Dass die Schicht nicht sonderlich gut werden konnte, ahnte ich bereits, als mir gestern an der Firma ein Kollege gleich was vorjammerte und zwei Stunden später einer, der mit mir zusammen begonnen hatte, spontan das Handtuch schmiss und angeln gegangen ist. Was man halt so macht.
Ich gab mir die Kurzstreckenorgie ein paar Stunden und wusste insbesondere nicht, was ich hier heute schreiben könnte. Ebenso wie die durchschnittlich 7,75 € bringenden Touren war die Kundschaft dazu: Langweilig.
Dann aber stand da der junge Typ am Ostbahnhof und quatschte vor mir zwei Fahrer an, ist aber bei allen abgeblitzt. Das wirkte immerhin mal interessant. Als er dann bei mir ankam, fragte er mich erst mal nach Feuer und dann, ob ich ihn erst zu einer Bank bringen könnte und ob wir anschließend was essen gehen würden.
Ich hab ihm Feuer gegeben, ihm gesagt, dass ich nichts essen will, ich ihn aber natürlich gerne hinbringen würde, wo immer er hinwolle. Ja, er bräuchte eine Sparkasse.
„Die sind ja nun nachts oft zu. Welche Richtung?“
„Keine Ahnung. Wo woll’n wir essen? Hasir? Hasir ist immer gut, oder?“
„Ich hab doch gesagt: Ich will gerade arbeiten und nix essen. Überleg Dir einfach, wo Du hinwillst.“
„Wieso willste nix essen? Deine Kollegen ham auch gleich so ’ne schwule Sache draus gemacht. So mein ich das nicht, ich lad Dich einfach ein!“
„Ist sicher nett gemeint, aber ich verstehe die Kollegen auch: So sonderlich üblich ist das nicht. Wo soll’s denn jetzt hingehen?“
Da ich nicht mitessen wollte, schlug er den Burger King vor. Und danach weiter, heim. Da eine Sparkasse nur mit größerem Umweg zu erreichen gewesen wäre, hab ich ihm nahegelegt, doch einfach an der nächsten Tanke die Gebühren zu bezahlen, anstatt noch mehr Geld im Taxi zu verpulvern. Und so machten wir das dann auch. Quasi. Der Burger-King-Besuch fiel nämlich etwas opulenter aus.
„Mach mal am besten in’n Drive-by. Was willst’n?“
„Nix, wie gesagt.“
„Echt? Gar nix!?“
„Nee.“
„Aber ein Kaffee umsonst, oder?“
„Eigentlich nicht.“
„Ach komm!“
Als wir am Bestellschalter waren, überlegte er ein wenig rum:
„Hier, die Golden-Super-Flausch-Angebote sehen gut aus, oder?“
Nach der Begrüßung durch die Lautsprecher konnten wir seine Burger-Bestellung abgeben. Glücklicherweise war die Verbindung gut genug, dass er sich auch vom Beifahrersitz aus mit der Bedienung unterhalten konnte. So ersparte ich mir einige Fremdschammomente, als er zum Beispiel in die Anlage flötete, er würde sich beim Getränk gerne überraschen lassen.
Der Mitarbeiter am Ende der Leitung nahm das überraschend konsequent hin, gab durch, er hätte eine Sprite ausgewählt und fragte, ob das eine gute Wahl sei.
„So eine schöne Sache!“
bestätigte mein neuer Superfreund. Nachdem er sein Menü zusammengeklöppelt hatte, kam, was kommen musste:
„Was nimmst Du?“
„Nix!“
„Ach komm. Einen Doppel-Whopper und dazu …“
Ich ging dazwischen und stornierte das. Dann bin ich recht zügig ums Eck zum Ausgabeschalter gefahren, wo das Gesicht zu der netten Stimme in Form eines etwa vierzigjährigen Mannes uns bereits freudig entgegenblickte und mir sagte:
„Na, da haben Sie heute ja einen unserer Super-Spezial-Kunden!“
Und er meinte das sichtlich unironisch, die beiden kannten sich offenbar wirklich schon.
„Mach dem Taxifahrer mal eine Cola! Oder einen Kaffee! Ein Kaffee?“
Der Mitarbeiter sah mich fragend an. Ich hab’s aufgegeben und einen Kaffee geordert. Ich hab ja auch nix dagegen, eingeladen zu werden, aber der Typ neben mir war von der ganz strangen Sorte: Er wollte mir ständig was ausgeben, mich nebenher aber überreden, die Uhr auszumachen. Und bei aller Liebe – und so hab ich’s meinem Kunden auch erklärt – meine Miete am Monatsende muss ich in Euro bezahlen, nicht mit Doppel-Whoppern.
Dennoch wedelte er mit seinen eben erworbenen 200 € um sich, als wäre er bereit, all das jetzt liegen zu lassen, um mit mir eine Runde Fast-Food zu mampfen:
„Ich brauch jetzt was fettiges. Meine Freundin hat mir ja so Vollkorn-Schnitten eingepackt, aber nee …“
Bei der Entgegennahme des Wechselgeldes verlor er gleich mal eine Münze im Auto, bei der mir klar war, dass er sie nicht wieder aufheben würde. Kaum, dass er sein Zeug hatte, fiel ihm ein, dass er jetzt auch noch unbedingt einen Kaffee haben wollte. Der Typ am Schalter hat ihm großzügig die Kosten dafür erlassen.
Im Auto war ich währenddessen etwas überfordert. Denn abgesehen davon, dass ich sowieso die Ablageplätze gut mit eigenem Zeug belegt habe, hatte ich zwischenzeitlich noch die Sprite meines Kunden und meinen unfreiwilligen Kaffee zu jonglieren, der so voll war, dass ich mir erst einmal was über die Hand geschüttet habe, beim Versuch, ihn zu verstauen. Und jetzt orderte der Irre noch einen, war aber nicht mal in der Lage, sein gesammeltes Bargeld aus der Hand zu legen.
„Du solltest echt was essen! Wir halten da vorne ums Eck – aber machste die Uhr aus! Der macht hier echt die besten Chicken-Wings, glaub mir. So eine schöne Sache! Willste Chicken-Wings? Ich bestell Chicken-Wings!“
„Bitte: Ich bin hier zum arbeiten, zum Geld verdienen. Vielen lieben Dank für den Kaffee und das nette Angebot, aber ich würde gerne wie ausgemacht nach dem Bestellen zu Dir nach Hause fahren, Dich absetzen und dann weiter.“
„Ja, ist kein Problem, HEY HEY HEY, kannste uns noch Chicken-Wings machen?“
Der nette Angestellte zählte die möglichen Packungsgrößen auf und mein Kunde bestand auf der größten: 20 Stück.
„Aber nicht die alten, ok?“
„Nein, mein Freund! Für Dich mach ich extra ganz frische und deswegen dauert das jetzt genau 4:30 Minuten, bis sie fertig sind.“
Unironisch. Mir war bis dato nicht bewusst, wie enge Beziehungen man als Kunde zu Systemgastronomen aufbauen kann. Von der erneuten Bezahlung bekamen dann sowohl ich als auch die freundliche Bedienung schon mal etwas Trinkgeld ab. Die verbleibende Zeit musste zum einen ich nochmal erklären, weswegen ich die Uhr nicht ausmachen, als auch der Angestellte nochmal verschiedene Soßen nachlegen, was er abermals kostenlos tat.
Ich hab mir währenddessen überlegt, ob ich jemals – selbst zum essen – so viel Zeit beim Burger King zugebracht habe.
Eine Minute und 33 Sekunden vor Ablauf der Chicken-Wings-Zubereitung fuhr dann hinter uns ein weiteres Auto vor, was ein gutes Zeichen dafür war, dass das immerhin nicht ewig so weitergehen konnte. Lieblingskunde hin oder her. Ich hab anschließend nur noch einmal vor dem Laden und einmal vor der Haustüre des jungen Mannes ablehnen müssen, mitzuessen. Auch wenn er sich etwas geknickt gezeigt und gefragt hat, wie er den Haufen Zeug alleine essen soll – ich hatte es nun wirklich oft genug gesagt. Und er fand trotzdem:
„So fett viel Essen! So eine schöne Sache, Mann!“
Da die Wege kurz waren, standen am Ende immer noch weniger als 15 € auf der Uhr, die der an sich ja mehr als nette Fahrgast auch problemlos mit einem weiteren Zweier Trinkgeld bezahlt hat. Den zweiten Kaffee indes musste ich am Ende trotzdem auch behalten, da hat er nicht mit sich reden lassen. Ich indes hab ihn wirklich nirgends sicher unterbringen können und am Ende trotz schlechten Gewissens nach ein paar Metern entsorgt.
Trotz der Stressigkeit war’s für den Abend eigentlich eine gute Tour. Rückblickend hab ich aber auch mehr Verständnis für die Kollegen, die abgelehnt haben, auch wenn sie beim Grund falsch lagen. An die Wäsche wollte der Typ mir nicht, ihm schien es eher darum zu gehen, dass mir die aktuellen Klamotten möglichst schnell nicht mehr passen. 😉