Aufrunden

„Dann wären wir bei 6,40 €.“

„Na, da runden wir auf jeden Fall auf!“

Das kann bei diesem Betrag alles heißen. Hab ich gleich darauf gelernt:

„Machen Sie also bitte 6,50 €.“

 

Passat, hellelfenbein.

Was für ein Abend!

Ich weiß nicht, das wievielte Bier ich gerade trinke und vielleicht ist das auch gut so. Fest steht nur: Endlich daheim, endlich am PC! Für viele ist Weihnachten ein Feietrag, für mich ist es der erste Mai. Da mögen die Umsätze gigantisch sein – dieser Tag ist meiner!

Nicht nur. Es ist ebenso der Tag der revolutionären 1.Mai-Demo, auf der ich seit meinem Zuzug nach Berlin bisher jedes Jahr zu finden bin. Die Demo ist natürlich überregional hauptsächlich wegen der Krawalle in ihrem Umfeld bekannt, was aber nicht wirklich der Grund ist, weswegen ich dort hingehe. Dieses Mal war wieder einmal früher Schluss wegen Scharmützeln mit der Staatsmacht, aber ich könnte ausnahmsweise nicht einmal sagen, wieso. Als Teilnehmer kriegt man auch nicht immer alles mit und mehr als ein paar freischwingende Knüppel der Polizei hab ich nicht gesehen. Sei es drum.
Deprimierend verlief der Versuch, aus dem ganzen Schlamassel wieder zu entrinnen, denn obwohl eigentlich nichts los war, musste man endlos durch die Gegend irren, um irgendwann mal den Ausweg zwischen all den Straßensperren zu finden. Wenn ich nichts essentielles verpasst habe, war das der friedlichste erste Mai seit ich hier wohne.
Wer über DEN ersten Mai (1987) in Kreuzberg was lesen will, sollte das unbedingt bei Aro tun. Der hat es meisterhaft geschafft, die Geschichte aus seiner Sicht als Beteilgter denoch kritisch rüberzubringen. Gegen diesen Text stinkt auch jede Fernseh-Doku ab!

Aus dem verrückten Labyrinth entflohen, hab ich mich mit Freunden aus meiner Heimat getroffen, die derzeit in Berlin Urlaub machen. Netter Abend! Etliche Getränke alkoholischer Zusammensetzung und ein paar Stunden später war es dann Zeit für meine ganz eigene Tradition am ersten Mai: Taxi!

Jedes Jahr am ersten Mai fahren meine bessere Hälfte und ich mit dem Taxi heim. Zunächst hasse ich das immer. Denn natürlich kann ich die Idioten im Gewerbe nicht ab, aber nach einem stressigen – oder wie diesmal alkohollastigen – Abend habe ich null Bock, mir irgendein Arschloch anzutun, das behauptet, den gleichen Job zu machen…

Aber auch dieses Mal war es unbegründet! Wir haben bewusst mindestens 20 E-Klasse-Taxen vorbeifahren lassen, da wir mal was anderes probieren wollten. Am liebsten was umweltfreundlicheres (einen Prius z.B.), aber letzten Endes wurde es ein Passat. Hat auch was für sich, denn der letzte Passat, in dem ich gefahren wurde, wurde 1997 von meinem Vater verkauft. Seitdem hat sich einiges geändert und abgesehen von der – wie in der E-Klasse – mangelnden Kopffreiheit kann ich nur sagen, dass das Auto ok ist.
Ich hab mich allerdings schnell als Kollege geoutet und so erzählte mir der Fahrer, dass bei VW Service tatsächlich eher Mangelware ist. Lieber wieder Mercedes!

Interessant. Der Fahrer war ein wahnsinnig sympathischer Glatzkopf mit nettem Verhalten, wenngleich wir angetrunken und nach stundenlangem Laufen und zig Getränken besoffen und übelriechend gewesen sein müssten. Respekt!

Zugegeben: Ich hätte bei der Tour vom Weg her noch 40 bis 80 Cent rausholen können, ansonsten aber war es völlig ok. Kein wirklicher Umweg und auch sonst kein Stress. Im Gegenteil: Auch als ich zum Geldholen kurz in die Wohnung gesprintet bin, hat er sich nett mit Ozie unterhalten und das Trinkgeld von über 3 € mehr als verdient.

Der Abschluss hat den Abend auf jeden Fall gerettet!

Die Theorie des Monats

Es kommt vor, dass man als Taxifahrer lange und vergleichsweise blöde in der Gegend rumsteht. Täglich. Unbezahlte Wartezeit gefällt niemandem, aber jeden ereilt sie mal in diesem Gewerbe in dieser Stadt. Ich selbst hatte natürlich wieder einmal die ganz besondere Niete gezogen: Der letzte Zug hat Fahrgäste für alle Kutscher vor mir übrig gehabt und ich stand nun da. So spät, wie es inzwischen war, wusste ich nicht einmal, ob es einen weiteren Zug geben würde. Geschweige denn, ob Fahrgäste anfallen würden.

Fast anderthalb Stunden dauerte das Warten insgesamt. Inzwischen kamen einige mir bekannte Kollegen vorbei, wir unterhielten uns nett. Wie immer dabei: Mohammed. Wir quatschten über die Auftragslage allgemein und den ein oder anderen Fahrgast, dann war er plötzlich da: der unerwartete ICE!

Ich hab kurz angemerkt, dass ich ja froh sein könnte, schließlich würde garantiert wenigstens ein Fahrgast aus dem 400 Meter langen Zug kommen. Und ich war erster!

Mohammed stellte daraufhin eine interessante Theorie auf:

„Ach, isse nix gut erster seien! ICE, meine Freund. Wenn ICE, erste Leute kommen bei Stand immer die Junge! Immer die Junge! Junge wo sind schnell raus aus Zug und schnell in Taxi. Isse besser sein weiter hinten! Komme alte Leute, weit weg! Junge wohne direkt hier, nur Koffer schwer!“

Und? Was hab ich für eine Tour bekommen?

Köpenicker Straße – 4,60 €. 🙁

Ich hoffe, ich sehe Mohammed bald wieder. Würde mich ja interessieren, was er als sechster in der Schlange hatte!