Ich will’s nicht wissen…

Man kommt nicht umhin, sich gelegentlich Gedanken zu machen über seine Kundschaft. Das ist mitunter sogar sehr angenehm. Da sitzen dann glücklich turtelnde Pärchen im Auto oder Rentner die im Casino gewonnen haben. Manch einer schwärmt von seinen Kindern oder freut sich, dass er ein anstrengendes – aber erfolgreiches! – Geschäftstreffen hinter sich hat.
Den Gegenpol bilden die eher traurigen Gestalten, die von Trennungen, Streit, Arbeitslosigkeit und Stress berichten.

Beides auf einmal gibt es selten.

Derletzt enterte eine resolute junge Frau mein Gefährt und wünschte sich aus dem Straßenkatalog ein Ziel in einiger Entfernung weit im Südosten der Stadt. Mir sagte die Adresse zunächst nichts, aber sie klärte mich auf, dass man am Besten das Adlergestell hinunterführe, ansonsten zeigt sie mir gerne, wo ich dann lang muss.

Gang rein, Taxameter an, los geht’s!

Die Stimmung an Bord war locker. Ich hatte bereits eine brauchbare Schicht hinter mir, sie eine längere Reise. Plauder, laber, quatsch. Dann klingelte das Telefon. Ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich und dann ging es los:

„Ey, wat? Nerv nich! Ey du, ich komm jetz nach Hause. Wat bis du? Wo?  Ey, ich bin im Taxi. Ja genau, mit meinem Liebhaber!“

Moooment! Als einzige anwesende Person, unglücklicherweise auch noch männlich, hab ich erst mal schlucken müssen. Nicht, dass der am anderen Ende das nachher noch für bare Münze nimmt. Auf der anderen Seite – Blick in den Rückspiegel – gar keine schlechte Idee! Darf halt meine Freundin nicht mitkriegen. Dann müssten wir…
Aber das Telefonat war beendet. Ziemlich aprupt. Von ihr.

Zweiter Auftritt des Telefons: Dingelingeling!

„Ey wat? Pass bloß auf du! Ich komm jetz nach Hause. Und dann kannst du dich sowieso mal warm anziehen! Ja, wie? Nix wie! Dann fliegen deine Sachen vom Balkon und dann verpiss dich, du Drecks-Junkie! Ja, halt’s Maul!“

Wow! Klare Ansage.

Wer jetzt davon ausgeht, dass das irgendeine Auswirkung auf das Gespräch im Taxi hatte, der wird unweigerlich enttäuscht. Denn ihre Stimme war mir gegenüber sofort wieder auf Normalniveau und die mehr oder minder muntere Plauderei übers Wetter und ihre mehrwöchige Abwesenheit ging einfach weiter. In einem einzigen Nebensatz auf der recht langen Tour erwähnte sie, dass es halt „nicht sonderlich toll“ wäre, wenn man heimkommt, und es gleich Stress gibt. Da konnte ich ihr nur beipflichten und verwarf die Umsetzung der Liebhaber-Geschichte wieder.

Ab da lief die Fahrt auch wirklich angenehm. Wir unterhielten uns über dies und das, wohlweißlich mit wenig Tiefgang, aber wenigstens ohne das nahezu obligatorische eiserne Schweigen nach solchen Ausbrüchen.

Mit 21,20 € auf der Uhr erreichten wir das Ziel, und wie eigentlich zu erwarten war, lümmelte vor dem besagten Hauseingang eine wenig vertrauenserweckende Person herum.

„Boah, wat will denn der Vogel jetz hier?“

entfuhr es meiner Kundin, woraufhin sie sich schnell ans Bezahlen machte und äußerst großzügig auf 25 € aufrundete. Noch während ich das Geld entgegen nahm, öffnete der „Vogel“ die Beifahrertüre und fragte mich:

„Wo haste sie denn aufjegabelt?“

„Ähm, wieso wollen sie das bitte wissen?“

„Na, von wo haste se denn herjebracht? Wieviel haste gekriegt? N‘ Zehner?“

Während er auf die in meiner Hand befindlichen Scheine stierte, steckte ich sie schnellstmöglich ein und sagte ihm, dass ich ihm die Frage nicht beantworten werde, und er das gefälligst mit ihr zu klären hätte. Ich hab zwar durchaus befürchtet, mal kurz unbezahlte Überstunden für den zuständigen Sozialarbeiter zu übernehmen, aber so wie sich mein Fahrgast am Telefon geriert hatte, vermutete ich, dass eine Einmischung unnötig wäre. In der Tat:

„Ick will doch nur det wissen. Kommste vom Hauptbahnhof? Oder vom Ostbahnhof? Is doch meene Frau hier!“

„Tut mir leid, aber dann können sie sie das ja auch selbst fragen!“

Die überaus stimmgewaltige Hilfe von der Rückbank ließ nicht auf sich warten:

„Ey, hörste wohl uff! Des geht dich gar nüscht an! Hör mal auf, mein‘ Taxifahrer hier anzumachen!“

Ich selbst bekam noch ein freundliches „Schönen Abend noch!“, darauf wird der interessierte Kerl wohl vergeblich gewartet haben in dieser Nacht. Sicher würde mich der Ausgang der Geschichte eigentlich interessieren, aber ich hielt einen taktischen Rückzug doch für das Beste, um mir die Laune nicht auch noch zu verderben.

Paradoxale Mobilität

Ein oftmals vernachlässigter Teil des Taxifahrens ist die Nebentätigkeit als Auskunftei. Selbst in Zeiten des mobilen Internets ist der Taxifahrer am Bahnhof oder im Altstadtviertel oftmals noch beliebte Quelle für Informationen aller Art. Nicht unbedingt zu Unrecht, schließlich ist es im Prinzip unser Job, uns möglichst gut auszukennen.

Dass manche Touristen uns dabei mit Restaurantkritikern, Bordelltestern oder Hotelzimmerinspektoren verwechseln: Sei es drum!
Wer fragt, bekommt eine Antwort, und passend dazu wird in meiner Familie auch seit Jahrzehnten der Spruch „Blöde Frage: Blöde Antwort!“ weitergegeben, den ich gerne in der Praxis ausprobiere.

Ansonsten ist eine Anfrage in meinen Augen kein Problem. Gut, es soll da auch andere Kollegen mit weniger Beherrschung geben.
Zusätzlich zu den selbstverständlichen Fahrt- und den unverbindlichen Ortsanfragen kommen aber gelegentlich noch einige andere. Die Fragen nach Zigaretten, Kleingeld und direkter Hochzeit ignorieren wir hier besser mal – denn es gibt auch eher seltenes.

Vor nunmehr zwei Wochen sprach mich z.B. ein junger Mann am Ostbahnhof an und erklärte mir, er würde an einem interessanten Buchprojekt mitarbeiten. Während der ein oder andere Kollege die Ohren wohl an dem Punkt schon auf Durchzug gestellt hat, war ich erst einmal interessiert.
Mir wurde weiterhin gesagt, dass es – vereinfacht gesagt – um Bewegungsprofile verschiedener Gruppen gehen würde, die dann kartografisch festgehalten würden und mit vielen weiteren in einem Buch über Berlin Platz finden würden. Dazu würden sie noch Taxifahrer suchen.

Offenbar angetan davon, dass ich noch nicht schreiend davon gerannt bin, hat er mir auch geduldig erklärt, was mein Part an der Geschichte wäre: Ich sollte einfach eine Woche lang ein GPS-Gerät bei mir im Auto angeschlossen haben, das die Strecken mitprotokolliert. Das wäre es im Wesentlichen. Danach gebe ich das Teil zurück, enthalte eine kleine Entschädigung für meinen „Aufwand“, und damit ist gut.

Zunächst befürchtete ich, dass es just an der Technik scheitert, denn natürlich brauchte der Sender Strom, und der ist in Autos bekanntlich rar – vor allem, wenn man den Zigarettenanzünder bereits verwendet, um Strom fürs Handy abzuzapfen. Aber clevererweise hatte mein Gegenüber bereits einen Verteiler für besagte Buchse dabei, und so hab ich vor zwei Wochen dann das Ding angeschlossen und bin seither munter durch die Gegend gegurkt. Ob die Daten hilfreich sein werden, weiss ich nicht – schließlich hab ich ja durchaus ein paar Lieblingsstrecken, die ich auf Kundensuche abgrase, aber Einschränkungen wurden mir keine auferlegt.

Und nun habe ich gestern Abend das Gerät zurückgegeben und endlich wieder Platz in meiner Mittelkonsole.

Da ich jetzt schon auf diese Weise unterstützend mitgewirkt habe, möchte ich meinen geneigten Lesern natürlich das Projekt nicht vorenthalten (das naturgemäß derzeit noch Projektstatus hat und erst demnächst in Gänze zu erwerben ist), denn die Ankündigung liest sich extrem spannend:

Berliner Atlas paradoxaler Mobilität

Mal abgesehen davon, dass ich einen zweistelligen Betrag dafür erhalten hab, freue ich mich tatsächlich, wenn ich bei der Umsetzung behilflich sein konnte. 🙂

Blöde Kollegen…

Ich hab ja echt nicht vor, mich dauernd über Kollegen zu beschweren. Zum einen ist es ja nicht so, dass die Straßen wirklich voll von Arschlöchern im Taxifahrergewand sind, zum anderen bin ich ja beileibe nicht perfekt und will mich gar nicht als oberster Moralapostel gerieren.

Aber manchmal geht es einfach nicht anders.

Am Wochenende stand ich zum Beispiel mal wieder in Erwartung einer hoffentlich langen Tour zu einem der Flughäfen morgens am Ostbahnhof. Vier Kollegen standen bereits auf Rücke 1, ich hielt tapfer die Abstauberposition auf der anderen Straßenseite. Das ist kein schlechter Standpunkt, es gibt immer noch viele Menschen, die dort das erste Taxi nehmen, weil sie vermuten, es wären zwei getrennte Schlangen. Am niedlichsten sind dabei übrigens die, die tatsächlich glauben, man müsste je nach Fahrtrichtung entweder auf der einen oder der anderen Seite einsteigen. Ich kläre sie dann manchmal über dieses lustige Ding vor meinem Bauch auf, mit dem man den Wagen wenden kann 😉

Aber gut. Irgendwann hat der vierte Kollege auf der anderen Seite wohl einen Funkauftrag bekommen und der Platz war frei für mich. Ich hab also gewendet, mich in die Lücke eingefädelt und mir zu Unterhaltungszwecken mein Handy geschnappt.

Aus dem Augenwinkel hab ich auf dem Gehweg eine Bewegung realisiert und mich umgedreht. Auf einer Stufe am Bordstein, etwa 4 Meter von meinem Auto entfernt saß eine junge Frau. Rote Haare, ein nicht mehr ganz taufrisches Kleid am Leib, barfuß und mit Tränen in den Augen. Sie hat mich kurz angesehen, sich dann aber wieder abgewandt, und so ließ ich es dabei bewenden. Ich wäre zwar durchaus interessiert daran gewesen, was ihr so den Abend versaut hat, aber ich war ja auch zum Arbeiten da.
Kurz darauf kam dann auch ein Freund von ihr vorbei, sie unterhielten sich kurz, hab ich alles nur so nebenbei mitbekommen. Das Fenster war zu, sie wollten nix von mir – wayne?

Irgendwann kam dann der Freund allerdings doch angelatscht und bat mich, die Scheibe herunterzulassen:

„Ja bitte?“

„Entschuldigung, würden sie uns fahren?“

„Na selbstverständlich!“

„Ist aber nicht weit…“

„Das ist doch egal.“

Also hat er seine Holde aufgesammelt und sie sind beide in mein Taxi gekrabbelt. Er hinten, sie vorne. Ihr Ziel lag jetzt wirklich nicht weit weg, aber passable 7 € sind nebst einem Trinkgeld dann auch ein Zehner gewesen. Die beiden sind echt nett gewesen, und auch über die Tatsache, dass sie ein wenig betrunken war, konnte man gut hinwegsehen. Der Grund für ihre Taxifahrt war, dass die werten Dame eine Fußverletzung hatte. Ich vermute mal eine eingtretene Glasscherbe oder ähnliches.
Der Grund, warum sie bei mir im Taxi saßen, war indes der, dass alle vier Kollegen am Stand ihr offensichtlich eine Abfuhr erteilt hatten. Ob jetzt wegen der Strecke oder des Fußes oder trotz des Fußes aber wegen der Strecke: Keine Ahnung!

Aber echt: ‚Ne verletzte junge Frau abweisen und dann weiter eine halbe Stunde Zeitung lesen… prima! Kunden müssen ja was wahnsinnig enervierendes sein, wenn man so lange am Kreuzworträtsel der Bild verzweifelt…

Beziehungskrise auf Russisch?

Manchmal hat man so Fahrten, bei denen man sich sicher ist, dass irgendwas passiert. Und das sind nicht unbedingt die schönsten.

Die Wochenendschicht verlief weitgehend schlecht. Endlich hatte ich Glück mit einer Tour von Friedrichshain bis nach Neu-Hohenschönhausen. Bis dahin sind die Fahrten meist eher innerhalb eines Stadtteils geblieben. Ich war also auf der Suche nach Fahrgästen, die mir innerhalb der letzten anderthalb Stunden noch ordentlichen Umsatz in die Kasse spülen. In Hohenschönhausen. Nee, is klar… 😉

Ich war also auf dem Weg in die Stadt, als zwei alles andere als seriös wirkende junge Männer plötzlich auf der linken Fahrbahnseite aufkreuzten und mich heranwinkten. Gleich zu Beginn war ich skeptisch, da sie sich in bester Räuber-Manier verteilten: Einer setzte sich auf den Beifahrersitz, der andere stieg direkt hinter mir ein. Das hat natürlich nicht per se was zu sagen, aber die Kombination ist selten genug, um sich Gedanken zu machen…

Es waren zwei reichlich alkoholisierte Russen mit einem mordsmäßigen Akzent. Darüber hinaus wirkten sie so mittelprächtig harmlos.

„Fahrs duuns Schonfeld?“

„Schönefeld?“

„Da!“

Dann folgte erst einmal das obligatorische Preisgefeilsche. Ich hab gesagt, dass ich am liebsten die Uhr laufen lassen würde, ansonsten wären 35 € pauschal auch ok. Nach einigem hin und her – während wir allerdings schon gefahren sind – haben wir uns auf 30 € geeinigt. Die Uhr hab ich dennoch mitlaufen lassen. Zur Sicherheit. Wenn mir die beiden Spaßvögel verduften, möchte ich wenigstens was zum Vorzeigen haben.

„Anderes! Brings duuns ’nkstelle!“

„Tankstelle? Welche?“

„Egal, fahrsdu hier!“

Zwei Minuten später:

„Nein! Fahrsdu Schonfeld!“

Das ist ehrlich kein gutes Zeichen: Den beiden schien das Ziel eigentlich egal zu sein, und so ganz geheuer waren sie mir immer noch nicht. Ich hab dann gegenüber einer Tanke an der Rhinstraße angehalten und gefragt, ob sie jetzt dorthin wollten oder nicht. Es ging ihnen offenbar um einen weiteren Alk-Einkauf, und ich hab sie letztlich überredet, kurz zur Tanke zu gehen, und dann weiterzufahren. Das war tatsächlich eine strategische Entscheidung. Zum einen hab ich zu dem Zeitpunkt gehofft, dass sie vielleicht doch gleich endgültig aussteigen würden. Dann würde ich zwar kaum Kohle verdienen, mir allerdings viel Stress mit wechselnden Zielen ersparen und bräuchte mir gar keine Sorgen bezüglich eines Überfalls machen.
Sollten sie doch weiterfahren… naja, sagen wir es so: Ich hab sie direkt vor einer Videokamera an der Tanke aussteigen lassen und meine Tageseinnahmen sowie Handy und Kamera in den größten Tiefen meines Autos versteckt. Als sie dann erfolgreich mit Erdbeerlikör (!) wieder ankamen, hätten sie mir höchstens noch 40 € Wechselgeld abnehmen können 😉

Jetzt, da sie mit Lebenselexier ausgestattet waren, war die Stimmung aber gleich viel besser. Ja, es wurde tatsächlich sogar eine recht nette Fahrt. Der eine ist gleich eingeschlafen und der andere hat sich wie so viele Kunden interessiert am Taxifahren gezeigt. Er hat mir dann auch das Ziel genau definiert, und ich hab bei einem Blick aufs Navi feststellen können, dass die vereinbarten 30 € dafür völlig ok waren. Letztlich sollte ich die Uhr etwa einen Kilometer vor dem Ziel ausschalten.

Viel interessanter wurde allerdings die Situation der beiden. Denn sie sind nur mit dem Taxi unterwegs gewesen, weil sie sich mit mindestens einer ihrer Freundinnen gestritten hatten. Selbige war offenbar ein paar Stunden zuvor wutentbrannt mit dem Auto des einen davongeprescht – nach dem die beiden großkotzig verkündet hatten, sie würden eben heimlaufen. Die zwanzig Kilometer…

Als wir mehr oder weniger in der Einflugschneise zu ihrer Heimat waren und er inzwischen mit seiner Freundin „telefoniert“ hat (sie hätten sich wahrscheinlich bei der Lautstärke das Telefon sparen können), bekam ich noch ein paar unwesentliche Details zu hören.

1. Die Wohnlage:

„Is Plattenbau. Aber bessere. Nicht dass du denkst, hier Ghetto und so!“

2. Mein Geld:

„Haben wir nix Geld. Kriegsdu von Freundin! Keine Angst, klappt sicher!“

3. Verhaltenstipps:

„Vielleicht hälst besser bisschen weiter. Egal was passiert: Nicht wegfahren. Kriegst du Geld! Wird sicher nix schön. Wir kriegen große Ärger!“

Puh! Na heilige Scheiße! Bezahlen soll mich also ausgerechnet die Freundin, mit denen die beiden gerade den offensichtlich größten Streit ever haben. Konnte mir ja nix besseres passieren… 🙁

Am Ziel angekommen bekam ich erstmal eine Zigarette aufgedrängt. Der Schlaftrunkene wachte erst nach dem Herausziehen aus dem Auto durch seinen Freund langsam auf, selbiger war hochnervös und ermahnte mich immerzu, ich solle auf alles gefasst sein.
Dann öffnete sich die Tür und mit stampfenden Schritten stürmte eine schon reichlich abgeschminkt aussehende Freundin geradewegs auf mich zu. Für einen kurzen Moment hab ich mir echt überlegt, ob ich der Situation nicht besser bewaffnet hätte begegnen sollen. Die beiden Jungs würdigte sie keines Blickes, und entgegen der ersten Erwartungen stoppte sie vor mir. Sie holte ein Portemonnaie heraus und fragte mit echter Höflichkeit aber aufgesetzter Beherrschung:

„Was kriegen sie denn?“

„Wir haben 30 € ausgemacht.“

„Bitte.“

Das war es dann. Ich war sicher und ich hatte mein Geld. Die Freundin stampfte wutentbrannt und immer noch ohne die Jungs anzuschauen oder auf deren Beschwichtigungen, Vorwürfe, Begrüßungsfloskeln und Lallereien zu achten davon.

Die beiden Helden der Nacht schlichen gesenkten Hauptes hinterher und bereiteten sich seelisch auf „große Ärger“ vor.

Und ich? Nix wie weg! 😀

Lange Taxifahrt, hoher Preis?

Peter hat in den Kommentaren von einer ziemlich mies verlaufenen Taxifahrt erzählt. Also erstmal ist es natürlich schade, dass man sowas immer wieder hören muss!
Dann hat er aber folgende Frage gestellt:

Was ich aber nicht ganz verstehe: Warum ist es üblich für Fahrten nach “weit außerhalb” mehr zu nehmen, als nach Taxameter? Der Tarif ist für mich die Obergrenze was ich zahlen möchte, egal wie weit es geht. Aber gerade für weite Strecken (die dann irgendwann zwangsläufig außerhalb des Pflichtfahrgebietes liegen) hatte ich eigentlich einen Rabatt erwartet. Deswegen bin ich verwundert, dass es sogar anders herum sein soll!?

Ja, das ist auch eine der unverständlichsten Problematiken im Taxigewerbe: Warum sind lange Fahrten besonders teuer?

Dazu muss man zwei Dinge betrachten: Zum einen die umsatzbasierte Bezahlung von uns Fahrern und zum anderen die Existenz des Pflichtfahrgebietes und seine Bedeutung.

Zur Bezahlung: In irgendeiner Form sind die Fahrer im Taxigewerbe meist am Umsatz beteiligt. Im Extremfall wie bei mir besteht der ganze Lohn ausschließlich aus einer Umsatzbeteiligung. Sollte man also nicht selbständig sein (dann kann man seinen Lohn ja quasi frei bestimmen) kostet man einen guten Teil des Umsatzes. Ich selbst kriege 45% des Umsatzes als Bruttolohn laut Arbeitsvertrag – in der Rechnung meiner Chefs dürften das mit Lohnnebenkosten über 50% sein.
Bei einer weiten und damit schnellen Fahrt (Autobahn, Landstraße) verdiene ich als Fahrer also ziemlich viel. Während ein Fahrer mit Stundenlohn vielleicht für die 100 km Wegstrecke nur die Stunde hin und eine zurück à 10 € gezahlt bekommt, würde ich in der Stunde Hinfahrt mal eben 60 € verdienen. Das Rechenbeispiel ist nur grob und orientiert sich am Berliner Tarif, der für alle Kilometer ab dem achten 1,28 € beträgt.

Jetzt betrachten wir zwischenrein mal das Pflichtfahrgebiet. Das Pflichtfahrgebiet ist die Stadt (oder der Landkreis) in dem wir mit dem Taxi unterwegs sind und eine Beförderungspflicht haben. Sprich: Dort müssen wir hinfahren und dort dürfen wir auch Kunden aufnehmen. Verlassen wir dieses Pflichtfahrgebiet für eine weite Strecke, dann müssen wir zwangsläufig leer wieder zurückfahren, da wir außerhalb (bzw. im Pflichtfahrgebiet der anderen Stadt) nicht berechtigt sind, Kunden aufzunehmen – außer wenn wir direkt bestellt sind. Auch das hat seinen Sinn, schließlich gelten dort andere Taxitarife, auf die unsere Taxameter nicht eingestellt sind – und die Kollegen dort wollen ja auch von etwas leben. Um es kurz zu machen: Für eine Fahrt weit außerhalb des Pflichtfahrgebietes entstehen uns (also unseren Chefs) Kosten für die leere Fahrt zurück.

Die Kombination dieser Dinge sorgt dann für den höheren Preis:
Wenn ich für 128 € 100 km weit weg fahre, dann muss mein Chef bereits für den Fahrer rund 60 bis 70 € einplanen. Wenn wir dann von den üblichen Betriebskosten eines Autos von 25 bis 35 Cent pro Kilometer ausgehen, kommen wir schnell an den Punkt, wo der Chef rechnerisch ein Minus macht, weil diese Kosten für 200 km (Hin- und Rückfahrt) anfallen – also 50 bis 70 € betragen.
Auch hier: Die Werte sind sehr grob, sie dienen nur der Veranschaulichung.

Dass das bei Peters doch noch recht kurzer Strecke bereits viel ausgemacht hat, glaube ich nicht, mein Chef sagt mir auch, dass ich bis zum Berliner Ring ohne weiteres nach Taxameter fahren kann. Aber grundsätzlich ist es eben so, dass bei einer weiten Fahrt der Rückweg mit eingepreist werden muss. Denn die Tarife sind im Hinblick auf die Gegebenheiten des Pflichtfahrgebietes ausgehandelt. Dort decken sie auch die üblichen Leerkilometer bis zur nächsten Halte etc. ab, bei allem was darüber hinausgeht, kann die Sache eben anders aussehen.

Ich möchte im Übrigen klarstellen, dass das in anderen Kreisen gleich ganz anders sein kann, wenn dort die Entlohnung der Fahrer oder die Tarife besonders von Berlin abweichen!
Grundsätzlich – also auch ohne die Fahrerlöhne zu betrachten – lässt es sich darauf herunterbrechen, dass man bei weiten Strecken die Rückfahrt auch bezahlen muss, weil das Taxi diese Strecke zwingend leer zurücklegen muss.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig zur Klärung beitragen.

Ich wäre übrigens froh, wenn ihr mir solche Fragen per Mail zukommen lasst. Ich hab zwar das Formular „Frage an Sash“ gelöscht, aber meine Mailadresse findet sich unter Kontakt und Impressum immer noch. Per Mail kann ich sie persönlicher beantworten (wenn ich keinen Artikel daraus mache) und dann gehen sie nicht verloren unter einem Artikel oder einer Seite, wo sie thematisch nicht so wirklich passen 🙂

Polizei und Verkehr

Als Taxifahrer kommt man nicht umhin, gelegentlich mit dem uniformierten Teil der Bevölkerung in Kontakt zu kommen. Zum einen hat man tatsächlich mal Anliegen, bei denen sie eine Hilfe sein können, zum anderen sind Nachts auf Berlins Straßen sowieso fast nur Taxen und Polizeifahrzeuge unterwegs. Von kleinen Konflikten bezüglich der Verkehrsregeln ganz zu schweigen. 😉

Ich will jetzt aber gar nicht so weit ausholen bezüglich meines Verhältnisses zur Polizei, ich wollte mich einfach mal ein bisschen beschweren über den Umgang einiger Staatsbediensteter mit der StVO.

„Dass die Polizei alles darf“ ist ja leider ein weit verbreitetes Bild in der Gesellschaft. Das wird im Allgemeinen durch die Medien gestützt, und ebenso wie eine erschreckend hohe Anzahl an Menschen in diesem Land bei schweren Verbrechen eine Körperverletzung seitens der Beamten für durchaus angemessen empfindet, so finden auch viele es ganz normal, dass im Verkehr für die Gesetzeshüter eben genau die Gesetze anscheinend nicht gelten. Abgesehen von denen, deren Bildungsniveau schon bei den Überschriften der Bild an seine Grenzen stößt, lehnen die meisten es vielleicht noch ab, wenn die Polizei wie bei „Alarm für Cobra 11“ schwere Verkehrsunfälle mit Todesfolge für eine legitime Ermittlungsarbeit hält, beim alltäglichen Rasen und Nötigen lächeln viele dann doch und tun es als Kleinigkeit ab.

Warum eigentlich?

In erster Linie sind Polizisten selbst im Dienst normale Verkehrsteilnehmer und haben sich im Interesse der Sicherheit an die selben Regeln zu halten wie jeder andere auch. Sie stehen nicht über dem Gesetz – wenn man nicht an den inzwischen berühmten „Richter Bleifuß“ gerät, dessen abenteuerlich egoistische Auslegung der StVO aber sicher auch bald ein Ende haben wird.

Ich hab nun wirklich kein großes Interesse am Erbsenzählen und finde es durchaus in Ordnung, wenn mal der gesunde Menschenverstand hier und da zu Ungunsten des gesetzlichen Wortlautes verwendet wird. Aber warum bitte wundere ich mich inzwischen, wenn ich mal auf ein Einsatzfahrzeug treffe, das sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hält?

Neulich bin ich erst wieder auf der Autobahn im ach so gefährlichen Tunnel von einem silber-blauen Geschoss mit 150 Sachen überholt worden. Wo soll denn da bitte mein Gefahrenbewusstsein herkommen?
Und was das Einsetzen von Blaulicht und „Einsatzhorn“ angeht, haben einige in Berlin ein bisschen Nachschulung nötig. Während ein gemeinsames Mannschaftsfrühstück beim McDonalds am Ostbahnhof offenbar als Bedingung für Blaulicht ausreicht (Ich vermute mal „Abwendung von schweren gesundheitlichen Schäden“ nach §38 StVO), hatte ich nun auch schon öfter mal Begnungen mit dängelnden Gesetzeshütern, die auf ihr Anliegen glaubten, mit Hupe oder Lichthupe hinweisen zu müssen – wohl im Wissen darum, dass sie eigentlich gerade keine Sonderfahrrechte genießen.
So wurde ich neulich erst genötigt, in der (zugegeben schmalen) Adalbertstraße rückwärts zu fahren, bloß weil ein übereifriger Polizist seine Fahrzeuglänge beim Abbiegen falsch eingeschätzt hat und sich damit zwischen mir und der Fahrbahnbegrenzung eingekeilt hat. Aber sowohl mein Fahrgast als auch ich waren uns einig, dass es den Ärger nicht wert gewesen wäre, einfach zurück zu hupen und zu warten…

Für mich persönlich besonders ärgerlich ist das ständige Halten der Einsatzfahrzeuge am Taxistand am Ostbahnhof. Eine Menge Falschparker blockiert da ständig den Betrieb und sorgt für Verwirrung, da bedarf es wirklich keiner Polizisten mehr, die das auch noch vormachen. Was wohl passieren würde, wenn wir mal deren Parkplatz dort vor Ort als Halte benutzen?

Ganz widerlich sind natürlich die Typen, die sich – wie Klaus eindrucksvoll geschildert hat – Sonderrechte auch noch rausnehmen, wenn sie gar nicht im Dienst sind, und sich auf ihren Status berufen, sobald ihnen jemand ein Vergehen zum Vorwurf macht, bzw. sogar damit drohen, ihre Funktion auszunutzen, um einem das Leben schwer zu machen.
Aber wahrscheinlich sind das genau die Polizisten, die ihr Einsatzfahrzeug hier beim Kaiser’s vor meiner Türe auf dem Behindertenparkplatz abstellen, wenn sie sich ihr Mittagessen holen. In diesem Fall mit dem Behindertenparkplatz kann man meiner Meinung dann allerdings darüber nachdenken, ob nicht das Verhalten selbst sozusagen schon die Berechtigung begründet…

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Arbeitnehmer im Taxigewerbe

Man gewöhnt sich ganz schön an Luxus.

Ich meine jetzt damit gar nicht so sehr den materiellen, sondern viel mehr auch den emotionalen. Ich schreibe hier verdammt viel darüber, warum mein Job mir Spaß macht und warum ich ihn so gerne habe. Das liegt zu großen Teilen an den Fahrgästen, bzw. natürlich auch daran, dass ich mit Menschen relativ gut umgehen kann.

Der Verdienst – sind wir mal ehrlich! – gehört weniger dazu, die Arbeitsbedingungen dagegen umso mehr. Das betrifft schon ganz einfache Dinge: Wenn ich zur S-Bahn komme, und meine Bahn am Bahnsteig steht, dann renne ich aus Prinzip nicht mehr! Entweder sie ist noch da, wenn ich einsteige, oder ich hab noch 5 Minuten zum Lesen. Diese Vorstellung, ich müsste eine Bahn erwischen, um pünktlich bei der Arbeit zu sein… die kommt mir inzwischen grotesk vor.
Ich hätte zum Beispiel am Freitag meine Abrechnung machen müssen. Die meisten Kollegen rechnen ein- oder mehrmals die Woche ab, sprich: Bringen Cheffe das Geld vorbei – ich selbst mache es nur monatlich, weil ich dafür früher aufstehen muss und eine Stunde Bahnfahren. Jetzt hat mir Freitag aber mal sowas von gar nicht gepasst. Ich war müde, bin spät aufgestanden, und zudem war es der letzte Tag in 2 Wochen, in denen ich das Auto nicht hatte. Also hab ich kurzfristig angefragt, ob ich auch am Montag abrechnen könne. Ich bin zwar schon davon ausgegangen, dass es geht – aber man möchte ja nicht als der dastehen, der sich reihenweise Extrawürste gönnt.

War aber kein Problem.

Gestern hatte ich das Auto vor der Türe, sowieso nicht geschlafen und beschlossen, meinen Chefs die Freude zu machen, wenigstens früh vorbeizukommen, damit sie danach ihre Ruhe haben zum Arbeiten.
Entgegen der landsläufigen Meinung arbeiten nämlich tatsächlich auch Chefs – und meine gehören zu denen, mit denen ich bestimmt nicht tauschen wollte…

(Also jetzt nicht nur wegen mir als Arbeitnehmer… 😉 )

Was mir am Taxigewerbe gefällt, sind die flachen Hierarchien. Nicht mal unbedingt, weil ich dadurch als Arbeitnehmer besser dastehe, sondern weil ich es grundsätzlich interessanter finde, Menschen mehr auf Augenhöhe zu begegnen, als eventuell bestehende Machtgefälle in welche Richtung auch immer auszunutzen.

Das ist natürlich nicht nur bei uns im Gewerbe so, beziehungsweise auch nicht überall bei uns. Ich hab ja aber durch Zufall den richtigen Arbeitgeber gefunden, und so kam es dann, dass ich bevor ich unser Büro betreten habe, von Cheffe selbst zum Chinesen gegenüber gewunken und dort zum Essen eingeladen worden bin.
In meinen Augen war das eine wirklich gute Atmosphäre, um z.B. die Sache mit Einkaufswagen und dem Rücklicht zu besprechen. Während unser firmeninterner Schrauber gleich in Aussicht gestellt hat, dass es wegen der blöden Ersatzteilpolitik von Opel sein könnte, dass wir sogar gleich zwei neue Rücklichter brauchen könnten, hat mein Chef sich im Wissen um die eigentlich sehr nette Kundschaft später erst einmal an den PC gesetzt, um nach gebrauchten Teilen zu suchen. Was daraus wird, weiss ich noch nicht – ich hoffe mal, er wird fündig!

Zunächst haben wir aber tatsächlich noch ein paar Worte übers Schreiben verloren, denn eine der Taxizeitungen in Berlin sucht offenbar verzweifelt nach Content jeder Art. Dass ich blogge, wissen die Leute in der Firma ja inzwischen, wenngleich mein Chef sagt, er liest nicht hier, weil er es für indiskret halten würde. Naja, jedenfalls versucht also gerade ausgerechnet er mich in meiner zeitintensiven Nebenbeschäftigung zu fördern und mich nicht unter Wert weiterzuvermitteln. Das hat auch was 😀

Die Abrechnung selbst war eigentlich nicht der Rede wert – wenn man mal davon absieht, dass es ohnehin das einzige Mal im Monat ist, dass ich meine Chefs persönlich sehe. Alles weitere klärt man ja heute mit Mails und SMS, gelegentlich dann noch via Telefon.
Nun bin ich also wieder auf dem laufenden Stand bezüglich der Geschehnisse in der Firma, hatte trotz etwas „Arbeit“ (an einem freien Tag) einen entspannten Nachmittag und freue mich ehrlich gesagt aufs nächste Mal.

Vielleicht werde ich es eines Tages bereuen, dass ich nicht zugunsten einiger hundert Euro mehr im Monat einen anderen Beruf ergriffen habe. Das kann schon sein, und das sollte sich auch jeder gut überlegen, der gerne Taxifahrer werden will, weil er im Internet ein paar lustige Geschichten gelesen hat – aber gerade bin ich hier genau richtig!
Und in Anbetracht der Tatsache, dass ich nebenher künftig noch mehr schreiben will, bin ich sogar eigentlich als Angestellter genau richtig in diesem Gewerbe.