Fahrtkombinationen

Man wundert sich ja nur selten darüber, wo die Kunden hinwollen. Man mag vielleicht diese oder jene Location selbst nicht, aber aus Sicht der Kundschaft ist das eben was anderes. Die Menschen sind verschieden, so ist es halt. Hellhörig wird man aber, wenn Kundschaft, Start und Ziel einfach nicht zusammen passen wollen.

Eigentlich begegnet einem derlei ja schon bei der mündlichen Ortskundeprüfung. Da könnte es passieren, dass einen die Prüfer vom Unfallkrankenhaus zur Spielbank fahren lassen, von Marzahn ins Hotel Adlon oder von der TU zur Julius-Leber-Kaserne. OK, letzterer war etwas gemein. 😉

Aber ja, an sowas hab ich vorher denken müssen, als ich zwei Fahrgäste von einem Auto-Tuning-Event zu einem veganen Bio-Hotel gefahren hab. Ich will die kleine Randgruppe veganer PS-Freunde echt nicht vors Schienbein treten, aber: Euch gibt’s nicht! 😀

Und ungeachtet dessen, ob das jetzt nur blöde Klischees meinerseits waren, ich hatte recht:

„Is ja so’n Bio-Hotel, veganes Essen und so … haben wir ja nicht selbst gebucht. Aber egal, hauptsache einen Platz zum Pennen.“

Wortklaubereien

Ich hatte überraschend einen Winker, der weit in den Westen wollte. Juhu! \o/

Mein gar nicht so uncleverer Weg führte unter anderem über die Tiergartenstraße, die insbesondere dank dem für die Fanmeile gesperrten 17. Juni ganz gut befahren war. Aber das natürlich nur im Nachtschichtsinne. Tatsächlich sind wir da locker mit 50 langgegurkt und im Gegenverkehr lief es ähnlich. Als wir kurz vor der Hofjägerallee waren, hielt es auf der Gegenspur aber ein Porsche-Fahrer nicht mehr aus, überholte den Wagen vor sich und kam uns ein bisschen arg schnell auf unserer Spur entgegen.

Grund zur Sorge hatte ich nicht, denn es war genug Platz zur Seite vorhanden. Ich konnte etwas weiter rechts fahren und der Typ hat sich sowieso nicht drum geschert, den vor sich am Ende noch zu schneiden, um ihm mal zu zeigen, wie gefährlich verkehrsregelkonformes Fahren so ist.

Da ich also nicht hektisch reagiert habe, dachte ich gar nicht, dass mein in sein Smartphone vertiefter und hinten sitzender Kunde das überhaupt mitkriegen würde. Aber Fehlanzeige:

„Ui, das hätte fast gescheppert!“

„Ja, das war schon mutig.“

„Nein, das war strunzdumm!“

Ich möchte mich hiermit für meine unangebrachte Wortwahl entschuldigen. Der Fahrgast hatte natürlich recht. 🙂

Drittsprachen-GAU

Die Schicht war gelaufen, der Umsatz war gut, das Wochenende rief. Das Auto war geputzt und betankt und die Bahn würde mich in 13 Minuten heimbringen. Die 13 Minuten würde ich auch brauchen, denn ich musste all mein Zeug aus dem Auto pflücken, den Abschreiber ausfüllen, den Taxischlüssel im Tresor hinterlegen und am Ende noch zur Bahn watscheln. Doch dann winkt da einer, keine 100 Meter vom Hauptquartier entfernt.

Uff.

Aber naja, an einem anderen Tag würde ich ewig auf den Umsatz warten.

Also hab ich ihn eingeladen und er hat mir die Zieladresse mal eben auf dem Handy gezeigt. Soweit alles toll und easy. Nun war er aber sehr erfreut, einen netten Taxifahrer, und ich umgekehrt, einen netten Kunden zu haben. Also quatschten wir drauf los und stellten schnell fest, dass das problematisch war: Wir fanden keinen gemeinsamen Nenner. Ich bin gut in Deutsch und Englisch, er konnte nur Französisch.

Ausgerechnet! Hätte er nicht wenigstens Spanier sein können! Da hätte ich mich auf den Ich-hab-keine-Ahnung-was-Sie-von-mir-wollen-Standpunkt zurückziehen können. Aber das kann ich bei Französisch nicht.

Was viele von Euch vielleicht nicht wissen: Ich hab einen Haufen mehr Französisch in der Schule gehabt als die meisten von Euch. Es war meine erste Fremdsprache, noch vor Englisch, und ich war in einer Schule, in der ich das französische Abi hätte machen können. Ich hatte in mehreren Schuljahren einige Unterrichtsfächer auf Französisch und sollte das viel besser können als Englisch – obwohl ich später in den Englisch-Zug gewechselt habe.

Alleine: Da ist nix mehr.

Ja, ich verstehe Französisch teilweise ganz gut und würde nie so ungeschickt wie mein Vater dereinst in Frankreich einen „Finn Ruusch“ ordern, wenn ich einen Wein wollte, aber gute Aussprache und passives Vokabular machen einen nicht gerade zu einem begnadeten Sprecher. Ich hab mein Französisch seitdem eben nur selten gebraucht.

Aber nun saß der Typ im Auto und nachdem ich ihm quasi akzentfrei gesagt hatte, dass ich 7 Jahre Französisch in der Schule hatte, wusste ich nicht mehr weiter. Und er entsprechend auch kaum. Er jedoch hat sich entschuldigt und gemeint, er hätte wohl doch mal besser Englisch gelernt. Insgesamt schien er sich aber sehr zu freuen, wie das am Ende alles geklappt hatte. Denn nach seiner reichlich verspäteten Ankunft am Flughafen hatte er die S-Bahn genommen, die dann (zumindest für ihn) aus unersichtlichen Gründen in Schöneweide stoppte und nicht mehr weiter bis in die Stadt hinein fuhr.

Auf der Uhr standen am Ende 11,70 € und das schien ihn auch eher positiv überrascht zu haben. Denn nachdem ich ihm sein Wechselgeld auf 20 € auf Heller und Cent zurückgegeben hatte, eiste er nicht etwa ein paar Münzen aus dem Portemonnaie, sondern gab mir gleich den Fünfer wieder zurück und bedankte sich.

Für den Fünfer hab ich mir dann am Bahnhofskiosk drei Bier geholt, denn immerhin war da ja noch die Sache mit meiner am Ende dann doch verpassten Bahn und ich hatte ja Wochenende. Ich hoffe, seines ist dann eben so gut weitergegangen, wie meines gestartet ist. 🙂

Ja, hack noch drauf rum!

„Ja, machen Sie das Navi ruhig an, die Straße kennt eh niemand!“

So lobe ich mir den Einstieg mit Senioren, die bis nahe an die Stadtgrenze wollen, doch!

Dachte ich.

„Wissense, ich fahr ja immer über Treptow, aber der Weg soll ja kürzer sein.“

DAS hätte ich auch anhand des Stadtteils alleine sagen können, da hätte ich die Straße nicht ins Navi tippen müssen! Aber egal, kommen wir zum Ende einer sehr unterhaltsamen und vergnüglichen Fahrt, bei er wir uns prima über zig Themen unterhalten und kurz davor waren, die Telefonnummern auszutauschen. Rein geschäftlich, versteht sich.

„Na, das ist ja wirklich sehr kurz. Das sind sicher 6 Euro weniger!“

„Ich hätte ähnliches jetzt auch vermutet.“

„Sehr gut. Ich meine, ich mag die andere Strecke. Und wenn mehr Verkehr ist, dann ist die sicher auch nicht schlecht …“

„Das kann natürlich sein. Ich bekomme jetzt jedenfalls 24,90€ von Ihnen.“

„Na, dann machen Sie mal 26. Neulich hat mich das ja fast 32€ gekostet!“

Ähm.

Ich will echt nicht undankbar wirken und ich halte nach wie vor niedrige Trinkgelder nicht für bloggenswert. Ein Euro mehr als nötig ist ein Euro mehr als nötig. Bei 25 € allerdings auch deutlich unter 5%, damit auch deutlich unter den 10 üblichen Prozent. Alles kein Problem, kein Grund, sich zu ärgern! Mir wurden schon etliche 29€-Touren mit 30 beglichen und Ihr habt nix davon gelesen. Weil es dazugehört, natürlich. Aber einen unterdurchschnittlichen Euro geben mit dem Hinweis, bisher habe man immer 6 (!) Euro mehr bezahlt?

Ich bring’s echt nicht übers Herz, das dreist zu nennen. Dafür bin ich zu sehr der Überzeugung, dass Trinkgeld freiwillig ist. Und ich  hab auch nicht erwartet, dass sie nach dem Satz auf 32 aufrundet. Aber einen oder zwei Euro mehr als das, was sie gegeben  hat schon, das muss ich zugeben. Denn ein bisschen bleibt dann schon hängen, dass alle Kollegen außer mir ja immer mehr Geld an der Tour verdient haben, meine Kundin immer mehr ausgeben musste, und ich jetzt halt der Arsch bin, der endlich mal nicht so viel bekommen muss.

Dieses Gefühl streift mich trotz vielerlei Anlässe sehr selten. Aber hier muss ich es mal erwähnen.

Den nehmen wir auch noch mit!

Der Kunde kam am Ostbahnhof schwer beschäftigt mit einem Handytelefonat an. Mir ging es derweil spitze, ich hatte überraschend schnell Umsatz gemacht in der Schicht und mir fehlten nur noch knapp 50 €, um ins Wochenende zu starten. Wo immer er auch hinwill: Er würde einen signifikanten Anteil an der Sache haben, also nehmen wir den noch mit!

Statt zu mir quatschte er ins Handy, aber nach kurzer Zeit vermutete ich schon, er würde es an mich weiterreichen, da er kaum deutsch sprach. Ich vernahm ein „S’Banoesfelde“ und fragte einfach mal proaktiv nach:

„S-Bahnhof Ahrensfelde?“

„Ja.“

BÄM! Knappe 30.

Mit Trinkgeld sogar sehr genau; und das, obwohl er nach drei Vierteln des Wegs plötzlich anfing, mir eine Straße dort in der Nähe zu buchstabieren. Ich war anfangs etwas ernüchtert, denn es ist schade, sich mit Fahrgästen nur der Sprache wegen nicht unterhalten zu können, aber frei nach Aussehen, Zieladresse und geschichtlicher Entwicklung schlußfolgerte ich, dass es wohl ein Vietnamese war und ich da echt nix machen konnte. Aber was soll’s? Gute Tour, und Schweigen ist ja nicht das Schlimmste. Mein Fahrgast beschäftigte sich mit seinem Telefon. So lange ihm nicht langweilig sein sollte, ist es ja egal. Ich hab ja den Straßenverkehr, um mich zu konzentrieren.

Am Ziel ein Paar (für Taxifahrer) wunderbare Wortfetzen zwischen uns:

„Kanndu fun Minud waade?“

Ey, so schlecht war sein Deutsch ja gar nicht!

„Sicher.“

„Un dann su-uk?“

„Zurück?“

„Ja.“

„Ja. Aber lassen Sie mir bitte etwas da! Geld oder etwas anderes.“

„Sahle dreißig. Waade? Fun Minud?“

„OK. Kein Problem. Die Uhr stoppen und eine neue Fahrt oder weiterlaufen lassen?“

„Mache stop! Stop ok?“

„Ist ok.“

Sicher: Eine ausführliche Tarifaufklärung sieht anders aus. Und stoppen müssen hätte ich das Taxameter gleich dreimal nicht. Nur wäre das alles vergleichsweise schwierig zu klären gewesen. Kommunikation kann auch über enorme Sprachbarrieren hinweg sehr einfach sein, aber wenn es an Wenn-Dann-Konstruktionen und andere Kausalitäten geht, wird es schnell schwierig. Und ich sehe das als einen unklaren Fall. Ja, natürlich hat er mich gebeten zu warten und so gesehen auch die Wartezeit zu bezahlen. Andererseits ist so eine lange Tour ja auch deutlich teurer, wenn man sie neu startet: 3,90 € Startpreis + 7 x die 0,50 € extra bei den Kilometern fallen da alleine als Mehrpreis an. Dafür kann man einige Minuten warten!

Und auch die Vorteile waren eigentlich fair verteilt: Ich hätte wohl, wäre ich abgehauen, bis weit in die Stadt zurückfahren müssen, um neue Kundschaft zu kriegen; er hätte vermutlich einige Zeit gebraucht, ein Taxi zu bekommen.

In Anbetracht der Sprachbarriere war es wohl ok, dass ich einfach gewartet habe und er für den Rückweg den ziemlich genau selben Preis wie für die Hinfahrt erwarten konnte. Mir hätten 5 Minuten mehr Wartezeit nicht wehgetan, und meinem sehr pünktlichen Fahrgast ging es mit den vielleicht 2 € Mehrkosten bei unserem Arrangement ähnlich. Immerhin hat er beide Fahrten auf 30 aufgerundet.

Und so hab ich wider Erwarten schon mit „einer“ Tour mein Soll erreicht gehabt. Aber da ich eh wieder am Ostbahnhof war und das einem Kollegen unter die Nase reiben musste, ging es danach sogar noch weiter. 😉

Alles wichtige schnell abklären

Eine ältere Frau stieg mir während des gestrigen Deutschland-Spiels ins Auto und fragte nach der Vergewisserung, ob es immer noch 1:0 stehe:

„Und, hat der Gauland noch irgendwelchen Mist verzapft, während ich weg war?“

<3

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Da lang?

„Hi, wir hätten eine Frage: Zum Fritzclub*, wo müssen wir da hin? Da lang?“

Sprach’s und deutete auf die Mühlenstraße.

„Kann man machen …“,

hab ich geantwortet.

„Aber einfacher wär’s, gleich das Gebäude hier vorne zu nehmen.“

Die Gruppe hat gelacht, sich bedankt, alles prima. Dann hab ich zu dem Kollegen, mit dem ich mein Gespräch wegen dieser Anfrage unterbrochen hatte, gemeint:

„Ich mag’s, wenn sie noch so klein sind. Da lachen sie auch über den letzten Bullshit.“

Da hat er dann auch angefangen zu lachen.

Ich mag’s, wenn die Leute um mich rum lachen. 🙂

*Ja, der Club heißt inzwischen Postbahnhof- oder Pbhf-Club, aber sie haben selbst den alten Namen verwendet.