Reflexe (1)

Manchmal möchte ich mich wie das kleine Arschloch zu meinen Kollegen herabbeugen und in liebevoll-sarkastischem Tonfall sagen:

„Peppi, Peppi, Peppi … die Reflexe …“

Aber gut. Im Gegensatz zu Moers‘ Trickfilmfigur habe ich die Kollegen vorher nicht unter Drogen gesetzt, die sind da alleine für verantwortlich. Einer beispielsweise ist gestern am Ostbahnhof mit stoisch ungerührter Miene, nur gelegentlich kauend, in seinem Sitz erstarrt, weil zwei junge Männer ihn um eine Fahrt bitten wollten. Zwei junge Männer, das muss man sich mal vorstellen! An einem Taxistand!

Die beiden waren total nett, wirklich allerhöchstens leicht angeheitert – und die Tüte mit den mitgebrachten Alkoholika ruhte fest und sicher im Griff des einen, der sich letztlich dann bei mir auf dem Beifahrersitz niederlassen sollte.

„Wir dachten ja eigentlich, wir fahren mal schick Mercedes, jetzt will der aber wohl gar nicht …“

stellte der andere ein wenig betrübt fest.

OK, es war eine extrem kurze Tour. Aber selbst wenn der Kollege das gewusst haben sollte – er stand hinter mir und ich war vor drei Minuten erst angekommen und wir standen auf der insgesamt dritten Rücke. In so einer Situation fahr ich auch gut gelaunt für 3,20 € zum InterCity-Hotel. Aber nein, einen Kilometer Fahrtstrecke bis zur Lichtenberger Straße hatten die zwei dann doch zu bieten. Nette Jungs, das stressfreieste, was mir gestern ins Auto gefallen ist.

„Also ich würde schon mal einen Zehner zahlen, machst Du dann den Rest?“

„Klar, ich vermute aber mal …“

Ich musste mich einmischen:

„Ähm, keine Sorge! Je nachdem, wo die Nummer genau liegt, sind das allenfalls 6 € – wir verlangen ja keine Mondpreise.“

„Ach, dann isses halt Trinkgeld!“

Nächster Halt, Lichtenberger Straße – unteres Ende.

„Also, dann sind wir bei 4,80 €.“

„Wie gesagt: Trinkgeld …“

Trinkgeld, ca. 104% Trinkgeld. Hatte ich auch lange nicht mehr 😉

Das waren aber noch nicht alle Reflexe der Kollegen von letzter Nacht. Ich hatte noch zweimal wirklich Glück. Aber das sind wohl andere Geschichten …

8 Kommentare bis “Reflexe (1)”

  1. Taxi123 sagt:

    Ich mag solche Kollegen. Die stehen nur rum und ich arbeite die ganze Nacht. Ich denke, ich weiß, wer zum Feierabend mehr auf der Uhr hat.
    Nur für die Kundschaft ist es nicht so schön, wenn außen nicht dran steht“ Achtung, der Fahrer möchte x Stunden auf eine lange Tour warten und fährt keine kurzen Touren.“

  2. Wahlberliner sagt:

    @Taxi123 und generell: Vielleicht sollten sich die Taxiverbände eine technische Lösung dafür überlegen. Ich schlage statt der klassischen Fackel ein LED-Leuchtband auf dem Dach vor, wo der Fahrer seine jeweilige „Message an die Welt“ im Auto eintippen kann. Sowas wie: „Keine kurzen Touren, keine Betrunkenen“, oder „ich hasse die Welt und die Welt hasst mich, also lasst mich gefälligst in Ruhe, außer Ihr wollt mindestens 30km weit gefahren werden“…Sowas halt 😉

  3. elder taxidriver sagt:

    Waren die ‚Kollegen‘ zufällig älter als 40 ? Da hätte ich eine Theorie.

  4. Aro sagt:

    @ elder taxidriver
    Vorsicht! Dünnes Eis…

  5. leserin sagt:

    ~frisör~
    „was? spitzen schneiden?! ich warte auf einen neuen schnitt mit färben und hochzeitsfrisur inkl. kauen sie ihre blöden spitzen ab und verpissen sie sich!“

    ~bäckerei~
    „was, sie wollen nur ein brötchen? machen sie sofort platz für richtige kunden und kaufen sie anderswo ihre tägliche futterration für ihre ratte!“

    ~bekleidungsgeschäft~
    „ihr shirt können sie sich sonst wo hinstecken, entweder sie kaufen hier 3 balloutfits oder sie räumen das feld und hüllen sich wohl besser in einen kartoffelsack“

    ~schwimmbad~
    „für die kurze zeit wollen sie hier bleiben? sie sind doch nur hier um mal eben ins wasser zu pinkeln, entweder tageskarte oder sie suchen sich gefälligst ne regenpfütze zum baden“

    ich hör ja schon auf…

    aber wie viel du letzendlich durch diese art von kollegen MEHR bekommen hast lässt einen fast (!!) schon dankbar sein dass es die gibt, oder? wenns nicht dem kunden ein gewisses bild vermitteln würde.

  6. Sash sagt:

    @Taxi123:
    So sehe ich es auch.

    @Wahlberliner:
    Der Witz hier war ja, dass er nicht mal das Fenster geöffnet hat und gar nicht wusste, wohin die Tour geht. Ansonsten: geile Idee! 😀

    @elder taxidriver:
    Muss ich überlegen. Wahrscheinlich ja …

    @Aro:
    Gibt es jetzt wieder eine geschichtliche Kissenschlacht hier? 🙂

    @leserin:
    Naja, die paar Mehreinnahmen durch das ein oder andere Trinkgeld wären aber locker ausgeglichen durch die ganzen Leute, die ansonsten keine Angst vor, bzw. wieder Lust auf kurze Taxifahrten hätten. Am Ende vergrault sowas doch immer Kunden …

  7. Apotheker-Typ sagt:

    @Sash: Du hättest ruhig dazuschreiben können, dass der Hauptberuf des ablehnenden Taxifahrers „Dauer-Student“ ist und er gerade für die nächste Klausur gelernt hat. Da stört Kundschaft nur!
    Schließlich sind nirgendwo in Deutschland mehr Akademiker angestellt als in Unis und im Taxigewerbe… 😉

    Das mit dem „Vergraulen“ ist leider wahr. Und traurig genug. Immerhin gibst Du Dein Bestes, um diese Statiistik wieder gerade zu rücken.

  8. Sash sagt:

    @Apotheker-Typ:
    Also wenn der Student ist … naja, man soll ja keine Vorurteile haben …

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