Regeln und Wahrnehmungen

Ich fand’s eigentlich nur lustig gestern Abend. Ich stehe am Ostbahnhof, zweite Position in der Schlange. Dann kommt ein Kollege angefahren und stellt sich mit ausgeschalteter Fackel ein Stück vor den ersten Wagen an die Bushaltestelle. Wir anwesenden Fahrer gucken kurz auf, allerdings ist das jetzt kein allzu großes Ereignis. Da halten immer wieder besetzte Wagen, um Kundschaft abzuladen, manche stellen sich da hin, um einen bestellten Fahrgast abzuholen, oder – und das tat obiger Kollege offenbar – um mal kurz auf einen Burger oder eine Sitzung auf der Toilette beim McDonald’s reinzuspringen.

Gut, dafür ist der Platz jetzt nicht supi, aber er liegt halt direkt an der Türe, ne? 😉

Bald darauf, der Kollege war noch im Gebäude, kam ein Zug an. Und mit ihm reichlich Kundschaft.

Nun gibt es ja Regeln im Taxigewerbe. Ganz offensichtlich werden sie alle für ähnlich unwichtig empfunden. Besagter Kollege verstieß im weitesten Sinne (eigentlich stand er ja schon an der Bushaltestelle) gegen §4 der Taxiordnung, wo es unter (1) heißt:

„Auf einem Taxenstandplatz oder einem als „Nachrückbereich“ ausgewiesenen Taxenstandplatz dürfen nur dienstbereite Taxen stehen. […]“

Die Kunden hingegen kannten wie so viele nicht den zweiten Punkt von §4 TaxO:

„Den Fahrgästen steht die Wahl der Taxe frei.“

Und nun? Sammelte sich eine Traube potenzieller Kundschaft um das leere Auto des Kollegen, der wahrscheinlich nur mal schnell seine Blase entleeren wollte und alle quasselten durcheinander. Besonders schön fand ich folgendes Kleinod, dem Kollegen auf Position 1 entgegengebracht:

„Wat is dat denn? Will dat nich‘ fahr’n?“

Nee, das leere Auto will wirklich nicht fahren. 🙂

Der Spuk war freilich schnell beendet, auch ich konnte mit einem holländischen Ehepaar umgehend eine Tour antreten. Aber es blieb ein bisschen die Erkenntnis, dass in manchen Situationen manche Regeln doch auch ganz ok sein können …

Coolness? Check!

Woran es am Ende genau gelegen hat, weiß ich nicht. Vielleicht war es wirklich die Sperrung der Straße der Pariser Kommune auf der Karl-Marx-Allee. Jedenfalls hab ich den wild durcheinandergackernden Spaniern nicht zu viel versprochen.

Sie sind mir aufgeregt ins Auto gesprungen und haben mich gefragt, ob ich wüsste, wo das Klinikum am Friedrichshain wäre. Da waren sie nun wirklich nicht an der falschen Adresse. Das ein oder andere Mal hab ich ja schon Leute dort zur Rettungsstelle gebracht, prominent erwähnt seien hier vielleicht der Zombie und der Mann, der aussah wie Donald Rumsfeld. Wobei letzterer dann ja doch nicht wollte.

Egal. Die Spanier zeigten jedenfalls auf den Krankenwagen, der sich gerade vor dem Yaam langsam in Bewegung zu setzen schien und anschließend fragte meine wuselige Gesellschaft mich, ob ich jenem Wagen hinterherfahren könne. Abgesehen davon, dass ich nicht im Windschatten eines Krankenwagens Kamikaze-Fahrten mache, schien mir die Richtung auch ungünstig zu sein. Wenn der Fahrer nämlich nicht vorhatte, gleich zu wenden, würden sie mindestens bis zur Warschauer Straße gen Osten fahren müssen, tatsächlich unnötig weit. Also hab ich alternativ auf die Andreasstraße gezielt und versprochen, wir würden als erste da sein. Man braucht ja auch Ziele im Berufsleben, nicht wahr? 😉

Ich denke, über die Tempo-30 Zonen schweigen wir einfach, ansonsten war ich nicht wirklich schneller als die Polizei erlaubt, sondern nur schneller als der RTW fährt.

An der Rettungsstelle sahen die vier, die um ihren Kumpel (Alkoholvergiftung oder irgendwas in der Art) bangten, sich nochmal ängstlicher um und fragten, ob ich wisse, wo der Wagen ankommen werde.

„Well, exactly here. And that’s why I have to go now.“

Ich hätte sagen können, was ich will. Die werden ihre letzte Urlaubsnacht hier eh nicht vergessen. Als ich aus dem Tor bin, kam gerade ein Rettungswagen reingefahren. Denke, das hat gut gepasst. 😉

Poser ohne Handy

Der ein oder andere mag jetzt eine entzückende Geschichte über möchtegerncoole Fahrgäste voll triefender Ironie erwarten, tatsächlich spielt die Überschrift auf mich an.

Rumgepose ist eigentlich alles andere als mein Stil, gestern Abend hab ich’s aus beruflichen Gründen getan. Aus freiberuflichen Gründen. Ich hatte vor ein paar Wochen ein sehr ausgiebiges Interview mit einem sehr netten Journalisten der Berliner Zeitung. Der hat glaubhaft Interesse an meinem Blog bekundet und mit mir ein völlig ergebnisoffenes Gespräch geführt. Was die Quintessenz im Print-Artikel sein würde, war bis zuletzt unklar, abgeklappert haben wir alles von Verkehrspolitik bis zu untreuen Fahrgästen. Obwohl es mir schwerfiel, dieses erste „richtige“ Interview abzunicken (sowas besteht halt nur teilweise aus dem genauen Wortlaut), finde ich es nach ein, zwei vorgeschlagenen Änderungen wirklich schön. Gestern war dann der Foto-Termin.
Der schon am Telefon äußerst gelassene Fotograf, den ich vorgestern schon einmal versetzen musste, erwies sich vor Ort als noch viel cooler als erwartet. Obwohl die Lichtverhältnisse nachließen, ich ziemlich eigenwillig parken musste und er ständig neue Ideen hatte, haben wir eine sehr spaßige Viertelstunde miteinander verbracht. Wie das Ergebnis aussehen wird, weiß ich nicht – ich weiß nur, dass ich sicher wieder einmal viel zu dick rüberkommen werde. 😉
Lustig war die Session unweit des Frankfurter Tors vor allem wegen der anderen Leute: Ein halb auf dem Gehweg geparktes Taxi und ein Typ in schwarzen Klamotten, der sich vor einem Fotografen ans Auto lehnt, weckt Interesse. Irgendwann kam sogar eine Kellnerin aus dem nächsten Restaurant und sagte:

„Unsere Kunden können sich gar nicht mehr konzentrieren und wollen wissen, was sie hier machen. Machen sie Fotos für Werbung?“

Sicher. Und ich bin auch nur meiner Oberweite wegen Model geworden … 🙂

Als der Fotograf dann auch noch zufällig auftauchende Passanten bat, für ihn doch bitte kurz mal den Blitz zu halten, war die ganze Szene endgültig kurios. Dass meine 15 Minuten Ruhm sich auf ein paar Jahre strecken, hab ich schon bemerkt – nach all dem Trubel war ich aber froh, schnell wieder wegfahren zu können.

Auch meines Handys wegen. Das nämlich hatte schon am Vorabend ordentlich gezickt und hat nach einer kleinen Rettungsaktion meinerseits komplett die Flügel gestrichen. Was geringfügig schade ist, da ich es inzwischen ja gerne für alles benutze unterwegs. Das geht heutzutage wohl den meisten so – für mich ist es ein relativ neues Gefühl, das sich erst mit dem wirklich guten aktuellen Modell eingeschlichen hat.
Zunächst hatte ich die Hoffnung, dass sich das alles mit nur ein paar Handgriffen klären lassen würde – am Ende saßen Ozie und ich ungefähr 6 Stunden vor 2 bis 4 Bildschirmen, ohne einer wirklichen Lösung auch nur nahe zu kommen. Das Gerät liegt derzeit frisch formatiert und dennoch bootunfähig auf meinem Nachttisch. Schlimmer geht es wohl kaum. Als Vorteil ließe sich allenfalls verbuchen, dass ich mich erstmals mit dem Betriebssystem auseinandergesetzt und dabei eine Menge gelernt habe. Langfristig eine gut investierte Zeit, heute Nacht aber fehlten mir 200 € Umsatz. 🙁

Was folgt aus all dem?

1. Ihr könntet mich demnächst in der Berliner Zeitung sehen.

2. Ich frage den ein oder anderen nach seiner Handynummer, weil ich die vielleicht verömmelt hab.

Ansonsten ist alles beim alten. Ich hab noch ein paar Tage Besuch und komme nur selten ins Netz, desweiteren freue ich mich in dieser frühen Monatsphase überdurchschnittlich viel über Amazon-Klicks. Und ich wünsche Euch einen schönen Sonntag, das ist ja klar. 😀

Eingeschränkt verkehrsfähig

Eingeschränkt verkehrsfähig – eine Wortkombination, die einem so im normalen Haushalt selten begegnet, die aber bestimmt viele lustige Haupt- und Nebenbedeutungen erhält, wenn man mit ein bisschen Interesse in der juristischen Fachliteratur blättert. Mir fallen derartige Begriffe immer dann ein, wenn es eigentlich nicht wirklich passt.

Bei dem quirligen jungen Radfahrer etwa, der mich an der Kreuzung Adalbert-/Köpenicker Straße zum Halten aufforderte. An … pah! AUF der Kreuzung! Während ich für einen kurzen Fingerzeig in Richtung eines gesuchten Clubs durchaus Zeit gehabt hätte, weil ich in dem Moment alleine dastand, schien ihm die etwas exponierte Lage, in der ich die zwei Straßen gleichzeitig unbefahrbar machte, genau der richtige Platz zu sein, mit mir mal ein bisschen über die Option einer anstehenden Tour zu quasseln. Ich lasse mir ungern nachsagen, mit der StVO überpingelig zu sein, aber sowas verstehe ich nicht.

Entsprechend hab ich ihn auch stehengelassen und bin erst einmal weitergefahren, um mich hinter der Kreuzung an den Straßenrand stellen zu können – was in dem Fall von der Sache her zwar kaum viel legaler war, aber auf einen Schlag 95% der Dreistigkeit verfliegen ließ.

So besonders aufschlussreich war sein Angebot nicht. Er fragte mich, ob ich „such a bike“ – eines von diesen DB-Dingern einladen könnte und erklärte dann, dass es eigentlich um einen Kumpel geht, der „somewhere there where the music is“ auf uns warten würde. Da er mir die „few meters“ vorausfahren wollte, hab ich die Uhr erst einmal nicht angemacht. Hätte ich können, aber in so einem unsicheren Fall sind mir 1,50 € mehr nicht den potenziellen Stress einer Fehlfahrt wert. Ich begriff schnell, dass es zum Yaam gehen sollte, was nicht nur so gegenüber des Ostbahnhofs liegt, dass es beinahe sowieso auf dem Weg lag, sondern das Level der Verpeiltheit der Protagonisten auch gut erklärte.

Tatsächlich klappte dann alles. Der Kumpel stand ewartungsvoll da und wir machten uns umgehend ans Einladen seines Fahrrades, welches ebenfalls allenfalls eingeschränkt verkehrsfähig war. Der Held hatte irgendwas mit dem Code dieses Teils versemmelt und es blockierte jetzt die Weiterfahrt. Ich hab zwar keine Ahnung, wie die Dinger genau funktionieren, aber ich vermute, er hätte das Ding auch an die Station am Ostbahnhof stellen können. Er aber wollte zum Oranienplatz – was für mich zwar nicht gerade eine umwerfend ergiebige Tour sein würde, aber immer noch besser als auf eine solche erst einmal noch eine halbe Stunde zu warten. Von der Straße weg freut man sich ja über alles.

Das DB-Rad erwies sich zudem als völlig unzickig beim Einladen, so dass wir noch innerhalb der kostenfreien Warteminute des inzwischen angestellten Taxameters lospreschen konnten. Darüber, ob der Kerl nicht im Grunde noch weniger in der Lage war, am Straßenverkehr teilzunehmen als sein deaktiviertes Fahrrad, versuchte ich mir nicht allzu viele Gedanken zu machen. Vielleicht leistete ich einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit in Kreuzberg in diesen Stunden, wer weiß?

Die Fahrt war jedenfalls problemlos, und die am Ende auf der Uhr stehenden 6,60 € las ich mit etwas zu viel Schwung vor, bevor mir einfiel, dass mir des Fahrrades wegen noch ein weiterer Euro zustehen würde. Da grinste mich mein Passagier von der Seitenbank aber bereits an und reichte mir mit großzügiger Geste einen Zehner, den ich natürlich auf jeden Fall für meine Nettigkeit behalten müsste. Da hatte ich auch keinesfalls vor, Widerstand zu leisten. 😉

War also alles in allem eine ganz nette Fahrt. Wird mich wahrscheinlich trotzdem nicht davon abhalten, den nächsten Kerl wieder für allenfalls „eingeschränkt verkehrsfähig“ (oder so ähnlich) zu halten, wenn er mich mitten auf einer Kreuzung auf einen Plausch einlädt.

Dieses Verkehrsdings …

…ihr wisst schon. Das mit den vielen Autos in einer Reihe, die alle hupen und wo man ohne Dachschaden nicht mehr rauskommt.

Also Stau.

Im Großen und Ganzen kann bin ich ja in der glücklichen Situation, aufgrund meiner Arbeitszeit staufrei zu leben. Klappt leider nicht immer. Zunächst war ich noch froh, dass mich die Winker in der Mühlenstraße weit unten erwischt haben. In der O2-World war gerade ein Konzert vorbei und dann ist der Irrsinn dort ja nicht mehr zu stoppen. Das Ziel der drei jungen Damen lag wenigstens halbwegs vernünftig, denn ich konnte kurz wenden und über Kreuzberg fahren – es ging nämlich bis nach Schöneberg.

Dass es inzwischen aber genügend andere Leute geschafft hatten, das Gedränge ebendorthin zu verlagern – das hat mir mal wieder keiner gesagt. Glücklicherweise sind Konzertgängerinnen auf dem Weg ins Hotel nicht so sehr von Hektik beseelt wie nachtverkehrsgewöhnte Taxifahrer! Sie haben es mit absoluter Gelassenheit hingenommen, dass ich sage und schreibe 25 Minuten gebraucht habe, um auch nur bis zum Kotti zu kommen. Gefühlt hätte ich in der Zeit zwischendrin nicht nur nach Schöneberg fahren können, sondern gleich noch mit einer Rücktour wieder zum Ausgangspunkt zurück. Das wäre zwar ein bisschen arg sportlich gewesen, aber allemal unterhaltsamer als das ewige Rumstehen.

Und 16 € wirken plötzlich gar nicht mehr so toll, wenn man dafür am Ende wirklich eine Dreiviertelstunde Fahrgäste an Bord hat – so nett sie auch waren.

Ich verneige mich in diesem Sinne einmal mehr von meinen am Tag fahrenden Kollegen. Ich könnte den Job wahrscheinlich wirklich nicht machen, inmitten dieser … ihr wisst schon.

Die 100%-Tour

Es gibt Dinge, die passieren einem als Taxifahrer nur sehr selten bis gar nie. Etwas leichter hat man es, wenn man nebenher schreibt und einen Haufen Leser hat, die wissen, was man mag und was nicht. Von so einer – zu 100% perfekten Tour – handelt dann wohl dieser Eintrag.

Die Uhr wehte frisch und der Wind stand auf kurz nach halb eins. Oder so. Ich stand am Ostbahnhof, dritte Rücke, die nächste Fahrt so in etwa einer halben Stunde in Aussicht. Am Samstagabend sind die toten Stunden zwischen 0 und 2 Uhr nicht ganz so extrem, aber immer noch spürbar. Ich schaute ein wenig um mich, als mein Blick an einem bekannten Gesicht hängen blieb. Und das bei meiner Gesichtsblindheit! Aber ich hatte mich nicht vertan, denn das bekannte Gesicht blickte erfreut zurück und der zu dem bekannten Gesicht gehörige Mund formte betont beiläufig folgende Worte:

„Na, wir kennen uns doch!“

Allerdings.

Christian, seines Zeichens Anwalt aus der Nähe von Hamburg, saß schon einmal bei mir im Taxi und ist Blogleser und (Selten-)Kommentator der ersten Stunde. Das konnte kein Zufall sein!

War es auch nicht. Zwar hat die Bestellung bei myTaxi nicht geklappt, da uns beiden ungefähr zeitgleich das Programm abgeschmiert war – aber dank meines Trackers (dafür hab ich den also!) hat er – und das ist etwas Neues – sich extra in die Bahn gesetzt, um zu mir zum Taxi zu fahren.

„Ich bin zufällig in Berlin und wenn’s Dir recht ist, dann würde ich vorschlagen, wir fahren ein bisschen rum, gehen bei laufender Uhr einen Döner essen und Du bringst mich danach irgendwann ins Hotel zurück. Wäre das ok?“

Ob das ok wäre? Na, aber hallo!

Und dabei bin ich zunächst noch davon ausgegangen, dass wir nur mal eben nach Kreuzberg rüber zum nächsten Döner gurken. Stattdessen interessierte sich Christian aber für so allerlei Blog-spezfische Plätze und schlug vor, ich könne ihm auch gerne meinen Heimatbezirk Marzahn zeigen. Stopp an einer Bank und an einem Döner allerdings obligatorisch!

Ich hab mich anfangs ein bisschen schwer getan damit. Ziellos durch die Gegend fahren ist nun wirklich so ziemlich das Letzte, in dem man irgendwie Übung hat nach viereinhalb Jahren im Taxi. Immer geht es nur um die kürzeste Strecke, den schnellsten Weg und das letztendliche Ziel. Und nun das. Ich hab mir aus dem Ärmel eine immer noch relativ geradlinige Route nach Marzahn einfallen lassen und ihm nebenbei die Abstellplätze des Autos und alles auch nur halbwegs interessante gezeigt. Aber im Grunde war sogar das nebensächlich, denn wir haben uns vor allen Dingen gut unterhalten.
Am Ende haben wir tatsächlich im Eastgate Geld geholt und beim Döner vor meiner Haustüre gemütlich was gegessen und getrunken. Und uns weiter unterhalten. (Gemeinsamer Buchtipp übrigens: Oliver Sacks – Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte)

„Ich wusste, dass es gut wird. Aber dass es SO gut wird …“

Da konnte und kann ich auch jetzt noch nur beipflichten!

Und all das, während die Uhr in der 1925 weiter vor sich hintickte. Wenngleich die Auslegung meiner Bestellung seitens des Personals beim Döner etwas abenteuerlich war, hatten wir also unsere Unterhaltung und führten diese bis zum Ende der üppigen Portionen fort. Selbst eine Raucherpause gestand mir mein Fahrgast noch zu, während ich immer noch nicht wirklich loslassen konnte von meiner Sorge, dass ich doch wenigstens dafür die Uhr kurz … ich bin wahrscheinlich wirklich unverbesserlich.

Auf dem Rückweg nahmen wir noch ein paar Eindrücke aus Marzahn, Lichtenberg und Friedrichshain mit – und nach ein bisschen Club-Sightseeing standen wir ungefähr eindreiviertel Stunden nach unserer Begegnung vor seinem Hotel und haben uns ausdauernd verabschiedet. Die Uhr zeigte knapp über 65 € an und ich nenne den Betrag nur, damit man ungefähr eine Vorstellung hat, was folgender Satz beim Bezahlen zu bedeuten hat:

„Ich weiß ja, Du magst keine großen Scheine. Aber wenn ich sage ‚Stimmt so!‘, dann geht das hoffentlich …“

Ja, es ist wahr. Die Truppe lustiger Jugendlicher mit ihrem Mördertrinkgeld haben in der Schicht leider nur den zweiten Platz gemacht. Dass mir an diesem Tag nichts mehr die Laune verderben konnte, ist wahrscheinlich verständlich, oder? 🙂

Kleines PS:

Das ist natürlich ein Erlebnis, das ich nicht meinem Beruf als Taxifahrer zu verdanken habe. Christian hat sich ausdrücklich für mein regelmäßiges und gutes Schreiben bedankt, was ich sehr zu schätzen weiß. Und ich möchte auch den Eindruck zerstreuen, das sei für mich einfach ein tolles Geschäft gewesen. Natürlich ist so eine Tour der Hammer und unter dem Gesichtspunkt hab ich’s hier natürlich auch runtergetippt. Aber übers Finanzielle hinaus war es einfach ein netter Break, eine kleine Pause im wuseligen Wochenendbusiness, ein bisschen Erholung nebst viel Spaß. Christian möchte ich zu diesem Anlass natürlich besonders danken, aber es ist ja nicht das erste nette Erlebnis mit Euch Lesern. Und ich glaube sagen zu können, mit allen von Euch Spaß gehabt zu haben.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Autobahn-Tempolimit

Da isses wieder. Ausgerechnet Sigmar Gabriel hat derletzt das Tempolimit auf deutschen Autobahnen mehr oder weniger versehentlich mal wieder ins Gespräch gebracht – obwohl für rufschädigende Auftritte in der SPD doch eigentlich Kanzlerkandidat Steinbrück zuständig ist. Sachen gibt’s.

Ich finde, ich sollte zum Tempolimit auf der Autobahn als Berufskraftfahrer auch mal was sagen. Und das ist ganz klar:

Mir als Autofahrer gefällt das nicht!

Darüber hinaus bin ich aber auch Gehirnträger und Mensch. Und da sieht es anders aus: Ich halte es für eine gute Idee!

Dass ich den Shitstorm jetzt ertragen muss, ist klar. Aber ich möchte das doch für einen Moment näher beleuchten. Als Autofahrer hab ich – wie oben geschrieben – echt was übrig für’s gepflegte Heizen. Das ist aber auch das Einzige, was für eine Freigabe spricht: Ein bisschen Spaß am Fahren. Den will ich nicht kleinreden, auch mir ist in meinem Job der Spaß am Fahren wichtig. Aber vom offensichtlichen Symbolcharakter der Thematik abgesehen: Ist das alles andere wert?

Die Vorteile einer Geschwindigkeitsbegrenzung sind sicher erst einmal begrenzt. Es würde natürlich nicht die Verkehrstoten auf Null reduzieren und nicht das Klima retten. Es würde allenfalls hier und da ein bisschen positiv wirken. Je nach Ausgestaltung im Übrigen, die Festlegung auf eine Zahl will ich mir da echt nicht auch noch ans Bein nageln. Aber hey: Immerhin weniger Tote und weniger CO2. Und als Gegenargument steht immer noch:

Nur der Spaß am Fahren.

Wichtiger sind in meinen Augen aber ohnehin die indirekten Auswirkungen: Wie stehen die Chancen, dass in Zukunft Autos besser an den alltäglichen Anforderungen gemessen konstruiert werden – wenn Deutschland als letzter ernstzunehmender Industriestaat auch keine Geschwindigkeiten jenseits von 200 km/h mehr zulässt? Wieviel landschafts- und umweltschonender lassen sich künftige Autobahnen trassieren, wenn sie geringere Kurvenradien z.B. vertragen würden? Welche positiven Auswirkungen auf die Statussymbolträchtigkeit von unwirtschaftlichen und umweltschädlichen Autos hätte es wohl, wenn diese im Alltag einfach nicht sinnvoll nutzbar wären? Wie sähe es mit der Attraktivität der Bahn aus, wenn man sich nicht einreden könne, theoretisch doch in dreieinhalb Stunden von Berlin nach Stuttgart zu kommen?

Sicher, das stößt uns erst einmal bitter auf, jetzt wo endlich auch fast alle unsere Kleinwagen die 200 km/h schaffen. Aber warum? Ist das nicht eigentlich nur eine Gewohnheit, die abzulegen gar nicht so doof wäre? Und wie viel unserer Zeit verbringen wir denn eigentlich wirklich auf freigegebenen Strecken ohne Stau und schlechte Witterungsbedingungen – also wirklich jenseits von 130 – 150 km/h?

Und wir haben auf Autobahnen Geschwindigkeitsvorschriften. Nicht nur auf einem Drittel, wie oft einseitig berichtet, sondern auf 100% ihrer Länge: Fahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit unter 60 km/h dürfen dort nicht fahren. Das wird auch von niemandem scharf angegriffen, obwohl auch das nur der Sicherheit dient: Damit die Geschwindigkeitsunterschiede nicht zu Unfällen führen. Seit der Erbauung der Autobahnen haben sich die Geschwindigkeiten jedoch deutlich nach oben entwickelt. Während LKW zwar immer noch mit 80 über die Straße „kriechen“, schafft jeder Mittelklasse-Wagen die 200 km/h in überschaubar kurzer Zeit. Inwiefern 200 km/h vs. 80 km/h ungefährlicher sein sollen als 50 km/h vs. 80 km/h, ist rational nicht begründbar. Von Extremen über diese Werte hinaus brauchen wir da gar nicht reden.

Unsere Autos sind vergleichsweise sicher, sie liegen gut auf der Straße und wir haben eine Menge gute Autofahrer da draußen. Das will ich alles nicht anzweifeln. Ich sehe mich selbst nach 10 Jahren Arbeit im Fahrdienst als geübten Fahrer und ich wünsche mir manchmal, es wären alle so vernünftig und versiert. Aber im Gegensatz zu Rennstrecken mit halbwegs fairen Bedingungen unter den Teilnehmern (betreffend sowohl Übung als auch Fahrzeugstärke) ist der öffentliche Verkehr ein Raum mit unterschiedlichen Mitspielern. Auf Autobahnen fahren sowohl extrem geübte – aber langsame – LKW- und Busfahrer, ängstliche Kleinwagenfahrer, versierte Limousinenchauffeure, tollkühne Motorradfahrer und übermotivierte Supersportwagen-Besitzer. Hierbei sind die Adjektive willkürlich austauschbar, wer kennt nicht die tollkühnen Kleinwagenreiter?

Und (glücklicherweise!) hat keiner von denen mehr Rechte oder Pflichten als jeder andere. Sie alle dürfen unter der Berücksichtigung der anderen eine Autobahn nutzen, um ihr Ziel zu erreichen.

Anstatt zu akzeptieren, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn ähnlich sinnvoll sein könnte wie die auf allen (!) anderen Straßen, erklären die Deutschen hier lieber die Technik (und damit, wenn wir ehrlich sind, die finanziellen Möglichkeiten) des Einzelnen zur Grenze des Erlaubten? Wieso eigentlich?

Ich bin – die meisten Leser sollten das inzwischen wissen – wahrhaftig kein Befürworter eines „starken Staates“. Ich tendiere immer und immer wieder zur Maxime „Freiheit statt Angst!“. Freiheit ist wichtig! Gesellschaftlich, politisch, psychisch, in allen Lebensbereichen!

Aber bei der Geschwindigkeitsfreigabe geht es nur um den Spaß am Fahren! Einen Spaß, für den man meinetwegen dutzende Rennstrecken alleine rund um Berlin bauen kann. Und wo sind eigentlich die 50 bis 80% Freiheitsbefürworter bei Themen, bei denen es nicht nur um ihren eigenen Spaß geht? Bei Themen wie der Drangsalierung von Arbeitslosen, beim Leistungsschutzrecht, bei der Reisefreiheit von Asylbewerbern etc. pp.?

Wir – und an der Stelle schließe ich mich gerne mit ein – wollen gerne schnell fahren. Das ist ok, uns als Autofahrern macht das eben Spaß. Aber verdammt nochmal: Selbst ich als Taxifahrer bin nur Teilzeit-Autofahrer – aber Vollzeit-Gehirnbesitzer.