Selektion mal andersrum

Die Schicht heute war gefühlt zu Ende. Ich wollte noch tanken gehen, das Auto oberflächlich abspritzen, und ansonsten: Heim! 11 Stunden Arbeit waren genug, aber natürlich lasse ich die Fackel leuchten. Wenn noch jemand reinspringen sollte, dann fahre ich ihn auch noch gerne. Und: Mehr Geld ist mehr Geld!

Ich fahr also gechillt aufs Kottbusser Tor zu, wo ich plötzlich angehalten werde. Ich bin auf der linken Spur (bereit zum Abbiegen), die Winker auf der rechten Seite. Nun zeigte sich, dass sie gar nicht selbst einsteigen wollten, sondern mich für jemand anders rangewunken haben. Der war allerdings außer Sichtweite hinter einem Pfeiler links von mir. Auf Zurufe seiner „Unterstützer“ kam er vor. Es war ein dicker, schwitzender Mann, der mir nicht sonderlich sympathisch erschien. Nicht wegen seiner Leibesfülle – die besitze ich ja auch – einfach vom Gesichtsausdruck. Er trat neben dem Auto an mich heran und musterte mich. Ich ließ ein freundliches „Hallo!“ vernehmen, woraufhin er nicht etwa einstieg, sondern folgendes tat:

Er rief seinen Helfern auf der anderen Straßenseite etwas auf türkisch zu, das mit hundertprozentiger Sicherheit sinngemäß bedeutete:  „Nein, ich will einen türkischen Taxifahrer!“ Denn auch wenn ich kein türkisch kann, so denke ich doch, dass „taxi“ und „turk“ etwa das bedeuten, was ich vermute… Dann hat er mich vorbeigewunken.

Ich hab es ihm nicht übel genommen.

Finanziell hätte ich eine Fahrt zwar noch gut brauchen können, aber wirklich scharf drauf war ich nicht. Zumal es im Falle von Sprachproblemen sicher sinnvoll ist, einen gleichsprachigen Kollegen abzuwarten.

Also: Alles kein Thema! Aber es ist wirklich ein komisches Gefühl, gemustert zu werden, und dann seiner Nationalität wegen abgelehnt zu werden! Ich bin ja nun als Deutscher in Deutschland nicht gerade die Person, der irgendwelche nationalistische oder rassistische Vorurteile persönlich begegnen. Selbst Arschlöcher, die sich freuen, dass „endlich mal ein Deutscher“ im Taxi sitzt, sind auch verschwindend wenige unterwegs.

Deswegen empfand ich diese Situation auch als äußerst interessant. Als Weißer in Mitteleuropa mal als „zweite Wahl“ betrachtet zu werden, ist sicher selten.

So sehr ich mich in dieser Situation auch immun gefühlt habe: Ich wünsche es wirklich einer Menge Leute, dass sie das mal erleben, um vielleicht festzustellen, was alltäglicher Rassismus ist. Wie gesagt: Der Kerl mag einfach nur schlecht deutsch gesprochen haben, und sein Wunsch nach einem türkischen Fahrer mag berechtigt gewesen sein – aber „unschuldig“ verdächtigt wurde ich trotzdem – da ich nicht einmal die Gelegenheit hatte, klarzustellen, dass ich auch (hypothetisch) türkisch spreche.

Und vielen meiner Kollegen wird es ständig so gehen, einfach weil sie südländisch aussehen. Erschreckend!

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2 Kommentare bis “Selektion mal andersrum”

  1. Marcus sagt:

    Es könnte doch sein das es in Deutschland, Türkischen Nationalisten gibt ( auch als Rechtsextreme tituliert ) oder?

    Ich will hab wahrhaftig nichts gegen Ausländer, aber alles Rosarot zu sehen……wäre wohl leicht naiv.

  2. Sash sagt:

    Klar gibt es unter den Türken eine Menge Nationalisten. Kann schon sein, dass er dazugehört hat. Ich weiss es nicht sicher.
    Insofern ganz gut, dass ich ihn nicht gefahren habe. Ich würde zwar damit die richtigen „ausnehmen“, aber eigentlich kann ich auf Faschos in meinem Auto gut verzichten. Scheiß auf die paar Euro!

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