Es ist schon eine Weile her, damals war es sogar noch richtig kalt in Berlin. Da traf ich mit Kollegen am Taxistand zusammen, wir unterhielten uns übers Wetter. Und uns beschäftigte alle das gleiche Thema:
Wo zur Hölle soll Berlin-Eiskeller sein?
Berlin-Eiskeller. Von dort wurde in den Tagen öfter die Temperatur durchgegeben, aber keiner der Kollegen konnte sich darauf einen Reim machen. Und wenn Taxifahrer als professionelle Auskenner an den Wettermeldungen scheitern, dann ist das doch etwas seltsam.
Nun gut, ich selbst bin noch „halbwegs neu“ in der Stadt, ich kenne natürlich nicht alles. Aber dass es den anderen auch so ging … WTF?
Ob es nun eine Siedlung, ein S-Bahnhof oder ein Spitzname für irgendwas wäre – einer hätte es doch kennen müssen! Aber: Fehlanzeige!
In dem Fall – wie überhaupt sehr oft – hilft Wikipedia. Eiskeller ist ein Landschaftsschutzgebiet im äußersten Westen der Stadt, was erklärt, wieso es zum einen Ostberliner, zum anderen sogar (Nacht-)Taxifahrer nicht kennen. Wer lässt sich schon in ein Landschaftsschutzgebiet bringen?
Dabei ist die Geschichte von Eiskeller laut Wikipedia sogar sehr interessant. Als Fast-Exklave von Berlin, später sogar der BRD während der Teilung, lag es im Zentrum gleich mehrerer Gebietsaustäusche. Und dann noch die Anekdote mit dem Jungen, der 1961 behauptete, auf dem Schulweg von Volkspolizisten der DDR auf dem Schulweg aufgehalten worden zu sein, deswegen künftig von einem britischen Panzerwagen eskortiert wurde, und der erst drei Jahrzehnte später zugab, damals gelogen und nur die Schule geschwänzt zu haben – herrlich!
Es ist wirklich immer wieder eine geile Sache, mehr über Berlin herauszufinden. Und falls doch mal wer nach Eiskeller will, weiß ich ja jetzt Bescheid … 😀
PS:
Inzwischen ist mein Buch seit zwei Monaten draußen. Wer noch ein signiertes Exemplar haben will, kann nach wie vor unter buch@gestern-nacht-im-taxi.de eines bestellen. Wollte ich nur nochmal erwähnen, bevor ich in den nächsten Tagen den großen Banner oben wieder deaktiviere.
Da das in meinen Radiosendern noch nie vorkam, bin ich jetzt neugierig: Was hörst du denn?
Allen Nicht-Nachteulen sei eine Fahrt mit dem Rad am Eiskeller empfohlen, z.B. entlang des nordwestllichen Mauerradwegs. Gerade jetzt im Frühling ein Traum für großstadtmüde Großstädter!
Und ich dachte, die Geschichte klärt sich so auf, dass der Radiomoderator nur einfach die Eiseskälte in Berlin meinte.
Berliner Zeitung, 12-06.1997: Begriff Eiskeller
„Der Deutsche Wetterdienst Berlin hat dank der systematischen Messungen in den vergangenen 30 Jahren herausgefunden, daß an der Steinwüste Alexanderplatz im Jahresdurchschnitt mit 9,8 Grad die höchsten Temperaturen Berlins herrschen. Ein echtes Versäumnis der Stadtplaner, die sich zu sehr auf Häuser gestürzt und dabei Bäume, Wasser und Parks vergessen haben. Der kühlste Meßpunkt Berlins mit 8,6 Grad mittlerer Jahrestemperatur liegt im Tal der Fließ, eines Flüßchens, das sich in den Tegeler See ergießt. Der Grund: Kalte Luft zieht sich zu einem Paket zusammen, die Moleküle verdichten sich, so daß das Kaltluftpaket schwerer wird und nach unten sinkt. Darum sammelt sich kalte Luft in Tälern, Senken und Mulden und fließt dort entlang ab. So erklärt sich auch der Begriff „Eiskeller“ für eine das ganze Jahr über besonders kühle Niederung im Spandauer Stadtforst.“
Ich, als Berliner und schon seit 10 Jahren Spandauer, bin auch mal nur durch Zufall (und eben der von dir beschriebenen Geschichte) im Internet auf den Eiskeller gestoßen.
Du kannst also nie lange genug in Berlin sein um alles zu kennen.
Wer mehr wissen will, schaut z. B. hier:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43144031.html
http://www.berlin.de/mauer/zahlen_fakten/gebietsaustausch/index.de.html
@Sam:
In dem Fall müsste es wohl Inforadio, bzw. die „ARD-Infonacht“ gewesen sein.
@Mic ha:
Das hab ich mir am Anfang auch gedacht. Aber siehe @metro: Ein bisschen was ist quasi dran. 😉
@metro:
Danke für die erhellende Info!
@Nick:
Das glaube ich auch. Aber derart geballtes Unwissen unter Taxifahrern ist dann schon auch seltsam.
@Bernd K.:
Danke für die Links! Ich werde beizeiten mal reinschauen.
kleiner nachschlag zum eiskeller.
wir hatten dort freunde, die wohnten zu mauerzeiten dort.
es gab einen weg durch den Spandauer Forst, der aber vom Forstamt nicht für die Anwohner freigegeben wurde. so mußten die (ca 120 ?) bewohner mit festem wohnsitz Eiskeller immer die lange Schönwalder Allee bis an die mauer ran fahren, dann durch einen, heute geschlossenen und nicht mehr erkennbaren, schmalen Patrouillenweg der Briten am Graben entlang bis rüber in die Siedlung. Die fahrt dauerte ab Schönwalder/Neuendorfer mehr als 20 minuten und wenn ich mich richtig erinnere waren es insgesamt um die 26 km von da bis zur Siedlung. Im sommer war das recht angenehm, im Winter gefährlich weil für die jeeps nicht gestreut wurde, der asphaltierte weg aber, wie gesagt, seeehr schmal und halbrund war und ein abrutschen in den graben immer möglich gewesen wäre – und der war bereits territorium der DDR.
im übrigen: Eiskeller hatte bis 1976/77 keinen stromanschluß und auch keine trinkwasserversorgung, entsorgung natürlich auch nicht.
als berlinerin in der 4. generation kenne ich noch einiges von dem ich sicher bin, das ein zugewanderter noch nie ein sterbenswörtchen gehört hat oder gar wüßte wo es denn sei. (im übrigen „dürfte“ mittlerweile die rate echter gebürtiger Berliner sowieso immer weiter sinken . . . sinken . . .)
und vieles von dem hat seit dem mauerfall auch (fast) keine bedeutung mehr, so dass es, im sinne von WWM, in das Buch „unnützes Wissen“ gehören könnte 😉