Ich hab mich gerade als vierter Taxifahrer am Ostbahnhof angestellt – in der Hoffnung, mal kurz eine rauchen zu können. Ging natürlich daneben. Nach dem zweiten Zug steigt plötzlich ein Junge in mein Taxi, ungeachtet der Tatsache, dass ich danebenstehe. Ich linse mal runter und sehe einen verschwitzten jungen Kerl, gefühltes Alter: 14. War aber wahrscheinlich ein Trugschluss.
Naja, der Kleine war jedenfalls voll wie Eimer und sprach etwa so gut deutsch wie afrikanische Bergziege auf Koks. Wobei? Naja, ein wenig schlechter vielleicht. Ziegen sollen ja sehr lernbegierig sein.
Englisch lag ihm offenbar auch nicht so, also versuchten wir in den nächsten drei Minuten (in denen ich meiner Zigarette nachweinte, die ich inzwischen weggeworfen hatte, weil ich im Auto saß), sowas ähnliches wie einen Zielpunkt zu definieren. Und wenn ich von schlechtem Deutsch rede, dann meine ich das zum Beispiel:
„Fragen Sie will sehe Brensber?“
Ich bin ja gutmütig und geduldig und halte mich sogar für verständnisvoll. Es hat dennoch eine Weile gedauert, bis klar war, dass er mich fragte, ob ich ihn nach Prenzlauer Berg bringen will.
„Könnser Saase!“
Kein Problem. Zumindest drei Minuten Fahrtweg später. Da hatte ich dann nach 10 Varianten die Christburger Straße auch herausgefunden. Aber es kam ja noch besser:
„Wo Hauteno?“
„Hauptbahnhof?“
„Ja, wo?“
„Das ist noch ein Bisschen weiter weg.“
„Kenn bring Könnser nicht wie Hauteno?“
OK, kürzen wir das Trauerspiel ab und übersetzen! Er fragte mich auf der Karl-Marx-Allee, wo der Hauptbahnhof sei und ob ich ihn stattdessen dorthin bringen könnte. Ist ja kein Thema. Aber er hörte nicht auf zu fragen, wo der sei. Ich vermutete also, dass er da auch nicht wirklich hin will. Und sonderlich geheuer war mir das langsam auch nicht mehr. Sprachprobleme sind kein Ding, das passiert immer wieder mal. Aber der Kerl schien einfach keine Ahnung davon zu haben, wo er hin will.
Kaum, dass der Alex langsam näherrückte, fragte er wieder nach, wo wir gerade wären. Ich erkläre es ihm und fortan beginnt er unverständliche Sätze zu sprechen, die alle bisher genannten Zielpunkte und zusätzlich noch ein Hostel beinhalten. Also gut, welches Hostel? Wo? Kann er nicht sagen. Aber er würde jetzt gerne hier am Alex rausgelassen werden. Und dem Hauptbahnhof. In Prenzl’berg. Versteht sich von selbst.
Ich lese ihm die Zahlen auf der Uhr vor, woraufhin er mir seinen Ausweis hinhält.
„Ich brauch Deinen Ausweis nicht. Geld wäre ok.“
„Ja. Hier.“
„Das ist dein Ausweis.“
„Nein.“
„Oh doch, schau ihn Dir doch mal an! Ist das Geld?“
„Ja.“
Dass er so Banane war, hatte ich trotz all der Einleitung nicht erwartet. Geduldig wie ich bin, hab ich ihm den Ausweis wieder zugeschoben und Geld verlangt. Dann hab ich dooferweise den Spruch angefügt, von dem Ausweis könne ich mir auch nichts kaufen.
„Nicht kaufen?“
„Nein, nicht Du … vergiss es! Ich brauche Geld. 7,20 €!“
„Was kann ich kaufen?“
„Keine Ahnung, was Du willst. Wenn Du Geld hast …“
„Was ich kaufen?“
So langsam ist mir der Kleine auf die Nüsse gegangen. Dann fing er an, er könne im Hostel Geld holen. Ja in welchem denn?
„Hier!“
„Dein Hostel ist hier ums Eck?“
Ich hatte ja schon gehofft, das ggf. mit nüchternen und irgendeiner mir verständlichen Sprache mächtigen Leuten klären zu können.
„Ist hier. Und hier. Oder hier? Hauteno?“
Ganz großes Kino. Ausgestiegen war er dann auch schon und wollte einfach mal blind loslaufen. Ich hab ihn dann erstmal zackig zum Auto zurückgepfiffen, auch wenn ich mir einen Moment lang gedacht habe, wegen den paar Kröten gebe ich mir das Trauerspiel keine Sekunde länger. Daran, dass er noch Geld hatte, glaubte ich ohnehin nicht mehr. Ich hab trotzdem so getan.
Etwas ratlos fragte er mich nach meiner Bitte, ob ich ihn zu seinem Hostel bringen würde.
„Ja natürlich! Aber wo ist das?“
„Du helfen?“
„Ja gerne! Aber WIE?“
„Du helfen nicht!“
Sprach’s, steckte mir einen Zehner zu und stapfte wütend davon. Würde mich wundern, wenn ich sein letztes Taxi in der Nacht war. Manche schaffen es ja ganz alleine, am letzten Tag des Monats die Idiotenquote noch mal signifikant zu erhöhen.