Fremde Angelegenheiten

Dass Kunden aus einem Taxi aussteigen und anschließend zu einem Taxi laufen, kommt vor. Wenn dann allerdings der Taxifahrer hinterherfährt, kommt meist nix gutes dabei heraus. Und genau so geschah es, als zwei Damen mein Taxi enterten, nachdem sie zuvor bei einem Kollegen ausgestiegen waren – und jener gleich wendete und auch an mein Auto herantrat.

Ich möchte erst einmal ein wenig auf meine Situation eingehen. Ich stand unter der Woche zu ungewohnt später Stunde am Ostbahnhof an erster Position. Was ungünstig war. In gewisser Weise. Laufkundschaft war nämlich, salopp gesagt, alle – das einzige, was uns paar Fahrer noch hielt, war der um anderthalb Stunden verspätete ICE aus München, der in wenigen Minuten eintreffen sollte. Verspätete Züge sind für uns super, denn dann schmeißt die Bahn in der Regel mit Taxigutscheinen, gerne auch mal für Fernfahrten, um sich. Ungünstig war meine Pole Position deswegen, weil in der Regel zuerst die aus dem Bahnhof gestürmt kommen, die sich zuvor nicht um Gutscheine rangeln und entsprechend meist kürzere Touren haben, bei denen es keine Rolle spielt, wer sie bezahlt.

Nun stiegen die beiden jungen Frauen also ein und wollten … zum Berghain.

GNIT-Leser wissen inzwischen sicher, dass das eine ultrakurze Strecke von vielleicht 800 Metern ist. Dieses Mal hätte mir das perfekt gepasst: Schnell binnen zwei Minuten zum Berghain und zurück – und dann an Position 5 oder so anstellen, um eine der lukrativen Ferntouren abzugreifen …

Nun aber kam der Kollege an und forderte die beiden Damen auf, ihre Taxifahrt zu bezahlen. Oha! Zechpreller, ehrlich?

Die folgenden zwei Minuten waren ein einziger Disput rund um mein Auto, wobei es aber nicht um mich ging. Immerhin. Und erstaunlicherweise war das Problem der Anwesenden sogar nachvollziehbar – und dennoch nicht so einfach zu lösen.

Unstrittig war, dass der Kollege die beiden Damen zum Ostbahnhof gebracht hatte, damit sie an einem Geldautomaten Geld abheben können, um letzten Endes die Fahrt zum Berghain bezahlen zu können. Und bezahlt hatten sie nicht. Was eindeutig für den Kollegen spricht. Die Frauen erzählten mir, dass sie den Fahrer gebeten hätten, das Taxameter während des Stopps auszuschalten, was dieser wohl bejaht hatte. Als sie wiederkamen, standen allerdings 3 € mehr auf der Uhr, weswegen sie sich verarscht vorkamen und nicht mehr weiterfahren wollten, sondern lieber einen anderen Fahrer.

Nun wird’s schwierig …

Zunächst einmal gibt es absolut keinen Grund, das Taxameter für so einen Halt zu stoppen. In der Zeit ist man als Taxifahrer gebunden und schon der Begriff „Wartezeittarif“ zeigt ziemlich deutlich auf, dass wir auch Geld fürs Warten nehmen dürfen, wenn es anfällt. Diesbezüglich waren die beiden Damen also rechtlich in ziemlich schwieriger Lage. Andererseits muss man auch mal zu Protokoll geben, dass derartige Taxameterstopps trotzdem gang und gäbe sind. Auch ich hab das schon gemacht. Wenn’s danach noch weitergeht, macht man lieber mal 5 Minuten unbezahlte Pause und raucht eine, bevor die Kunden abspringen. Und wenn man das nicht machen will als Fahrer – was wie gesagt völlig ok ist – dann sollte man wenigstens nicht vorher zusagen, dass man es macht. Weiterer Pluspunkt für die Fahrgäste: Sie waren in der Tat sehr ruhig, während der Kollege Zeter und Mordio schrie. Der erste Satz der einen war tatsächlich:

„Please calm down, so we can talk to each other!“

Ja, nu saß ich da ernstlich zwischen den Stühlen. Dass die beiden die Fahrt zu zahlen hatten, war klar. Zumindest mal bis zum Anhalten, immerhin auch ein ganzer Zehner. Das hab ich auch erklärt. Nun gab es dummerweise aber auch noch Sprachprobleme: Die Fahrgäste sprachen kaum deutsch, der Taxifahrer kaum englisch.

Und überhaupt: Warum ich? Ich bin kein Kollegenschwein, ehrlich. Aber was hätte ich außer vermitteln tun können – was keine der beiden Parteien irgendwie wirklich honoriert hat …

Dementsprechend dankbar hab ich angenommen, was eine der Damen anbot:

„I’m sorry, we leave your cab. OK? I know, you’re waiting for other customers.“

Und – mit Zustimmung des Kollegen – beschlossen sie, die vor Ort ansässige Polizeiwache aufzusuchen. Was mit Sicherheit die bessere Wahl war als mein Taxi. Eine friedliche Einigung wird es vermutlich nicht geworden sein, aber wenigstens eine, die dann hoffentlich alle akzeptieren.

Anschließend hab ich tatsächlich eine Fahrt aus besagtem ICE bekommen. Keine mit Coupon, aber immerhin eine für 17 €. Man will ja nicht meckern, wenn andere sich schon wegen drei Euro in die Haare kriegen …