Hatte sich mein Fahrgast bislang von seiner komischen Seite gezeigt, wurde er langsam dreist. Während er nach seinem Geld fahndete – und dabei den Vorschuss-Fuffi durch einen Zwanni ersetzte – griff er einfach mal nach meinen Bonbons und nahm sich eines. Prinzipiell ein Grund, ihn rauszuschmeißen. Bei sowas bin auch ich empfindlich, außerdem hätte er auf Nachfrage jederzeit eines bekommen. Aber ich hab kurz durchgeatmet und dabei an meinen Blog gedacht. Das ist ein Bonbon allemal wert.
Nun aber wollte er eine Zigarette rauchen. Ich hab ihn zur Vernunft gemahnt und gesagt, dass wir doch ohnehin gleich da wären. Aber er bestand drauf, hier an Ort und Stelle eine Kippe anzumachen. Mit Blick auf die laufende Uhr hab ich das einfach hingenommen und gegrinst. Im Grunde ist das ja leicht verdientes Geld.
In diesem Moment bemerkte ich, dass die Winkerin von vorhin hoffnungsfroh hinter meinem Fahrgast stand und nonverbal um Einlass ins Taxi bettelte. Nachdem ich ein paar sicher unverständliche Grimassen zurückgeschnitten habe, bin ich ausgestiegen, hab mir und ihr auf Nachfrage auch noch eine Zigarette angemacht und ihr erklärt, dass die Fahrt leider erst in 400 Metern und zeitlich in völlig ungewisser Entfernung ein Ende haben würde.
Begeistert davon war sie eher nicht. Aber in Anbetracht ihrer Anwesenheit hab ich mich auch lieber wieder auf die Straße gewünscht, denn natürlich wäre mir mehr nach einer weiteren Fahrt gewesen, als jetzt die paar Meter zum Watergate zu tuckern, die von der Strecke noch übrig waren. Bezahlte Wartezeit hin oder her, im Fahren verdient sich das Geld schneller und angenehmer!
Sie indes witterte eine Chance und belatschte nun meinen Fahrgast über seine Pläne und versuchte ihm, selbige auszureden. Der war völlig verzückt davon, dass ein weibliches Wesen von seiner Existenz Kenntnis genommen hat und ging spontan davon aus, dass sie sich schon ewig kennen. Sie klagte ihr Leid, dass sie von der Arbeit käme und nun kein Taxi finden würde – außerdem müsse sie noch bis nach Erkner …
Bis. Nach. Erkner.
Während inzwischen zwei leere Kollegen an uns vorbeigefahren waren, entwickelte ich langsam diese Art unterschwelliger Panik mit leichtem Anflug von Schnappatmung: Man hat die Tour des Tages in Griffweite, aber irgendwas steht dem im Weg und das muss man loswerden. In meinem Fall war es das glatzköpfige Grinsen, dass sich inzwischen mit meiner neuen Lieblingsfahrgästin in direktem Körperkontakt übte. Mit eingeschränkter Zustimmung bei ihr. Die beiden waren durchaus lustig anzuschauen, aber lange konnte da nicht gut gehen. Ich konnte sie unmöglich zusammen einpacken!
„Aber es sind doch nur 400 Meter …“
jammerte mein Geldbeutel und ich glaube, er hat das sogar laut ausgesprochen.
Ich habe sie dann tatsächlich gemeinsam eingeladen. Auf „gemeinschaftlichen“ Wunsch. Aus den 400 Metern wurden 800, weil Mister Grinsezahn keine Bagger-Zeit vergeuden wollte, sondern lieber sein Geld und sich deswegen einmal um den ganzen „Block“ bis vor die Tür fahren ließ, anstatt wie alle anderen auf der anderen Straßenseite auszusteigen. Die beiden hatten sich bis dato schon längst bekannt gemacht, er natürlich nicht, ohne bei seinem Vornamen Osama auf das denkbar schlechteste Beispiel für diesen Namen aus der jüngeren Geschichte zu verweisen.
Wie fast zu erwarten war, endete diese Episode der Fahrt mit einem Eklat, denn Lisa – so der Name der netten jungen Dame – rief zwischenzeitlich ihren Freund an, was Osama ausgiebig dazu nutzte, ins Telefon zu brüllen, er hätte gerade was mit der Frau am Laufen. Während ich ihm einen Zehner auf den Fahrpreis herausgab (es waren bereits 10,20 € aufgelaufen), kabbelten sich die beiden im Fond unter Einbeziehung allerlei Extremitäten und am Ende des Ganzen stand Osama verdattert vor dem Club, während Lisa sich mit einem lauten „Puh!“ ins Polster der 1925 sinken ließ und mich bat, jetzt schnellstmöglich Erkner anzusteuern.
Und wieder einmal dachte ich:
„Du weißt es doch eigentlich besser: man macht das nicht! Niemals zwei einander Unbekannte ins Auto holen! Niemals! Auch nicht für 400 Meter!“
Naja, eine Fortsetzung folgt noch …
