Arbeitszeiten und Kollegen

Hab in letzter Zeit wieder vermehrt Anrufe von euch gekriegt. Hab deswegen mal einen kurzen Text zu meinen Arbeitszeiten geschrieben. Warum ich das nicht hier, sondern drüben bei Sashs Blog gemacht hab, weiß ich nicht. Aber ich nehme an, es ist euch im Grunde auch egal. 🙂

Link zu dem Text mit den Arbeitszeiten von Sash

Und wenn ich euch schon zwischen meinen Seiten rumscheuche: Hier gibt es noch eine Kollegengeschichte auf der Seite meiner Chefs.

Osama und Lisa (2)

Hatte sich mein Fahrgast bislang von seiner komischen Seite gezeigt, wurde er langsam dreist. Während er nach seinem Geld fahndete – und dabei den Vorschuss-Fuffi durch einen Zwanni ersetzte – griff er einfach mal nach meinen Bonbons und nahm sich eines. Prinzipiell ein Grund, ihn rauszuschmeißen. Bei sowas bin auch ich empfindlich, außerdem hätte er auf Nachfrage jederzeit eines bekommen. Aber ich hab kurz durchgeatmet und dabei an meinen Blog gedacht. Das ist ein Bonbon allemal wert.

Nun aber wollte er eine Zigarette rauchen. Ich hab ihn zur Vernunft gemahnt und gesagt, dass wir doch ohnehin gleich da wären. Aber er bestand drauf, hier an Ort und Stelle eine Kippe anzumachen. Mit Blick auf die laufende Uhr hab ich das einfach hingenommen und gegrinst. Im Grunde ist das ja leicht verdientes Geld.

In diesem Moment bemerkte ich, dass die Winkerin von vorhin hoffnungsfroh hinter meinem Fahrgast stand und nonverbal um Einlass ins Taxi bettelte. Nachdem ich ein paar sicher unverständliche Grimassen zurückgeschnitten habe, bin ich ausgestiegen, hab mir und ihr auf Nachfrage auch noch eine Zigarette angemacht und ihr erklärt, dass die Fahrt leider erst in 400 Metern und zeitlich in völlig ungewisser Entfernung ein Ende haben würde.

Begeistert davon war sie eher nicht. Aber in Anbetracht ihrer Anwesenheit hab ich mich auch lieber wieder auf die Straße gewünscht, denn natürlich wäre mir mehr nach einer weiteren Fahrt gewesen, als jetzt die paar Meter zum Watergate zu tuckern, die von der Strecke noch übrig waren. Bezahlte Wartezeit hin oder her, im Fahren verdient sich das Geld schneller und angenehmer!

Sie indes witterte eine Chance und belatschte nun meinen Fahrgast über seine Pläne und versuchte ihm, selbige auszureden. Der war völlig verzückt davon, dass ein weibliches Wesen von seiner Existenz Kenntnis genommen hat und ging spontan davon aus, dass sie sich schon ewig kennen. Sie klagte ihr Leid, dass sie von der Arbeit käme und nun kein Taxi finden würde – außerdem müsse sie noch bis nach Erkner …

Bis. Nach. Erkner.

Während inzwischen zwei leere Kollegen an uns vorbeigefahren waren, entwickelte ich langsam diese Art unterschwelliger Panik mit leichtem Anflug von Schnappatmung: Man hat die Tour des Tages in Griffweite, aber irgendwas steht dem im Weg und das muss man loswerden. In meinem Fall war es das glatzköpfige Grinsen, dass sich inzwischen mit meiner neuen Lieblingsfahrgästin in direktem Körperkontakt übte. Mit eingeschränkter Zustimmung bei ihr. Die beiden waren durchaus lustig anzuschauen, aber lange konnte da nicht gut gehen. Ich konnte sie unmöglich zusammen einpacken!

„Aber es sind doch nur 400 Meter …“

jammerte mein Geldbeutel und ich glaube, er hat das sogar laut ausgesprochen.

Ich habe sie dann tatsächlich gemeinsam eingeladen. Auf „gemeinschaftlichen“ Wunsch. Aus den 400 Metern wurden 800, weil Mister Grinsezahn keine Bagger-Zeit vergeuden wollte, sondern lieber sein Geld und sich deswegen einmal um den ganzen „Block“ bis vor die Tür fahren ließ, anstatt wie alle anderen auf der anderen Straßenseite auszusteigen. Die beiden hatten sich bis dato schon längst bekannt gemacht, er natürlich nicht, ohne bei seinem Vornamen Osama auf das denkbar schlechteste Beispiel für diesen Namen aus der jüngeren Geschichte zu verweisen.

Wie fast zu erwarten war, endete diese Episode der Fahrt mit einem Eklat, denn Lisa – so der Name der netten jungen Dame – rief zwischenzeitlich ihren Freund an, was Osama ausgiebig dazu nutzte, ins Telefon zu brüllen, er hätte gerade was mit der Frau am Laufen. Während ich ihm einen Zehner auf den Fahrpreis herausgab (es waren bereits 10,20 € aufgelaufen), kabbelten sich die beiden im Fond unter Einbeziehung allerlei Extremitäten und am Ende des Ganzen stand Osama verdattert vor dem Club, während Lisa sich mit einem lauten „Puh!“ ins Polster der 1925 sinken ließ und mich bat, jetzt schnellstmöglich Erkner anzusteuern.

Und wieder einmal dachte ich:

„Du weißt es doch eigentlich besser: man macht das nicht! Niemals zwei einander Unbekannte ins Auto holen! Niemals! Auch nicht für 400 Meter!“

Naja, eine Fortsetzung folgt noch …

Osama und Lisa (1)

Abend oder Morgen? Die Sonne hatte den Horizont bereits überschritten, aber mir fehlten noch ein paar Euro auf der Uhr, um beruhigt Feierabend machen zu können. Die Frage nach einer angemessenen Tageszeitbeschreibung kam aber gar nicht auf, als mir der junge Mann bedeutete, ich solle einsteigen, um ihn zu fahren. Begrüßt hatte er mich eine Sekunde zuvor mit dem vielsagenden Laut: „Hsslssmmmhah!“ Oder so ähnlich.

Ich war etwa das zehnte Taxi von zwanzig in der Schlange und sonderlich großraumbedürftig sah er nicht aus. Etwas irritiert und überrascht war ich also nicht ganz ohne Grund. Ich musterte den Typen vorsichtig und konnte nicht viel aus ihm herauslesen, außer dass er blau war wie Picassos Periode. Er wollte wohl so um die 30 sein, eher kleinerer Wuchs, aber sportlich. Oberhalb des enganliegenden T-Shirts bestand der Typ aus einem Grinsen mit abenteuerlich großen Zähnen und einer hellbraunen Glatze. Er verfiel umgehend in eine Art Wühltätigkeit, die seine Taschen betraf.

„Wo soll es denn hingehen?“

„Haha, Alter! Keine Ahnung! Feiern!? Ich hab kein Plan. Wo sind wir hier überhaupt?“

„Wir sind am Berghain.“

„Berghain? Oh nee. Hat noch ein anderer Club offen?“

„Sicher, so spät ist es ja nicht. Das Watergate z.B.“

„Watergate. Das is gut! Bringste mich dahin?“

„Klar.“

Während ich startete, förderte sein ständiges Wühlen einen Batzen Fuffis zum Vorschein. Die 6€-Tour mit einem solchen beglichen zu bekommen, stand jetzt nicht unbedingt oben auf meiner Wunschliste, aber es war dennoch angenehm zu sehen, dass der Kerl Kohle hatte. Er selbst jedoch sah das anders und bemängelte den Verlust von viel Geld. Ich entwickelte eine Ahnung davon, wie es dazu kommen konnte, denn er verteilte seinen noch verbleibenden Reichtum, grob geschätzt 500 €, beim weiteren Suchen hemmungslos in meinem Auto. Dass kein Schein aus dem Fenster geweht wurde, war auch alles.

Plötzlich bat er mich an der Eastside-Gallery anzuhalten. Ich blickte etwas mitleidig zu einer potenziellen Winkerin hinüber, befürchtete gar, er würde jetzt auch noch mit Bagger-Versuchen während einer Zwei-Kilometer-Tour anfangen wollen. Andeutungen in die Richtung hatte er davor durchaus durchscheinen lassen. Aber ich hatte Glück. Ich ließ die junge Dame am Straßenrand stehen und hielt mit meinem kuriosen Fang ein paar hundert Meter weiter. Und – das sei erwähnt – lediglich 400 Meter vor dem eigentlichen Ziel.

Fast panisch sprang mein Fahrgast aus dem Wagen, um an seinem Körper und im Auto weiter nach Geld zu suchen. Einen Fuffi legte er mir gleich aufs Armaturenbrett, als Vorschuss quasi.

Fortsetzung folgt …

Gestern Nacht im Taxi

Heute ist so ein Morgen, der sich anbietet, über Schönheit zu sprechen.

Hat wer von euch heute die Möglichkeit gehabt, das Gewitter zu genießen?

Ich weiß, es wird hier und da auch große Schäden angerichtet haben. Aber es war ein so endgeiles Naturschauspiel, ich bedauere jeden einzelnen, der das verpennt hat. Und ehrlich: Ich hab schon einiges gesehen an Gewittern. Was da heute Nacht um die vierte Stunde herum in Berlin los war, ist kaum in Worte zu fassen. Während ich mich mit einem ebenso naiv begeisterten Fahrgast über die Wassermassen gefreut habe, meinte auch er:

„Das kannste keinem beschreiben. Wenn Du das so erzählst, glaubt es Dir wieder keiner!“

Meine knuffige kleine 1925 war eines der letzten Fahrzeuge, das die Landsberger Allee vor ihrer Vollsperrung passiert hat. Hinter uns das Blaulicht, unter uns locker 30 cm Wasser und seitwärts 5 Meter hohe Fontänen. Wer hätte gedacht, das kleine Opelchen mit 343.000 Kilometern auf dem Tacho noch ihr Seepferdchen machen können? Und das waren die Stellen, an denen man wenigstens „schnell“ fahren konnte. Lange Zeit davor lag die Sichtweite unter 20 Metern, das Fahren war anspruchsvoll und von Vorsicht geprägt, nach und nach fielen zudem etliche Ampelanlagen in ganz Berlin aus …

Es war schlicht und ergreifend eine totale Ausnahmesituation. Die Menschen standen dicht gedrängt unter allem, was irgendwie nach Regenschutz aussah und wir Taxifahrer hatten natürlich Umsätze, die denen an Silvester in nichts nachstanden. Aber jeder klatschnasse und spontan von seinen Abendplänen befreite Fahrgast war irgendwie viel eher inspiriert, happy oder ehrfürchtig. Wut aufs Wetter hab ich kein einziges Mal vernommen. Da kam einfach an vielen Enden das Berlin durch, das ich so schätzen und lieben gelernt habe: Die Lockerheit, die Unbeschwertheit und sicher auch manchmal Pragmatismus. Allesamt Sachen, die ich mir auch auf meine Fahnen schreiben würde.

Ganz trocken hab ich die Schicht nicht überstanden, hier und da musste ich auch mal von außen die Kindersicherung auf der linken Seite lösen. Auch das Auto sah aus wie Sau, mal davon abgesehen, dass ich heute ohnehin wieder Schweine sondersgleichen in der Karre hatte. Aber das kommt alles noch. Zurück bleiben an einem Tag wie heute eigentlich nur bombige Impressionen, Bilder von Blitzen, Wassermassen, überforderten Scheibenwischern und durchnässten Fahrgästen. Und natürlich ein Bombenumsatz. Hatte ich schon erwähnt, dass ich für diesen Spaß bezahlt werde? 😉