Schwaben und Berlin…

Ich muss ja zugeben, dass ich mit meinem Umzug nach Berlin nicht gerade die allerinnovativste Idee hatte. Ich bin aus meinem Freundeskreis nicht der erste, der sich auf den Weg in die Hauptstadt gemacht hat, außerdem habe ich hier angekommen feststellen dürfen, dass sich die Schwaben hier in Berlin schon weit genug ausgebreitet haben, um quasi als vollwertige Minderheit als angreifenswert zu gelten.

Ich bin ja als aufgeschlossener Mensch weder sonderlich lokalpatriotisch, noch habe ich ein Problem damit, über gewisse Marotten zu lächeln, die mir vorgehalten werden. Zumal – im konkreten Fall Berlin – viele meiner ehemaligen Landsleute sich ja tatsächlich aktiv an den Gentrifizierungsprozessen in verschiedenen Stadtteilen beteiligen, was zweifelsohne den Charakter vieler Viertel gerade in Friedrichshain und Prenzl’berg dauerhaft und nicht unbedingt zum Vorteil verändert.

Moment? Habe ich „Prenzl’berg“ gesagt?

Dafür muss ich mich wohl entschuldigen, denn laut einem Fahrgast am vergangenen Donnerstag darf ich das nicht. Nicht als Schwabe!

Ich weiss nicht, gegen welche vermeintliche Benimmregel ich damit verstossen habe, sonderlich auskunftsfreudig war mein Gegenüber diesbezüglich nicht. Süffisant anmerken möchte ich jedoch gerne, dass ich aus Stuttgart keine Vorschriften zur Aussprache von Stadtteilen für Ortsfremde kenne 😉

Naja, die Tour war an sich relativ kurz und unser Gespräch entsprechend auch. Und selbst der Hass war wohl nicht ganz total, immerhin hab ich einen Euro Trinkgeld entgegennehmen dürfen.

Im Großen und Ganzen fühle ich mich hier in Berlin ja wirklich wohl. Die Stadt ist – obwohl ich mir lange Zeit nicht einmal vorstellen konnte, meine Heimat überhaupt zu verlassen – inzwischen definitiv ein neues Zuhause für mich.
Aber entgegen all der absurden Vorwürfe, die einem hier gerne entgegenschlagen, mag ich an Berlin tatsächlich, dass es anders ist. Ich bin auch verdammt froh, dass es hier keine Kehrwoche gibt, wenngleich ich mich wirklich frage, ob es besser ist, jedes Jahr auf die BSR zu schimpfen, weil der Schnee nicht geräumt ist.
Ich bin froh, dass Berlin noch eine recht günstige Stadt ist, und ich finde das Reizvolle an ihr ist ihre Vielfältigkeit. Damit schließe ich ausdrücklich sowohl die Villengegenden in Grunewald, die verratzten Viertel in Kreuzberg und die schnöden Hochhaussiedlungen in Marzahn mit ein.

Ich wohne am Stadtrand, wo ich meine Ruhe habe. Ich will keine Clubs verbieten und keine „soziale Aufwertung“. Ich fühle mich hier zwischen den Arbeitslosen und Niedriglöhnern eigentlich ganz wohl und finde es auch kein Verbrechen, es gut zu finden, dass unsere Bude hier billig ist.

Das Einzige, was ich vielleicht noch mache, ist einen Job auszuüben, den auch ein Nicht-Abiturient aus Prenzlauer Berg machen könnte. Aber sind wir mal ehrlich: Es gibt im Prinzip zwei Sorten Taxifahrer: Die eigentlich Überqualifizierten – und die anderen, über die sich die Berliner so gerne aufregen.

Nein, vielleicht werde ich wirklich nie ein Berliner sein. Aber deswegen bin ich noch lange nicht das böse Berlin-vernichtende Finanzhaimonster aus der anderen Welt. Und komischerweise scheine ich das für genau die Leute zu sein, die sich hier darüber aufregen, dass die von den Schwaben übernommenen Viertel hier auf einmal so intolerant und verschlossen sind…

Bleede Grasdaggl!

14 Kommentare bis “Schwaben und Berlin…”

  1. Ich denke das beruht auf der jahrelangen Isolierung Westberlins und dessen Sonderstellung. Kenne ich als gebürtiger Saarländer auch noch von meinen Ahnen. Da wurden „Reichsdeutsche“ auch immer etwas schief angeschaut, wenn sie „zugezoh“ waren.

    Die Welt ist halt eben doch nur ein kleiner Inzestverein, egal wo man hinschaut.

  2. Anon sagt:

    Viele Schwaben im Schwabenland würden dich nicht mehr als Schwabe bezeichnen. Eigentlich bist du weder Berliner, noch Schwabe. Ich verstehe sowieso nicht, warum man sich so stark mit seiner Herkunft identifizieren sollte. Klar gehört es auch zur Person, aber ich bin doch nicht in erster Linie nicht Europäer, Deutscher, Schwabe oder Öcher Jong, sondern vor allem Mensch.

  3. Klaus sagt:

    Ach komm Sash, die Schwaben sind doch überall auf der Welt DIE Lachnummer. Ob sie es nun wahrhaben wollen oder nicht. Das ist so.
    Und warum wohl?
    Aber morgen, morgen wird’s was geben.
    Und wenn nicht, dann muss ich meine Geburtsurkunde fälschen.

  4. Nihilistin sagt:

    Dit stimmt nich, alle dürfen Prenzelberg sagen. Auch Schwaben. Man beachte aber: PrenzELberg. Kein alberner Apostroph, auf gar keinen Fall ein Deppen-Leerstrich oder was auch immer. Einfach Prenzelberg. So hieß dit schon zu Ostzeiten (und da wohnten ooch schon jenuch Zujereiste, also Studenten aus den 14 DDR-Bezirken), und so heeßt dit ooch jetze noch. Janz demokratisch für alle.

  5. Aro sagt:

    Sorry, Nihilistin, dass ich dir da widerspreche, aber: Niemals habe ich zu DDR-Zeiten „Prenzelberg“ gehört. Das kam doch erst nach der Wende auf.

    @ Sash
    Wieso hattest du doch gleich die Blogs getrennt?
    Ach ja, hier stehen die Taxi-Themen! 😉

  6. Nick sagt:

    Um mich mal wieder unbeliebt zu machen, es ist auch auf keinen Fall PrenZELberg!!!

    Es ist schlicht und einfach Prenzlberg.
    Das ist weder ein Szenebegriff noch durch uns Berliner dialekt- und erbrechtlich geschützt.
    Das ist einfach nur die Abkürzung Prenzl. Berg. (Und der heißt eben nicht Prenzelauer Berg)

    Also lieber Sash, du darfst sagen was du möchtest, nur mit dem berlinern anfangen vielleicht nicht zwingend.
    Dit hört sich nämlich bei zujereisten meist ziemlich bescheiden an.
    Von wegen ‚Icke, dette‘ hastenichjesehn.

  7. Sash sagt:

    @Aro:
    Ja, dieses Mal hat die Fahrt nur als Aufhänger gedient 🙂

    @Klaus:
    Aber schau dir die das hier an. Sowas kenne ich auch nur von hier 😉

  8. Nihilistin sagt:

    @Aro und Nick: Ich jedenfalls bin 1987 in die Rykestrasse nach Prenzelberg gezogen. Ohne Apostroph und zungenbrechendes z-l. Da war das Wort „Wende“ noch unbekannt.
    Ist ja auch egal. Ich bin da 1990 weggezogen, als die ersten Touristenbusse durch die Straßen fuhren. Nix für ungut 🙂

  9. Aro sagt:

    Ja, 1987 stand „Wende“ noch für Kohls Machtübernahme, das stimmt.
    Trotzdem weiß ich noch, wie ich mich irgendwann 1990 über den merkwürdigen Begriff Prenzlberg gewundert habe. Und ich habe vorher auch nicht auf dem Mond gelebt 😉

  10. Nick sagt:

    Dann hieß das früher in der DDR noch Prenzelauer Berg.
    Vielleicht ist das e bei der Wende mit privatisiert und dann verkauft worden, oder die Touristen haben es mitgenommen.
    Man weiß et nich.

  11. Klaus sagt:

    ??? Fehlt da ein Link?
    Ansonsten siehe oben.

  12. Missac sagt:

    Warum du das nicht sagen durftest? Wahrscheinlich weil du kein „richtiger“ Berliner bist für ihn. Denn nur echte Berliner verwenden diese Kürzel – alle anderen inkl. der Touris sagen ja Prenzaluer Berg. 😀 Jaja Sachen gibbet die gibbet gar nich!

  13. Petra sagt:

    Zu dieser Diskussion passt dann der Kommentar aus der BZ

    http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/337069/337070.php

    Richtig heißt es Prenzl.Berg, weil auf den meisten Stadtkarten eben Prenzlauer Berg zu lang ist und andere Namen verdecken könnte.

    Bezüglich des Heimatgefühls, um das es in Sashs Post eigentlich geht, kann ich von mir sagen, dass man mich nicht mehr als Berliner ansehen würde, da meine Eltern mit mir vor fast 50 Jahren im Augzst 1961 nach „Westdeutschland“ gezogen sind.
    Ich war damals 4 Jahre alt. Mit Unterbrechungen lebe ich seitdem in Niedersachsen, aber irgendwie bin ich kein Niedersachse. Wenn ich nach Berlin fahre, dann macht das Herz immer einen kleinen Hüpfer, wenn ich das Ortsschild passiere.
    Ich bin und fühle mich als Berliner – das geht nie weg.

  14. Dirk sagt:

    Junge, Junge, ihr Altberliner seid echtes Spießermaterial,wenn ihr euch an sonem Kleinmist aufhängen könnt …

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