Als letzte Tour des Abends bekam ich just eine Fahrt nach Französisch Buchholz. Nicht gerade ein Stich Richtung Abstellplatz, aber ich mache den Job ja schließlich, um ein bisschen Geld zu verdienen. Da helfen 25 € Umsatz dann ja doch ein wenig 🙂
Mein Fahrgast war ein etwas seltsamer Geselle. Jetzt nicht völlig daneben oder total unsympathisch, aber auch nicht die einfachste Sorte Mensch. Dass ich seine ziemlich kleine Nebenstraße nicht einordnen konnte, hat ihn gar nicht gestört, die würde er mir gerne zeigen.
Im Gegenzug fand er es aber total pervers, wenn Taxifahrer sich eines Navis bedienen und sah sich zudem genötigt, meine Ortskunde durch ein paar völlig am eigentlichen Verwendungszweck vorbeigehende Fragen zu überprüfen. So wollte er wissen, ob ich wüsste, wo die kürzeste Allee Berlins liegt, was wahrscheinlich die belangloseste Information ist, die man als Taxifahrer wissen muss, schon weil es dort nicht einmal eine Adresse zum Anfahren gibt.
Den Gefallen, den Namen Thusnelda-Allee zu nennen, hab ich ihm gemacht. Jetzt kam aber der schwierige Teil: Ich hatte wirklich keine Ahnung, wo ich hinfahren sollte. Also nach Französisch Buchholz komme ich natürlich auch so – aber von der richtigen Seite? Andererseits wollte ich nun nicht gerade vor diesem Möchtegern-Profi („Ick hab ooch ma sowat ähnlichet wie’n P-Schein jemacht. Nur anders eben.“) darum betteln, das Navi anmachen zu dürfen.
Also hab ich meine müdigkeitsgelähmten Sinne gestrafft, und ihm ohne dass er es gemerkt hat, die komplette Fahrtroute aus der Nase gezogen. Das hat so einen Spaß gemacht, das glaubt ihr kaum 😀
Echt, wie weit man mit Satzfragmenten á la
„Und wenn wir dann an der Dings, da ist doch dieses, war es ne Tanke? Naja, da sollte man dann ja, oder nicht?“
kommt: Unglaublich!
Das lief dann etwa so ab:
„Und wenn wir dann an der Dings…“
„Schönhauser?“
„Nee, da kenn ich mich aus, ich mein weiter.“
„Die Pasewalker?“
„Genau. Da ist doch dann dieses, war es ne Tanke?“
„Äh nee, meinst den Getränkehandel?“
„Kann sein. Da sollte man dann ja…“
„Ja, am Getränkehandel musste rechts ab.“
„Sag ich ja.“
Leute, dafür dass ich erst das zweite oder dritte Mal in meinem Leben in Französisch Buchholz war, kannte ich mich aber verdammt gut aus. Mein Fahrgast war jedenfalls beeindruckt. Und 3 Euro Trinkgeld für so einen Spaß…
Naja, Feierabend danach war trotzdem schön 🙂
Man muss nicht alles wissen, sondern nur, wie man es unauffällig herauskriegt.
Nach Buchholz/Niederschönhausen fahre ich übrigens erstaunlich oft, sogar kürzlich vom Ostbahnhof aus
🙂
Guter Artikel, hört sich an, als hättest Du das geschickt gemacht.
Gibts keine Navi, die man gut verbergen kann?
Im Grunde genommen kann es dem Fahrgast doch scheis egal sein, wie er an sein Ziel kommt, mit oder ohne Navigationsgerät….
Ja, mit den Navis ist das so eine Sache… Kann passieren, dass Du Kunden wie diesen hast, die voraussetzen, dass Du mindestens Deinen Landkreis und die angrenzenden Bundesländer in Google-Maps-Auflösung im Kopf hast, kann auch passieren, dass Kunden misstrauisch werden, wenn man zu einem eher einfachen Ziel eben kein Navi benutzt (Tourist bei uns am Bahnhof: „Finden Sie das wirklich ohne Navi? Also, ich würde mich da verfahren“ – ja nun gut, aber man glaubt es kaum, in acht Jahren Taxifahren habe ich die Straßburger Kathedrale, die etwa 5km entfernt liegt, doch schon ein- oder zweimal zuvor angesteuert 🙂 ). Schön aber auch die Blicke, wenn man irgendeine kleine unwichtige Seitengasse einer absoluten Nebenstraße irgendwo in Strunz-Ödingen auf Anhieb kennt (ging mir mal so mit einer Dreihäuserstraße von immenser Verkehrsbedeutung, die ich aus einem mir später unerfindlichen Grund für die Ortskundeprüfung gebüffelt hatte und spätzer nie mehr vergessen konnte)
Da fällt mir doch glatt etwas ähnliches ein. Man kann eben solche Fragespielchen geschickt umdrehen.
@Aro:
So sieht es aus.
Bei mir ist die Ecke hinterstes Dunkelland. Hab ich schon mal erwähnt, dass ich Heinersdorf gedanklich schon als Umland einordne? 😉
@Geek:
Klar könnte es einem egal sein. Ich meine, natürlich würde ich komisch gucken, wenn ein Taxifahrer den Alexanderplatz ins Navi eingibt – aber ich hab auch mal angefangen und war mir bei jeder Selbstverständlichkeit unsicher.
Zu den Navis: Wenn ich ein tragbares hätte, würde ich es mir auch auf der linken Seite anbringen, wo es der Fahrgast zumindest von hinten nicht sieht. Aber ich hab ja ein eingebautes mit schön zentralem Display.
@Daniel:
Unvergessen die Ansage: „Marzahn sagt ihnen was?“
Nicht nur, dass ich da wohne – aber es ist verdammt noch mal ein Ortsteil mit wahrscheinlich fast 100.000 Einwohnern…
Das mit der unbedeutenden Straße passiert allerdings auch immer öfter. Sehr schön, wie Kunden oftmals verallgemeinern und denken, wenn ich diese kleine Straße kenne, dann müsse ich wohl alles kennen. An Zufälle denkt bei der Ortskunde niemand – obwohl es in einer so großen Stadt einfach oft Glück ist, wenn man schon mal in der entsprechenden Straße war.
@Der Maskierte:
Interessante Umkehrvariante 😀
Navi nützt auch nichts, wenn man dasnn z.B. Leidenallee eintippt.
(schätze ich mal, ich benutze ja keins)
@Aro:
Ach, ich hatte schon viel Spaß mit seltsamen Namen und kurioser Aussprache 🙂
[…] Inspiriert durch einen Artikel von Sash. […]
@Sash
Nicht wahr? Vor allem, wenn man sie auch erklärt. 😉