Vorgeplante Gespräche im Taxi

Der Kunde erklärte schnell, dass er öfter genau diese Strecke fährt. Das hätte ich nie angezweifelt, aber der Rest der Fahrt bestätigte das nochmal besonders eindrucksvoll. Er schien sich seine komplette Lebensgeschichte auf diese 10 Minuten zurechtgelegt zu haben, fast hatte ich den Eindruck, dass er an bestimmten Hausecken aufs jeweils nächste Thema umsprang. Beziehungsstatus, Beruf, Alter, vorherige Berufe, Verkehr, bisherige Autos, aktuelle Verletzungen, hier können Sie halten.

Zack, fertig. Mehr als kurzes „Aha“, „stimmt wohl“ oder „O je“ konnte ich gar nicht anbringen. Als ich den Preis nannte, winkte er ab und meinte, er kenne ihn. Und er gebe immer denselben Betrag. Der entpuppte sich dann als einer, der fast 30% Trinkgeld beinhaltete und wurde ebenso fast eintrainiert abgetan mit:

„War eine angenehme Fahrt mit Ihnen und ein nettes Gespräch.“

Und Abgang.

Ich saß erst etwas verdattert da, aber rückblickend betrachtet war das nahe an der perfekten Tour. 🙂

20 Kommentare bis “Vorgeplante Gespräche im Taxi”

  1. Dann war das aber eher ein Monolog, als ein Dialog? 😀

  2. Roichi sagt:

    Und dann war da eine Baustelle mit Umleitung auf der Strecke.
    Der arme ist doch dann völlig aufgeschmissen.

  3. Bernd K. sagt:

    Billiger und auch noch schneller als beim Therapeuten 🙂

  4. Rosa sagt:

    Und was macht der, wenn er mal den gleichen Taxifahrer bekommt? Sollte ja irgendwann mal vorkommen, wenn er immer die gleiche Strecke fährt. Oder sucht der sich am Stand immer einen Taxifahrer aus, der seine Lebensgeschichte noch nicht kennt?

  5. elder taxidriver sagt:

    Hoffentlich fährst Du den nochmal, erstens um zu sehen, ob er Dich wiedererkennt und zweitens um zu sehen, ob es gewisse Variationen gibt, und drittens um mal auszuprobieren wie das wäre , wenn Du ihn pausenlos traktierst.

  6. hrururur sagt:

    Klingt autistisch und nach einer coolen Art eine doofe Situation zu ertragen

  7. Uwe Hautjer sagt:

    Ich hatte mal einen ähnlichen Fahrgast. Sein einziges Thema: Fussball.
    Ich bin da ja völlig ahnungslos. Ein oder zwei Fragen meinerseits, wenn er mal Luft holen musste, das reichte ihm um mir zu bescheinigen das man sich ja mit mir herrlich über Fussball unterhalten kann. 😉

  8. Der Finanzberater sagt:

    Jez, woll ma mal nich mäckern wa?

  9. Andy sagt:

    Das was hruruuurur sagt ging mir auch zuerst durch den Kopf. Ich leg mir manchmal auch Themen für soziale Situationen zurecht, wo halt ublicherweise geredet wird (Friseur, Taxi). Halt nur so Aufhänger oder nen roten Faden, keinen Komplettmonolog, aber für Leute wir mich die nich so gut sind mit small talk ist das wahrscheinlich gar nicht unüblich…

  10. Sash sagt:

    @elder taxidriver:
    Ich glaube, ich bin zu inkonsequent im Erheben von Gesprächsstatistiken für aussagekräftige Ergebnisse … 🙂

    @hrhrurur:
    Daran hatte ich noch gar nicht gedacht!

  11. hrururur sagt:

    @Sash:

    An sowas denk ich aus persönlichen wie beruflichen Gründen öfter, als es dann wirklich so ist.

    Und gerade das hier finde ich einen unsagbar coolen Weg, weil ich selbst zwei ganz ähnliche Situationen habe und ewig überlegt habe, wie ich die mal etwas weniger furchtbar gestalten könnte. Ein durchgeplantes Gespräch ist für die eine Situation eine tolle Lösung.

    @ elder:

    Hab ich gestern noch vergessen:

    Wenn es wirklich eine Ausweichstrategie von demjenigen ist, um die Situation zu ertragen(egal ob Autismus, Platzangst, eine schlechte Erinnerung oder sonst was), dann ist es unglaublich gemein denjenigen aus seinem Rhythmus zu bringen. Wie kommt man auf solch sadistische Gedanken?

  12. elder taxidriver sagt:

    @hrururur, wegen ‚wenn wenn wenn wenn‘:

    Ja dann , dann, also dann wäre es unglaublich gemein. Da müsste Dir jeder zustimmen..

    Und wie man auf so etwas kommt? Weiß auch nicht. Zuviel gute Literatur gelesen?
    Ein harmloser Tatort-Konsument und Krimi-Leser würde natürlich nie auf so eine sadistische Idee kommen..
    .

  13. hrururur sagt:

    @elder:

    Du weißt doch nicht, ob der das aus einer Laune heraus macht oder weil er sonst die Situation nicht erträgt. Einen Rollifahrer triezt du doch hoffentlich auch nicht, wenn er vor ner Leiter steht und sagst „oben gibt’s Kekse“. Könnte ja schließlich jemand sein, der das nur aus Fetisch macht mit dem Rollstuhl…

  14. elder taxidriver sagt:

    techn. Hinweis: Kekse sind immer unten.

  15. Cliff McLane sagt:

    @all:Ich habe auch zwei, drei Standardtexte, die ich in Situationen anwende, in denen ich
    a. mit sozialverbalen Kontakten rechne, und
    b. aber gerade jetzt keine möchte.
    Umgangssprachlich nennt man die Vorgehensweise auch „Totlabern“. Das ist sehr vorteilhaft, weil da praktisch nur der Soundprozessor im Hirn beschäftigt ist, die CPU aber über etwas anderes nachdenken kann, wenn der Prozess „auf den anderen eingehen“ gerade wegen allgemeiner Überlast nicht gestartet werden kann.

  16. elder taxidriver sagt:

    Ich sage einfach nichts oder wenig, wenn ich nicht sprechen möchte. Hat bisher immer ganz gut geklappt.
    Die Gesprächspartner merken das meist.

    Das unaufhörliche Sprechen ist übrigens auch eine Methode von Verkäufern und Vertretern, die dadurch sozusagen die Lufthoheit im Kommunikationsbereich innehaben und im besten Fall den anderen irgendwie steuern können. Oder im schlechtesten Fall..

    Es gibt auch bekannte Figuren aus der Unterhaltungsbranche, die können einfach, quasi habituell, nicht schweigen. Wenn die mal ausnahmsweise keine Sätze zusammenkriegen, sagen die so etwas wie ‚ramdadam da a‘ oder so was. Naturlaute eben.

    Bei dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt , um nur ein Beispiel zu nennen, ist mir das mal aufgefallen in der Taxe.
    Oder bei einem bekannten RIAS-Moderator, Name mir gerade entfallen: Der war ununterbrochen am Quasseln.
    Da wünscht man sich eine/n Ostfriesen/Ostfriesin als Fahrgast.

  17. elder taxidriver sagt:

    Wolfgang Neuss, bei aller Begabung war auch dieser Typus. In einer Talkshow, dadurch berühmt geworden, war der auch mal am dauernd-dazwischen-quasseln und der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Richard von Weizsäcker, meinte dann:
    ‚ Nu hör doch mal uff, Mensch hier‘.
    ( Nennt man Code-Switching, weil der Weizsäcker sich ja gewöhnlich doch anders ausdrückte)

  18. Cliff McLane sagt:

    @elder,
    > Da wünscht man sich eine/n Ostfriesen/Ostfriesin als Fahrgast.
    NEIN, das wünschst du dir nicht. Ich fuhr mal im Nachtzug von Bayern nach Bremen und wollte schlafen, stattdessen erhielt ich eine Vorlesung „Plattdeutsch für Anfänger“.
    Kann einem umgekehrt aber auch passieren, daher: Nehmt lieber gleich ’n Taxi. Oder ’n Fluchzeuch.

  19. Lars sagt:

    @Cliff McLane
    Fast hätte ich Sie einen Schwätzer genannt 😉 Die einzig amtliche Antwort auf „da wünscht man sich einen Ostfriesen als Fahrgast“ lautet: Jo.

  20. thorstenv sagt:

    @Bernd K. Gesprächstherapie ist wie Taxifahren nur muss man das Dopplete zahlen und dann noch zu Fuß nach Hause gehen.

    @Lars: „Jo“
    Also das ist mir zuviel Geschwätz hier. Ich geh nach Hause.

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