann eben die Fahrgäste eilig.

Und da gibt es haufenweise Meinungen aus dem Gewerbe zu. Glücklicherweise geht der Tenor da in meine Richtung: Wir können nicht alles richten und unser Führerschein ist zweifelsohne mehr wert als ein lausiges Trinkgeld. Und selbst wenn lausig im ein oder anderen Fall mal in den zwei- oder (soll es alles schon gegeben haben) dreistelligen Bereich geht.

Dass Taxifahrer wie die Irren durch die Gegend heizen ist ein gängiges Klischee. Und wie immer gibt es natürlich auch hier Leute, die dies bestätigen. Das müssen nicht einmal die schlimmsten sein, ich kenne sogar nette Kollegen, die schon mehrmals eine „Auszeit“ vom Job nehmen mussten, weil sie wirklich schnell unterwegs waren.
Aber wie bei vielen irrationalen Verhaltensmustern von Taxen auf der Straße ist das mitunter auch den Kunden geschuldet. Das soll keine Rechtfertigung für mieses Verhalten sein, aber ja: Manchmal springen Kunden auf die Straße um uns anzuhalten und manchmal wollen sie „nach links“, wir setzen den Blinker und dann wird nach rechts gezeigt. Hatte ich alles auch schon und es ist manchmal wirklich schwer für uns, da die Kundenzufriedenheit und die Verkehrssicherheit unter einen Hut zu bringen. Letztere sollte immer im Vordergrund stehen, das ist klar – aber natürlich hab auch ich mich da schon mal falsch entschieden.

Ganz so wild war es bei der Tour nicht. Ich war bereits fast am Ostbahnhof, hab zumindest keine Winker mehr erwartet. Aber an einer Ampel stieg mir dann doch eine junge Frau zu und wollte nach Tegel. Na holla! Lockere 20 bis 25 €, das ist von der Straße weg Luftsprünge wert. Obwohl sie keinen Flieger erwischen musste, sondern nur wen abholen, war es natürlich dennoch eilig. Na klar …
Um 22 Uhr sollten wir da sein, aufgesammelt hab ich sie um 21.43 Uhr am Franz-Mehring-Platz. Dass das nix wird, hab ich ihr gesagt, aber es war ja auch klar, dass mit Landung, Gepäcksuche und Auschecken noch ein paar Minuten mehr übrig bleiben würden.

Wir haben verschiedene Routen diskutiert, sie war selbst passionierte Autofahrerin. Was schon mal schön war. Viele haben da sehr unrealistische Ideen …

Wir einigten uns auf die Linden und einen späteren Stich in den Norden, dann aber war natürlich dort Stau. Also Ausweg über die Friedrichstraße, letztlich folgten wir der Müller- bis zur Seestraße. Was für ein dusseliger Umweg! Aber vermutlich die schnellste Möglichkeit. Gibt ja doch mehrere Kenngrößen im Taxigeschäft – ich orientiere mich normalerweise halt eher am kürzesten und damit preiswertesten Weg. Da haben Tagfahrer natürlich ganz andere Gedanken, das weiß ich.

Durch das viele Hin und Her, teilweise mismutigste Ampelschaltungen und meiner Weigerung, in der Stadt schneller als 70 zu fahren, kamen wir tatsächlich erst um 22.10 Uhr an. Sollte gereicht haben. Mitbekommen habe ich es nicht mehr. Meine Kundin war so sehr in Eile, sie hat mir für die 25,40 € einfach 30 gereicht und „Stimmt so!“ gerufen, bevor sie rausgerannt ist.

Für den Preis hätte ich noch eine ganze Weile warten können und sie günstiger als die anderen Kollegen (kein Einstiegspreis, keine teureren ersten 7 km) heimbringen können. Aber um das zu sagen, hätte ich ja erst einmal die Zeit haben müssen.

Ihr merkt schon: Hektik ist nicht gut, ehrlich nicht …

Von mir!

oder: Das sonderbare Verhalten von Laufkundschaft bei Taxiknappheit

Ich mag meine Donnerstage gerade. Eine regelmäßige Lesertour mit netter Unterhaltung über 15 Kilometer zum (auch noch reichlich späten) Schichtbeginn war die letzten Wochen immer der Einstieg. Gut, ein paar Leerkilometer kommen zusammen, weil ich dafür nach Tegel rausfahre, aber so eine halbe Donnerstagsschicht versaut mir meinen Schnitt nicht ernsthaft. Bin diesen Monat z.B. immer noch bei 0,97€/km, was ziemlich nahe am 1,00-Richtwert ist, der mir von meinen Chefs mal genannt wurde.

Da das insbesondere jetzt im Winter aber immer eine schwierige Sache ist mit dem genauen Timing am Flughafen – weniger von mir, die 1925 hat noch jedes Glatteis bezwungen! –stehe ich dort auch mal eine Weile rum. Das ist aus zweierlei Gründen ein bisschen doof:

  1. Ich habe nur die Wahl zwischen eingeschränktem und absolutem Halteverbot, und eingeschränktes ist meist belegt.
  2. Man kann sich vor Kundenanfragen kaum retten.

Das mit dem Halteverbot war bislang nicht wild. Gestern ist überhaupt das erste Mal wer vom Ordnungsamt aufgetaucht und die Frau hatte Verständnis und hat mich lediglich mit der wohl nur deutschen Ordnungsamtsmitarbeitern eigenen Logik gebeten, doch bitte aus dem absoluten Halteverbot (welches dort sinnigerweise in gekennzeichneten Parkbuchten gilt) rüber auf die Straße zu fahren, um in der Folge (nach etwas stehen im absoluten Halteverbot auf der Straße) die Chance zu bekommen, (für maximal 10 Minuten!!!) ins eingeschränkte Halteverbot zu wechseln. Sei es drum, besser als ein Ticket ist das allemal.

Die Kundenanfragen hingegen …
Ich bin ja ein netter Mensch und als solcher immer bemüht, Probleme zu klären. Der Taxistand befindet sich etwa 30 bis 40 Meter entfernt und dort schicke ich die Leute dann einfach hin. Ich erkläre das völlig selbstverständlich damit, dass ich bestellt bin – und meistens wird das immerhin verstanden. Aber es gibt natürlich auch andere. Ein Ehepaar ist letzte Woche stinkwütend abgezogen, weil ich (ich nehme mal an, sie meinten mit „Depp“ mich) so unverschämt sei und „keinen Bock“ zum Arbeiten hätte.

Da muss was dran sein – ist doch allgemein bekannt, dass das Rumlungern an verschneiten Flughäfen zu den tollsten Freizeitbeschäftigungen zählt. Ich chill da so hart wie Bruce Willis in „Stirb langsam 2“, ehrlich! 😉

Viel amüsanter als die Entrüstung über 40 Meter mehr Fußweg sind aber die ganz besonderen Kunden. So gestern ein etwa 50-jähriger Schauzbartträger, zwei Köpfe kleiner als ich und in edlen Zwirn gehüllt:

„Hallo, sind Sie frei?“

„Nein. Der Taxistand ist gleich da drüben. Ich bin bestellt.“

„Ja, von mir!“

Und dann will der glatt anfangen, seine Koffer einzuladen.

Es mag ja sein, dass er bestellt hatte. Aber ich hatte nun wirklich nicht das einzige Taxi dort. Eine Nachfrage, ob ich sein Taxifahrer bin, ist ja ok. Aber mutwillig anderen Leuten die bestellte Taxe zu klauen, um ja keinen Meter zu weit zu laufen … das ist schon dreist. Für eine passende Antwort war ich dann aber doch zu sehr Dienstleister und hab ihm nur gesagt:

„Nein, Sie sind nicht meine Kundin.“

Das hat glücklicherweise gereicht. Wie gesagt: Ich mag meine Donnerstage …

Der Brüller

Wahrscheinlich wird das wieder so was, bei dem ich Gegenwind von Kollegen kriege. Egal.

Man hat als Taxifahrer ja eine Menge Freiheiten. Deswegen mache ich den Job ja beispielsweise so gerne. Das tolle an Freiheiten ist, dass man sich aussuchen kann, ob man sie nutzt. Sonst – kluge Köpfe werden schon drauf gekommen sein – haben sie mit Freiheit nicht mehr viel zu tun.

Eine dieser Freiheiten besteht darin, sich seine Beschäftigung am Taxistand weitgehend auszusuchen. Ganz ohne Einschränkungen geht nichts, so sagt die Berliner Taxiordnung in §4 Abs. 1 folgendes:

Auf einem Taxenstandplatz oder einem als „Nachrückbereich“ ausgewiesenen Taxenstandplatz dürfen nur dienstbereite Taxen stehen. Taxen sind in der Reihenfolge ihrer Ankunft aufzustellen. Jede Lücke ist durch unverzügliches Nachrücken der nachfolgenden Taxen aufzufüllen. Die Taxen müssen fahrbereit und so aufgestellt sein, dass Fahrgäste ungehindert ein- und aussteigen können.

Dienstbereit müssen wir also sein. Das ist natürlich mal wieder ein Begriff, den man als Jurist sicher unterschiedlich bewerten kann. Ich für meinen Teil lege das recht eng aus: ich muss als Taxifahrer in der Lage sein, binnen Sekunden eine Fahrt antreten zu können. Darüber hinaus ist es aber in meinen Augen recht irrelevant, ob ich gerade lese, twittere, dem Funk zuhöre, esse, schreibe, mich mit Kollegen unterhalte oder Origami-Kraniche falte.
Das sollte jetzt nicht unbedingt so laufen, dass man erst einmal sein siebengängiges Menü wieder in Tupperdosen packt, um es anschließend unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschläge im Kofferraum mühselig anzugurten und anschließend das Auto noch einer Grundreinigung zu unterziehen, bis der Fahrgast einsteigen kann.
Aber die Tür entriegeln, einen Sitz umklappen oder ins Auto einsteigen ist meines Erachtens nach völlig normal. Meist muss man ja ohnehin irgendwas für die Kunden tun: Sitz verschieben, Kofferraum aufmachen, erst einmal klären, was sein Anliegen ist … wir fahren ja letztlich keine Fluchtwagen.

Und so stand ich neulich mit zwei Kollegen am Ostbahnhof. Wir waren die drei Fahrer auf den Top-Plätzen. Ralf auf der eins, Udo auf der zwei, ich selbst war dritter. Wir standen vor Udos Mercedes, damit hatte Ralf als erster beispielsweise seine Heckklappe in Reichweite. Wir haben ein bisschen gequatscht, wie immer mit einem Auge auf den Gehweg schielend. Keiner will eine Fahrt verpassen oder unnahbar wirken, ist ja klar.
Aber am Ostbahnhof ist stets viel Publikumsverkehr. Die Leute laufen in alle Richtungen um einen herum und steigen auch am Taxistand gerne auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein. Das Aussortieren von Kundschaft unter den ganzen Passanten kann auch mal schiefgehen. Ist es in dem Fall gar nicht, aber ein Typ ist ohne uns Beachtung zu schenken am Stand vorbeigelaufen und hat dann – durchaus zu unserem Erstaunen direkt hinter mir an der Ecke ein fahrendes Taxi rangewunken. Ich hab etwas die Augen verdreht, weil man jetzt am Stand ja nicht unbedingt Kunden einladen muss, wo andere Kollegen warten – letztlich hab ich dann aber auch gedacht:

„Scheiß drauf. Der wollte wahrscheinlich eine Kurzstrecke, und jetzt isses eh schon passiert.“

Ein Abend wie tausend andere.

Bis dann plötzlich ein „Kollege“ auf der anderen Seite seine Tür geöffnet und Ralf ohne irgendwelche einleitenden Worte angebrüllt hat:

„SAMMAL! WIE WÄR’S VIELLEICHT MAL MIT ARBEITEN, DU VOGEL! DIE SCHEISS-KUNDEN STEIGEN HIER SCHON IN FAHRENDE TAXEN, WEIL DU HIER BLÖD RUMSTEHST! SO EINE SCHEISSE, DU DEPP! DER ERSTE FAHRER MUSS IM TAXI SITZEN!“

Reichlich panne, vor allem in Hinblick darauf, dass der Kerl in rund einem Kilometer Umkreis alle potenziellen Taxikunden abgeschreckt hat. Mal ganz davon abgesehen, dass – selbst wenn man sich über was nicht einig ist – das einfach kein adäquater Gesprächsanfang ist. Ich will hier jetzt nicht mit Knigge und Manieren anfangen, aber das geht einfach nicht. Ich hab in der Situation ein bisschen bewundert, wie locker und schlagfertig Ralf war. Er hat den Kollegen einfach im Satz unterbrochen und gemeint:

„Mach die Tür zu, is kalt hier draußen!“

Hat er dann glücklicherweise auch gemacht. Ich hab den „Kollegen“ zuvor nie gesehen, seitdem auch nicht mehr. Was sehr schön ist.

Und? Eure Meinung?

Wasen-Wetter

Die Samstagsschicht lief in vielerlei Hinsicht gut, besser als erwartet, bla keks. Sie hatte natürlich Höhen und Tiefen, hat Spaß gemacht und Nerven gekostet. Auf’s ein oder andere gehe ich in eigenen Blogeinträgen auf jeden Fall noch ein, das Wetter möchte ich allerdings gleich zu Beginn und ganz gesondert loben – insbesondere, da natürlich nicht jeder Kollege meine Meinung dazu teilt.

Klar, der abermalige Wintereinbruch in Berlin kam nach den ersten Sonnenstrahlen trotz Vorhersage unerwartet und ein bisschen fies daher. Ich hab auch gefroren und ich freue mich jetzt auch langsam auf den Frühling – aber das war doch wenigstens richtiger Winter, wie er Spaß macht. Nicht einfach -10°C und dicke Jacken, sondern fettestes Schneegestöber, zudem mit Flocken, die sich umgehend bis weit auf die Hauptverkehrsstraßen liegenderweise ausgebreitet haben.

„Wasen-Wetter“ hab ich das in Stuttgart schon immer genannt, denn schon damals war es mir ein Bedürfnis, die Schneeglätte im Auto wenigstens so zu nutzen, dass sie Spaß macht. Da die Stuttgarter Polizei im Gegensatz zu der in Berlin aber auch die Kapazitäten hat, kleinere Verstöße zu ahnden, hat man sich halt auf dem Wasen getroffen und dort das Auto ein bisschen durch die Gegend schleudern lassen. Das war zwar auch verboten, aber die Cops sind meist nur pro Forma eine Runde um den Platz gefahren und waren nach Minuten ohne großen Unmut zu streuen wieder weg.

Hier in Berlin bin ich so oft zu unmöglichen Uhrzeiten an ziemlich unmöglichen Orten unterwegs, da lässt sich mein Hang zum Driften auch mal in Arbeit verpacken. Kunden bringe ich zwar meist ohne Handbremse ans Ziel, kleinere Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Und nicht jeder Kollege kann folgendes im Kundenlob-Portfolio vorweisen:

„Ha, geiler Slide, Alter!“

Ganz von der Hand weisen kann ich die Aussage, dass der Winter im Alltag nervt, aber auch nicht. Immerhin wird jetzt gerade vor meinem Fenster der Schnee geräumt. Das vierte Mal in 24 Stunden. Einen Schlafrhytmus hält hier bei geöffnetem Fenster und einer gewissen Empfindlichkeit keiner durch. Und vor der Haustür wird nie geräumt. Da ist kein offizieller Gehweg, das ist wahrscheinlich so eine Zuständigkeitsgeschichte. Mit anderen Worten: auch ich muss aufpassen, dass ich nicht müde auf die Schnauze fliege, wenn es schneit.

Im Gegenzug hatte ich jetzt halt mein bisschen Spaß und hab schätzungsweise einen meiner 250 Kilometer in der Nacht auf Sonntag quer zur Fahrtrichtung zurückgelegt.

Nächste Woche lese ich dann bei euch, was am Frühling so toll ist. Deal?

Quittungen

Ich schreibe ja über vieles im Taxi, erstaunlicherweise aber sehr wenig über Quittungen. Das hat einen eigentlich recht banalen Grund: Quittungen sind öde! Eine Quittung ausstellen ist so langweilig und belanglos, dass ich nicht einmal darüber nachdenke und in 90% aller Fälle nicht einmal eine ordnungsgemäße anfertige. Nicht unabsichtlich: Eigentlich müsste ich nämlich die Fahrtstrecke auch aufschreiben, erfahrungsgemäß braucht das keine Sau. Und ich frage mich ohnehin, wie das gemeint ist. Im Alltag hat sich die Angabe von Start- und Zielpunkt eingebürgert, streng genommen ist das allerdings nicht unbedingt eine Streckenbeschreibung. Aber egal!

Ich schneide das Thema Quittungen im Taxi deswegen an, weil sie gestern Abend alle waren. Das – hier mal ein Lob an meinen Tagfahrer – war in nun bald viereinhalb Jahren meines Wissens nach das erste Mal der Fall. Ich selbst könnte zwar bei der Abrechnung auch welche mitnehmen, ansonsten bin ich aber schlicht nicht zu Bürozeiten unterwegs. Wenn es eng wird Nachschub holen ist da nicht drin.

Aber seit ich mich an dieses Taxi erinnern kann – und das kann ich so ungefähr bis zu einem Kilometerstand von 120.000 zurück – waren immer Quittungsblöcke im Auto. Der eine in aktueller Benutzung sowieso, darüber hinaus aber eben auch Ersatz im Handschuhfach. Es war bisher nur wenigen von euch vergönnt, mal einen Blick ins Handschuhfach der 1925 zu werfen, aber erst diese Woche kam es dabei zu folgendem Ausspruch:

„Sieht aus wie meines!“

Und bei meinem bescheidenen Kenntbnisstand bezüglich bundesdeutscher Handschuhfächer kann tatsächlich davon ausgegangen werden, dass jenes der 1925 keine Ausnahme ist: es ist hemmungslos zugemüllt. Glücklicherweise nur mit Papier, nicht mit irgendwas Schimmligem (wie Mais, um mal eine Referenz ans Tagesgeschehen jenseits Berlins anzubringen). Im aktuellen Fall allerdings nicht mit Quittungsblöcken. Und so stand ich dann da. Mit drei verbliebenen Quittungen. Puh!

Lithrael hat gestern auf Twitter gefragt:

„Wie oft wird denn überhaupt eine Quittung fürs Taxi verlangt?“

Da könnte ich meine gestrige Erfahrung nehmen und sagen: immer eine mehr, als man dabei hat wenn es mal knapp ist. 🙂

Im Ernst: Es ist sehr sehr unterschiedlich. Vor allem wahrscheinlich zwischen Tag- und Nachtschicht. Aber auch ich hatte schon Schichten mit 20 Fahrten ohne eine einzige Quittung und Schichten mit 10 Touren, von denen 8 quittiert werden sollten. Bei mir sind es meist weit unter 50% Quittungen, vor allem, da ich viele Touris von Clubs ins Hotel fahre.
Andererseits sollte man nicht vorschnell sein. Gerade aus den Clubs strömen immer auch mal ein paar kreative Köpfe aus der hiesigen Szene und lassen sich für die Fahrt sicherheitshalber einen Beleg ausstellen, weil man ja nie weiß, ob das sechsstündige Tanzen im Berghain nicht vielleicht doch eher so eine Art Geschäftsanbahnung war … 😉
Man kann es also einfach nicht wissen. Vor allem aber muss ich Quittungen mitführen. Das höchstwahrscheinlich recht geringe Ordnungsgeld ist zwar im Gegenzug zu einer Schicht riskierbar, aber den potenziellen Ärger mit Fahrgästen sind solche Papierfetzen einfach nicht wert.

Wie hab ich das Problem gelöst?

Nein, nicht selbst geschrieben! Da hätte ich sicher die Hälfte vergessen. Vom Aufwand mal ganz abgesehen …

Nee, ich hab mich einfach glücklich geschätzt, in einer größeren Firma zu arbeiten. Man trifft ja immer mal wieder nette Kollegen:

Quittungscheating, Quelle: Sash

Fürs Wochenende sollten wir jetzt erst einmal wieder genügend Quittungen haben. Da hätte mein Tagfahrer ja eigentlich auch drauf kommen können …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Keine Poblem!

Cottbus also. Viel gesehen habe ich in der Nacht nicht von der Stadt, aber sie wirkt nachts recht beschaulich. Wie ja fast alles in Deutschland. Die Rückfahrt war an sich schön, 100 Kilometer unbeschwerter Heimflug mit bereits verdientem Geld – besser geht es ja kaum. Aber gezogen hat es sich. Heute taut der ganze Schnee bereits weg, auf der Autobahn nach Berlin hat man sich nach 5 Minuten gefühlt, als würde man auf einen Win98-Screensaver starren, Schneeflocken überall. Eine gewisse Hirbeligkeit im Kopf machte sich breit. Ich hab’s dann auch langsam angehen lassen, dem Tempomat die Geschwindigkeit unter der maximal erlaubten diktiert und zwei Coffees gegen die aufkommende Müdigkeit eingeworfen.

Da arbeitet man 4 Jahre in der Nachtschicht und hat seinen Biorhythmus immer noch nicht umfassend verarscht!

Zuletzt hab ich die hellen und abwechslungsreichen Straßen Berlins geradezu herbeigesehnt. Ich war zwar erst rund 6 Stunden auf der Straße, aber dafür weite Teile durchgehend – ist man ja als Taxifahrer auch nicht gerade gewöhnt. Kurzum: ich dachte an einen frühen Feierabend. Aber wie immer schaltete ich die Fackel nicht einfach aus. Kann man ja nicht machen, schon gar nicht an einem Sonntag Morgen um 3 Uhr!

Ich wurde umgehend wieder fitter in der Stadt und beschloss, zumindest den Gastank schon mal wieder aufzufüllen. Kleiner Umweg zur nächsten Tanke, ansonsten hab ich mal grob in Richtung Heimat gezielt. Nach dem Tanken kurz Winker, kleine Tour, unter 8 €. Kam mir irgendwie mickrig vor. Egal, weiter!

Ich war bereits gefühlt in Marzahn, eierte die Rhinstraße hoch, da winkte es tatsächlich noch. Ein bereits reichlich verlebt aussehender Typ, um die fünfzig vielleicht, offenbar asiatischer Abstammung. Ich hoffte auf eine schnelle Tour, die mich der Heimat näher bringen würde, stattdessen meinte er:

„Kenndu Casino, Lessandaplas?“

„Hm, Casino am Alex?“

„Opossdaplaas!? Possdaplaas!“

„Aber ein Casino? Am Potsdamer Platz. Die Spielbank?“

„Bielank! Ja!“

Es mag undankbar erscheinen, aber sonderlich gefreut habe ich mich nicht über diese zehn Kilometer lange Fahrt, zu der ich umgehend wenden musste und mit der meine Heimat langsam im Rückspiegel verschwand. Auf der anderen Seite war es aber eben eine fette 20€-Winkertour. Trotz Cottbus ist das eine tolle Sache. Während ich mich innerlich also mit meinem Schicksal arrangierte, indem ich mir meinen Verdienst ausrechnete, ermahnte mein Fahrgast mich:

„Biee snell fahe!“

„OK, ich sehe, was ich tun kann.“

Schnell fahren. Das ist nachts um halb vier nicht wirklich ein Problem, aber an gewisse Verkehrsregeln hat man sich als professioneller Fahrer dann halt doch zu halten. Wenigstens so grob …
Dass ich ganz knapp über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit war, nicht einmal ihm, sondern eher mir zuliebe, nahm er wortlos zur Kenntnis und neigte umgehend zum Wegnicken. Nach einer knappen Minute standen wir an der Rechtsabbiegerampel, die uns auf Alt-Friedrichsfelde, die große Ost-West-Achse, führen sollte.

„Oje. Kenne Lampe. Is lange Waatn!“

„Ach ja …“

„Keine Poblem! Einfa faahe!“

Na klar. Vom Beifahrersitz aus redet sich das ja schön daher. Aber ein fleißiger Gesetzeshüter in der Ecke und ich hätte – dieses Mal zu Recht – wieder den ganzen Mist wegen überfahrenen Rotlichts an der Backe. Nicht nur, dass ich eigentlich recht stolz bin auf meine 0 Punkte in Flensburg, ein beknackter Verstoß wie der hätte mich mehr gekostet als die ganze Nacht gebracht hatte. Inklusive Cottbus, inklusive Trinkgeld! Manche blöde Ideen erkennt man recht schnell und ich hab meinen Fahrgast folglich einfach auflaufen lassen. Hat mich vielleicht einen oder zwei Euro Trinkgeld gekostet. Boah, tragisch!

Den Rest der Fahrt über hat er glücklicherweise geschlafen und nach der Tour hatte ich auch nichts anderes mehr vor. Dieses Mal hab ich den Heimflug auf dem kürzesten Weg auch geschafft. Ohne Unterbrechungen. Irgendwann ist dann auch mal gut.