Unspektakulär

Eigentlich habe ich heute Morgen schon beschlossen, über die Schicht nichts zu schreiben, weil es nichts zu schreiben gibt. Sie war nicht sonderlich toll, aber auch nicht abgrundtief schlecht. Die Kunden waren nett, aber kein bisschen erwähnenswert. Das Übliche: Emsige Spät-Feierabend-Macher, Reise-Rückkehrer und australische Touris aus dem Matrix. Trinkgelder zwischen 0,00 und 1,50 €, fürchterlich langweilig.

Nur in einem Punkt war die Schicht irgendwie vorbildlich: Im Zeigen, wie schwer es ist, zu erkennen, wie der Umsatz sich im Laufe eines Abends entwickelt. Ich habe runde 9 Stunden ernstlich gearbeitet, die letzte Dreiviertelstunde ging für Waschen, Tanken und Abstellen drauf. Bei 106 € Umsatz also um die 11 € / Stunde. Statistisch! So hat sich das gestern verteilt:

20.30 Uhr – 1.30 Uhr (5 Stunden): 29 € (4 Touren)

1.30 Uhr – 3.30 Uhr (2 Stunden): 63 € (5 Touren)

3.30 Uhr – 5.30 Uhr (2 Stunden): 14 € (1 Tour)

Ich werde bestimmt noch oft in meinem Leben früher Feierabend machen, weil es mal nicht so läuft – aber diese Schicht sollte eigentlich beweisen, dass das eine dumme Idee sein könnte. Sorry, dass es nichts wirklich essentielles zu berichten gibt. Vielleicht nach der heutigen Schicht…

Tochterpflichten

Eine schöne Tour neulich:

Ich stehe so mit Nico und Geri redenderweise am Ostbahnhof. Es ist schon spät, ich habe mich mit ausgeschalteter Fackel weit hinter den wartenden Kollegen am Stand hingestellt. Mal sowas wie offizielle Pause…

Dann kommt ein Mann mittleren Alters (40 – 60 Jahre) und mittleren Alkoholpegels (1 – 3 Promille) an und mustert uns gründlich. Dazu mustert er gleich noch mein Auto mit und meinte: „Ist die Taxe einsatzbereit?“ Ich habe mit „Ja“ geantwortet. Es war eh mies gelaufen bis dato, und wenn ich schon während der Arbeit kein Geld verdienen kann, dann doch wenigstens in der Pause…

Er wolle nur eine kurze Strecke, einen Fünfer gibt er mir dafür…

Ich hab das als Kurzstrecke interpretiert, und in Anbetracht der Tatsache, dass ich nicht am Stand anstand, kann man das ja mal gelten lassen 🙂

„Wohin soll es denn gehen?“

„Ist egal, ich kenn den Weg!“

„OK, hier geradeaus?“

„Ja, da vorne dann rechts!“

Gesagt, getan.

„Hier geradeaus?“

„Ja! Zum Strausberger Platz, den kennste doch, oder?“

Na also, warum nicht gleich so? Unterwegs hat er mir dann kurz erzählt, dass er seinen Schlüssel im Auto hat liegen lassen, das er wiederum – verantwortungsbewusst wie er ist – des Pegels wegen hat stehen lassen. Und da seine Frau deswegen mords den Terror machen würde, hat er also nun vorgehabt, zu seiner Tochter zu fahren. Fragt mich nicht, inwiefern das einen Sinn gibt, aber so war es eben.

Dort angekommen, stellte er nach einer ungelogen 4 Minuten dauernden Suche fest, dass er gar kein Geld dabei hat. Das übliche Geschwurbel „Aber ich hatte hier einen Zehner… ich hab doch 15 dabeigehabt… und ich hab nur 5 ausgegeben…“ inklusive. Alles kein Drama! Wäre nicht der erste, den ich noch zur Bank fahre. Aber er wollte ja eh zu seiner Tochter! Also rief er dort an, und das Gespräch verlief (ich kenn ja nur seine Seite) ungefähr wie folgt:

„MOONIKA*! MOONIKA! Monika, ick brauch mal nen Fünfer! Ja, ick steh hier! Vor der Tür! Wie? Ja neeheee! HINTEN! Ich bin hier inn Taxi. Ick steh hier! Hinten! Vor der Tür! Du, ick hab kein Geld mehr! Ick muss doch das Taxi bezahlen. Bring mal nen Fünfer runter! Kriegste von mir ja wieder, weisste doch! MOONIKA! Dein Nachthemd sieht doch hier keiner! Ick brauch nen Fünfer! Für die Taxe. Monika, bring mir einfach nen Fünfer!“

Das Ganze dauerte dann fünf Minuten, nicht ohne dass Monika noch einmal zurückgerufen hätte, und festgestellt hat, dass „hinten vor der Tür“ kein Taxi steht (wir standen wohl ausser Sichtweite eines Busches wegen). Er hat x-mal beteuert, mich nicht bescheissen zu wollen, hat mir Freikarten für Union Berlin angeboten und mir beim kurzen Aussteigen (um zu Monika zu eilen) alles dagelassen, was er hatte. Damit ich weiss, er bescheisst mich nicht…

Selten so eine lange und stressige Kurzstrecke gehabt… aber 1,50 € Trinkgeld sind dann ja auch nicht soo schlecht.

*Name von Sash geändert

Die beste Tour des Abends

Naja, in der heutigen Nacht war ich nicht so wirklich ein Glückspilz. Ich hab eigentlich ganz ordentlich Touren bekommen, aber es waren immer kurze Strecken. Irgendwann nach 7 Stunden hatte ich mich dann langsam zu meinem Hunderter Umsatz durchgekämpft. 98 € nach 14 Touren – das ist mies. Am Berghain stiegen dann zwei junge Leute ein, Männlein und Weiblein, offensichtlich aneinander interessiert. Oder so. Sie war in einem eher bedenklichen Zustand, er eher fitter. So die übliche „Die hab ich abgefüllt und jetzt geht es zu mir nach Hause“-Tour…

Dachte ich.

Ich stellte alsbald fest, dass er nur des Englischen, sie und ich des Deutschen und Englischen mächtig waren. Viel zu sagen hatte sie dabei nicht, denn sie war wirklich in einem üblen Zustand. Am augenscheinlichsten wurde das in der ersten Kurve, nach der ich mich des Geräuschs wegen sowohl um ihren Kopf, als auch um meine Scheibe hinten links sorgte. Ich kann Entwarnung geben: Allzuviel gemerkt hat sie davon offenbar nicht.

Er wohnte in einem Hotel nahe der Samariterstr., eine der üblichen 8€-Touren in dieser Nacht. Bevor wir dort ankamen, nannte sie mir jedoch als Fahrtziel eine Str. in Prenzlberg, naja, eher schon Pankow. Zunächst wurden sie sich nicht einig, so stoppte ich an der Haltestelle Samariterstr. und gab den beiden Zeit zur Diskussion. Dann war klar: Wir fahren zu ihr. Na gut, mir sollte es recht sein!

Die Gespräche während der Fahrt bestanden zum einen aus der stetigen Nachfrage ihrerseits, ob ich auch wirklich zu ihr fahren würde, und aus seinen Versuchen, abzuchecken, ob er nicht vielleicht wenigstens bei ihr noch zum Zug kommen würde. Die Antwort fand ich ganz amüsant:

„No. I think, my boyfriend wouldn’t, oh I’m sooo fucking tired!“

Aber ihr treuer Freund seit einer Stunde, ein offenbar gläubiger Italiener, nahm das hin – und das, obwohl er das Taxi zu zahlen hatte. Naja, er kam dafür in den Genuss einiger Küsse, die ich zumindest der Geräuschkulisse nach als recht innig beschreiben würde. Was da wohl der „boyfriend“ gesagt hätte… Naja, sie ließ sich dann ein paar Meter vor ihrer Haustüre absetzen, um noch frische Luft zu schnappen, was wiederum in Bewegungen mündete, die alles andere als ungefährlich aussahen. Zudem war unklar, ob sie ihren Schlüssel zu benutzen in der Lage ist…

Jedenfalls bat mich ihr Zeitvertreib, ihr vorsichtig hinterherzufahren, damit wir sichergehen können, dass sie auch heil ins Haus kommt. Respekt. Ich hätte das von mir aus auch gemacht – aber das gestaltet sich ja mitunter schwierig, wenn das Taxameter läuft und ein Fahrgast hinten drin sitzt.

Eine Minute später war sie tatsächlich weg, und ich durfte nun den Weg zurück mit ihm antreten. Ein bisschen genervt war der gute Mann zwar schon, aber er hat es mit Humor genommen, und seinem Gott ein paar englische Flüche entgegengeschmettert, sowie die Bitte, dieser soll wenigstens an diesen Abend und seine Gutmütigkeit denken, wenn sie sich mal treffen. Fand ich irgendwie irre komisch, ich kann mir nicht helfen.

Wir haben uns hier und da über dies und das unterhalten, und als wir ankamen, standen 25,50 € auf der Uhr. Ein wenig derb ist es zwar schon, nach so einer Tour kein Trinkgeld zu bekommen, aber irgendwoher muss ja der miese Ruf kommen, den Italiener in unserer Branche haben. 🙂

Aber gut. Er stieg aus, und ich habe nochmal nach hinten gesehen, ob irgendwas liegen geblieben ist. Tatsache: Ein goldener Ring! Ich fragte ihn, ob es seiner sei, woraufhin er wieder die Arme gen Himmel riss und seinen Gott fragte, ob das das Geschenk für diesen Abend sei?

Da die beiden ihre Nummern ausgetauscht haben, habe ich – entgegen aller guten Vorsätze – beschlossen, jetzt nicht den Ring einzufordern. Irgendwie glaube ich, dass die beiden sich über einen Grund freuen, sich wiederzusehen…

Taxi-Dialoge (3)

Fahrgast: „Ich hab meine Schuhe ausgezogen, des macht nix, oder?“

(ist schon älter, ich hab es nur umkategorisiert, damit es bei den Dialogen gefunden werden kann)

Taxi-Dialoge (2)

Fahrgast: „Ich hab jetzt des Dings umgedingst, ist des schlimm?“

(ist schon älter, wollte es nur umkategorisieren, damit es unter den Dialogen gefunden werden kann)

Unsinnige Kurzstrecken (1)

Steigen vier Leute am Berghain in mein Auto.

„We’d like to go to the Fritz Club…“

„Äh… you know, that the Club is just around the corner?“

„No, we really don’t know anything. Would you bring us there?“

Na klaro. Waren ca. 600 m und 4,20 €. Meiner Kilometer-Statistik tut’s gut 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Wo war nochmal Süden?

Ich kam gerade aus Neukölln über den Hermannsplatz gepfiffen, da wunk mich jemand heraus. War blöd zum Anhalten (linke Straßenseite), aber egal. Jedenfalls nannte er sofort einen Straßennamen, der mir (wie ca. 90% der Straßennamen in Berlin) nichts sagte. Er meinte: „Kein Problem, einfach geradeaus, Parchimer links, ich zeig das dann…“

Ich musste kurz überlegen, dachte noch an die Parchimer Allee in Neukölln und meinte dann: „Kannste mir nochmal sagen, wie die Str. heißt, ich würd’s gerne ins Navi…“

„Nee, lass doch. Wie müssen nur geradeaus, immer Richtung Süden…“

„Äh, wir fahren aber Richtung Norden!“

„Scheiße, hab ich mich schon wieder an die falsche Seite gestellt…“

Falls irgendwelche Stadtplaner das mitlesen: Sorgt doch bitte dafür, dass der Hermannplatz nicht mehr „so symmetrisch“ ist. Meine Fahrgäste scheint das zu verwirren.