Voll im Arsch!

Nein, ganz so „ungewählt“ (blödes Wort, ich hab mir den „Arsch“ gründlich überlegt und mit Bedacht gewählt!) hat sich mein Fahrgast nicht ausgedrückt. Nachdem er seine Krücke und eine Aktentasche auf die Rückbank gelegt hatte, setzte er sich auf den Beifahrersitz und fiel in sich zusammen.

Ein älterer Herr mit ergrautem Schnauzbart und sich abzeichnender Halbglatze, gekleidet in Jeans und ein nicht billig wirkendes Sakko in einem edlen Braun, das sich gekonnt zwischen Kackbraun und Nazibraun eine Bresche schlug und in dieser einfach nach Lehrerklamotten aussah. Seine Stimme war nur leise und unter dem mannigfaltigen Klappern meines Autos hatte ich mitunter Schwierigkeiten, ihn zu verstehen.

Aber er gab mir einen Stadtteil im hohen Norden Berlins vor, bei dem nicht nur die Richtung umgehend klar war, nein auch der Preis für die Fahrt war damit schon locker auf das zweieinhalbfache bis dreifache der Durchschnittstour festgelegt. Wahnsinns-Schichtbeginn!
Die müden Augen eigentlich nie zu mir wendend, immer auf die Straße gerichtet, erzählte er mir mit der Zeit, dass er seit morgens um 5 Uhr unterwegs sei, die Inspektion einer Baustelle weit außerhalb der Stadt habe ihn den ganzen Tag beschäftigt. Mit der Zeit kam auch noch heraus, dass er ja eigentlich krankgeschrieben sei, aber – so sei das nunmal! – sonst würde es halt ein anderer machen. Wäre jetzt der achte Tag gewesen, nun hätte er frei. Also falls nicht noch ein Anruf kommt.

Mich interessierte vor allem aber, was er eigentlich machte. Inspektionen? Kann ja viel sein: Bauaufsicht, Gesundheitsamt, Zoll … keine Ahnung, was auf Baustellen nicht alles inspiziert werden könnte und was für ein vielleicht spannender Beruf dahintersteckt. Ich bin ja neugierig 🙂

Also fragte ich:

„Sie sagten Inspektion! Was inspizieren Sie denn auf den Baustellen? Um welchen Bereich geht es denn bei Ihrer Arbeit?“

Die Antwort hat selbst mich überrascht:

„Ja, was wir da … ich, ich …ganz ehrlich, der Tag war zu viel: ich weiß es nicht mehr!“

Respekt! Selbst nach 13 Stunden Arbeit sollte man doch irgendwie noch wissen, was man eigentlich macht, oder? 😉

13 Kommentare bis “Voll im Arsch!”

  1. bexx sagt:

    ganz klar… der wollte nicht zugeben, dass er auf dem rückweg von eurem flughafen-chaos war 😉

  2. Ich weiß manchmal schon nach den ersten 5 Minuten im Büro nicht mehr, was ich tue. Geschweige denn, wie ich den Rest des Tages durchstehen soll. 😉

  3. elder taxidriver sagt:

    Also, dass man jetzt den Tag leise in sich rein lachend beginnt…

  4. Senfgnu sagt:

    Och, so nach der ein oder anderen 24h-Schicht hat man schonmal Schwierigkeiten sich an seinen Namen zu erinnern.

  5. Katja sagt:

    ich finde auch das es tage gibt wo man hinterher nicht mehr weiß was man eigentlich tut… meist nach tagen wo du alles andere als das eigentliche tun mußt. solche müssen dann noch nicht mal 13 stunden dauern.

    @bexx – das war lustig

  6. Pomme sagt:

    Na hoffentlich hat der gute Mann nichts inspiziert, was kaputt gehen kann, wenn man es schlecht inspiziert. 😉

  7. Christian sagt:

    Das kenn ich zu genüge. „Was hast heute alles geschafft?“ Öhm…. ja… ich glaube… nö…

    Hab ich auch öffters mal, wenn der Tag zu lang war, dass ich dann abends in meinen Gedanken stöbere und versuche zusammen zu bekommen, ob ich alles erledigt habe.

  8. ednong sagt:

    Mensch, ist doch klar: der arbeitet beim Geheimdienst und hat geguckt, ob auf der Baustelle nicht mal wieder Pläne oder anderes wichtige Zeugs abhanden gekommen ist. Das kann er dir nun nicht gestehen, ist doch klar.

  9. Sash sagt:

    @all:
    Na, das scheint ja ein verbreitetes Phänomen zu sein …

    @ednong:
    Das ist natürlich eine Option 😉

  10. Hannah sagt:

    Oder vielleicht WOLLTE er nicht mehr wissen, was er den Tag über getrieben? Über die Gründe ließe sich natürlich nur spekulieren…aber mir geht’s oft genug so.

  11. Sash sagt:

    @Hannah:
    Klar, das kenne ich auch 🙂

  12. Der Banker sagt:

    Gelegentlich hat einfach der Quasselmotor Startprobleme bzw die Übersetzung zwischen Kopfkino und Wörterbuch.
    Oder er bemerkte, dass er das, was er eigentlich in wenigen Worten hätte umreißen können, anschließend dir als Laie mit einem halben Roman erst mal begreiflich machen müsste 😀

  13. Sash sagt:

    @Der Banker:
    Wer weiß? Vielleicht war auch das das Problem. Aber komisch vorkommen darf mir das, oder?

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