Irgendwie keine gute Nacht heute…

Ich bin mit der Samstagsschicht sehr zufrieden gewesen. Lauter nette Kunden, nicht einmal zu wenige, und sogar die ein oder andere blogbare Fahrt. Folglich haben diese Meldungen auch nichts mit mir zu tun:

Ein Taxifahrer hat in Tegel einen betrunkenen Jugendlichen aus dem Auto gestoßen (Link zur Polizeipressemeldung). Abgesehen davon, dass ich mir gerade nicht erklären kann, wie das physikalisch geht, ist es natürlich zum Kotzen! Keine Ahnung, was vorgefallen ist – aber da der Typ offenbar zu nicht mehr viel in der Lage war, wird er wohl außer vielleicht Kotzen nicht viel angerichtet haben. Und in dem Fall kann man ihn ja trotzdem bis nach Hause bringen…

Und dann ist in Charlottenburg ein Kollege überfallen worden (Link zur Polizeipressemeldung). Gleich von vier Leuten. Was erwarten diese Idioten eigentlich für Umsätze bei uns?

Und zu guter Letzt hab ich mit einigen Kollegen zusammen auch noch via Funk mitbekommen, wie in Kreuzberg ein Fahrer von „Kollegen“ bedroht worden ist. Wobei es wahrscheinlich wie üblich höchstens um einen Kunden oder eine Position am Stand gegangen sein dürfte…

Da kann man ja echt froh sein, wenn man einfach seiner Arbeit nachgehen kann 🙁

Du bis’n ehrlicher Kerl…

Der letzte Monat war bitter, ich könnte gerade ein paar Euro extra vertragen. Nicht, dass ich ernstlich dran geglaubt hätte, aber prima reingelaufen wäre mir eine Viererfahrt zum Puff meiner Wahl oder ein abenteuerlicher Trunkenbold mit einem „Behalt den Fuffi“-Trinkgeld durchaus.

Ein Kandidat für zweiteres hat mich in Treptow entdeckt. Ich hab ihn zwar vorher gesehen, aber da Wochenende war, sah ich mich ausnahmsweise nicht sofort genötigt, den Mittvierziger mit dem ungestümen Ausfallschritt auf mich aufmerksam zu machen. Aber die Ampel war rot, ich stand da so rum und Fahrten ablehnen tue ich dann ja auch nicht. Seine Bewegungen waren auf ganz eigene Art durchaus grazil, und sein Aussehen können alle erahnen, die ebenso gerne wie ich Dr. House bei der Patientenfürsorge sehen und sich an einen gewissen Detective Michael Tritter aus Staffel 3 erinnern.

Gleich vorneweg: Er war netter und wurde ohne Thermometer im Hintern von mir entlassen.

„Wo darf es denn hingehen?“

„Köpenick.“

Als er dann fast eingeschlafen war, hab ich kurz nachgehakt:

„Wohin denn genau?“

„Bisteirgendwannmalgewesenstraße.“

„Haben sie jetzt vielleicht noch eine Hausnummer?“

„Drölf.“

Und weg war er. Aber gut, ich hatte Ortsteil, Straße, Hausnummer. Das reicht im Prinzip, um meinem Job angemessen nachzugehen, und wenn der Kerl was nötig hatte, dann Schlaf! Nach einem halben Kilometer hab ich ihn nochmal aufgeweckt, um ihn an die Anschnallpflicht zu erinnern, weil er reichlich unförmig auf der Rückbank in sich zusammengefallen ist – und so etwa bei Kilometer 3 ist er meiner Bitte dann endgültig nachgekommen. Die weitere Fahrt war Kinderfasching. Ich hätte wahrscheinlich über das Rollfeld des Aéroport Paris-Charles-de-Gaulle nach Köpenick fahren können und er hätte es nicht gemerkt. Ich bin dagegen gemütlich den Anweisungen des Navis hinterhergegurkt, bzw. ich hab es angemacht, als ich nach Köpenick eingeflogen bin. Das Taxameter wollte sich nicht überreden lassen, über die 20,00 € rauszuspringen, was mir mit Blick aufs Trinkgeld weh getan hat, aber auf der anderen Seite wäre es reichlich unverschämt gewesen, über eine Minute dumm in der Gegend rumzustehen, um auf 20,20 € zu warten 😉

Ich hab die Uhr also ausgemacht und ihn angestoßen. Er ist – glücklicherweise – auch gleich aufgewacht und war natürlich völlig konfus. Ich hab ihm beruhigend erklärt, wo wir sind, mich vergewissert, dass wir auch am richtigen Ort sind und ihm den zu zahlenden Betrag genannt. Die folgenden 5 Minuten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Ich sagte ihm, wie viel es kostet, er holt seinen Tabakbeutel raus. er kramt darin rum, stellt fest, dass es nicht sein Geldbeutel ist, steckt ihn ein, sucht seinen Geldbeutel ein paar Sekunden lang. Dann fragt er, wie viel es kostet, lächelt mich an und sagt:

„Nicht böse sein. Bitte! Ich bin doch sternhagel… wie viel kriegste?“

Daraufhin holt er seinen Tabakbeutel raus, kramt darin rum, stellt fest, dass es nicht sein Geldbeutel ist… ich denke, ihr könnt euch vorstellen, dass man das in 5 Minuten ein paar mal durchkauen kann.

Auf das etwa achte

„Nicht böse sein!“

hab ich wie immer geantwortet, dass ich das natürlich nicht bin, aber angefügt, dass ich jetzt dennoch aussteige, um wenigstens eine rauchen zu können. Bei der Gelegenheit bin ich natürlich ganz zufällig bis zu seiner Tür hinten rechts gegangen, hab sie aufgemacht und meine Hilfe angeboten.

Die zu leisten fiel gar nicht schwer, da ich schnell sah, dass sein Geldbeutel am ungünstigst zu erreichenden Platz lag: Unter seiner rechten Schuhsohle. Ich hab ihn hervorgezaubert und ein ungläubiges Lächeln geerntet, als ich ihm das gesuchte Teil unter die Nase gehalten habe. Er war froh, glücklich und fragte natürlich:

„Was kriegste denn jetzt?“

Ich hab geantwortet:

„Immer noch 20 €. Aber nach der zehnten Nachfrage erhöhe ich auf 25…“

Ach, da hat er lachen müssen.

Mit angestrengtem Gesichtsausdruck (Beobachtet mal Dreijährige beim Kacken!) hat er einen Geldschein aus dem Portemonnaie gezogen, ihn prüfend gegens Licht gehalten und mir in die Hand gedrückt:

„Hier haste mal einen Zehner…“

„Sehr gut, die Hälfte ist geschafft!“

Dann folgte wieder eine einminütige autistisch anmutende Suchphase, an deren Ende er mir einen zweiten, ebenso sorgfältig geprüften Schein zuschusterte:

„Hier is‘ noch ein Zehner…“

Das war natürlich ein Fuffi. Ich hab ernstlich mit mir ringen müssen, aber ich kann es einfach nicht. Geht nicht!

„Hey, das is’n Fuffi!“

Ein „Is mir doch egal“ und ich hätte das Ding wahrscheinlich eingesteckt. Er hatte auch noch reichlich davon zur Auswahl, fast schon erstaunlich, dass er davor einen Zehner gefunden hat. Aber man ist ja… lassen wir es den Kunden sagen:

„Mensch, du bis’n ehrlicher Kerl! Hehe. Hättest mich ja richtig übel verarschen können jetzt! Ich bin ja voll wie…“

„Ist schon ok. Also jetzt kriegen sie erstmal den Zehner…“

„Wieviel kriegstn du jetzt?“

„…und dann kriegen sie noch 30, Moment, hier: 30 €!“

„Wat? Ich krieg noch was zurück! Wahnsinn!“

Man kann auch drauf rumhacken 🙁

Naja, eine Zigarette gab es noch als Trinkgeld, und kaum eine Viertelstunde nach Fahrtende war ich auch schon wieder frei. Ich sollte das mit dem Uhranhalten einfach nicht machen…

Die Sitzwahl

Peter hat mich derletzt (ich hab die Mail leider bis heute Nacht übersehen) etwas gefragt:

Hallo Sash,

sehen Taxifahrer es lieber, wenn ich vorne oder hinten einsteige? Ich sorge mich manchmal, ich könnte zu tief in ihre Privatsphäre eindringen, wenn ich vorne einsteige und ich habe auch mal irgendwo gehört, Taxifahrer hätten ihre Gäste lieber hinten. Sorgt auch für eine klare Trennung: Vorne Fahrer, hinten Gast, da ist klar, wer das Sagen über den Verkehr und die Route hat. Oder ist es Dir egal? Aber du bist ja auch ein besonders kommunikativer Taxifahrer offenbar. Wie sehen das die Kollegen? Das würde mich echt mal interessieren, ich frage mich das nämlich schon lange. Vielleicht könntest du in deinem Blog die Frage mal aufgreifen!

Viele Grüße Peter

Gute Frage, schwierige Antwort…

Naja, das Offensichtliche natürlich vorneweg: Laut Taxiordnung hat der Fahrgast die freie Sitzwahl. Ausdrücklich einschließlich des rechten Vordersitzes. §5 sagt dazu unmissverständlich:

(1) Der Fahrgast hat die freie Platzwahl. Alle Fahrgastplätze, insbesondere der Beifahrersitz, sind dazu von Gegenständen freizuhalten.

Eigentlich sollte sich also kein Fahrer ernstlich gestört fühlen dadurch. Aber natürlich ist es ein Unterschied. Und ich möchte durchaus auch die Kollegen, die ihre Zeitung auf dem Beifahrersitz liegen haben, in Schutz nehmen, denn es ist gar nicht so einfach, alles was man für eine 10-Stunden-Schicht so braucht, mal eben nur rund um den Fahrersitz unterzubringen (der Kofferraum soll ja auch frei sein).

Ich bin mir, wenn ich über die Frage nachdenke, nicht wirklich sicher, und das hängt wahrscheinlich wie so oft von den Fahrgästen ab. Manch schweigender mürrischer Zeitgenosse wirkt hinten wesentlich bedrohlicher als vorne, manch Mensch mit feuchter Aussprache und Mundgeruch hätte man lieber hinten – am besten in der dritten Sitzreihe. Für das Gros der Fahrgäste kann ich bei mir keine Präferenzen erkennen, aber die meisten Alleinfahrer steigen ohnehin hinten ein, sodass die, die sich auf den Vordersitz schwingen, meist von sich aus die kommunikativeren Beispiele sind – was sicher die Einschätzung ein wenig verfälscht.

Zumindest bei mir in der Nacht fahren außerdem häufig Gruppen, bei denen es sich oftmals notgedrungen ergibt, dass einer vorne sitzt. Vielleicht können die mitlesenden Kollegen ja mal in den Kommentaren was zu ihrer Einstellung schreiben.

Die Sache mit der Zeit

Hier zeigt sich mal wieder, dass ich nicht schreiben sollte, wenn nicht wirklich Lust drauf habe. Der gestrige Eintrag Best Zeit war ehrlich gesagt ziemlich mies und vor allem unverständlich. Ist mir kurz vor dem Schlafengehen leider ein bisschen entgangen.

Was ich eigentlich feststellen wollte, war, dass die Zeit zwischen 19 und 22 Uhr zumindest hier in Berlin die ist, bei der man am schnellsten durch die Stadt fahren darf. Berlin hat inzwischen wahnsinnig viele 30er-Zonen, die nur zu bestimmten Uhrzeiten gelten. Und zwar fast immer entweder von 7 bis 19 Uhr oder von 22 bis 6 Uhr. Manche gelten noch kürzer, aber zwischen 19 und 22 Uhr gilt soweit ich es gesehen habe, keine dieser Einschränkungen. Das trifft zwar auch auf die Zeit zwischen 6 und 7 Uhr zu, aber ich denke, dass der Berufsverkehr die Vorteile dann außer an Sams- und Sonntagen locker wieder wegfrisst.

Und natürlich ist das Fahren spät nachts um 3 wesentlich gechillter. Man muss allerdings auch viel mehr aufpassen, wenn man dabei nicht auf Punktesuche gehen will… 😉

Best Zeit

Keine Sorge, ich bin nicht unter die absoluten Grammatik-Opfer gegangen – wenngleich ich die Fehlerquote aufgrund unnötig langer, dazu völlig – und ich meine: völlig – unausgegorener Texte, die ich meist ohne große Korrektur runterschreibe, eigentlich für vernachlässig.

Gibt es eine die eine, beste Zeit fürs Autofahren in Berlin?

Ich persönlich bin für 19 – 22 Uhr.

Gegenvorschläge? Und vor allem: Begründungen?

Ihr mal wieder!

Ohne Frage: Ich liebe das Internet.

Dass wir im weltweiten Netz hier zusammenkommen und nicht am Bahnhofskiosk um die Ecke, hat enorme Vorteile. Zum einen, dass wir überhaupt zusammenkommen. Ich hätte die meisten von euch nicht als Leser gefunden, und erst recht wäre ich als Schreiberling aufgeschmissen gewesen, irgendeinem Medium regelmäßig meine Ergüsse anzudrehen, bei dem es sowas wie eine Qualitätskontrolle gibt. Gut, es gäbe noch die Bild, aber hey: Auch Taxifahrer haben noch einen Ruf zu verlieren!

Nein, hier in meiner Weltnetzecke (schwupps, wieder ein Begriff entbraunt!) ist es doch eigentlich ganz gemütlich: Ich hab die Aufmerksamkeit, nach der ich (immer noch irritierterweise) scheinbar strebe – und ihr habt was zu lesen, eventuell zu meckern, und das Ganze für Umme und der guten Laune wegen.

Im Gegensatz zu sonstigen Veröffentlichungen hab ich aber natürlich auch noch was anderes: Mittels einer (wenn auch dürftigen) Statistik einen (wenn auch dürftigen) Überblick darüber, wie viele Leute eigentlich was lesen hier. Das dient eigentlich nur Unterhaltungszwecken, und ich bemühe mich redlich, da nicht viel reinzuinterpretieren.

Aber heute habe ich dann doch schmunzeln müssen, und das kann ich euch nicht vorenthalten. Wie ihr alle (zweifelsohne 🙂 ) gemerkt habt, versuche ich ja gerade wirklich regelmäßig was zu posten. Seit 4 Wochen hab ich es durchgezogen: Jeden Tag ein – wenn auch vielleicht mal kurzer – Artikel. An ein oder zwei Tagen gab es noch etwas Kleingemüse dazu, wenn etwas aktuelles anfiel, oder ich den einen Text zu marginal fand. Bis gestern. In die 48 Stunden vor Beendigung des 16. September 2010 fielen bei mir nicht nur zwei freie Tage, sondern zudem Krankheit, Privatgeschichten, Lustlosigkeit, Zeitmangel und Mäusejagd. Vieles davon mehrfach und wild durcheinander (na gut, hauptsächlich die Mäusejagd!), aber alles mehr oder minder nacheinander, sodass dieser Blog tatsächlich mal eine Pause gemacht hat.

Nun hab ich natürlich mal in die Statistiken geschielt…

Dass auf dem Privatblog wegen eines neuen Artikels mehr Besucher als sonst da waren, das hat mich nicht überrascht. Es war auch nicht bemerkenswert viel mehr – eher so oberes Ende der normalen Schwankungen.

Interessant wurde es dann hier bei gestern-nacht-im-taxi.de: Besucherrekord für diesen Monat, ein Zuwachs um rund 50%. Ich hab kurz darüber nachgedacht. Die logischste Erklärung ist wohl, dass die meisten Feed-Reader-Leser (das kommt auch von der Zahl her etwa hin) wohl eher mir als ihrem Reader getraut haben, und sich vergewissern wollten, ob da nicht doch was passiert ist – oder ob es wenn nicht wenigstens tolle Kommentare gibt oder was weiss ich.

Falls das wirklich so gewesen ist:

Entwarnung erstmal. Ich war ein bisschen krank, etwas unlustig, nicht im Taxi und manchmal offline. Alles kein Weltuntergang, alles in allem müsste ich noch in der Lage sein zu bloggen. War ich nur gestern nicht.

Und danke natürlich! Wenn man schreibt, kann man sich wirklich kaum bessere Leser wünschen, als solche, die (wahrscheinlich irritiert – auf jeden Fall aber interessiert) ihr Leseverhalten mal eben ändern, wenn mal einen Tag (!) nichts passiert!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Is schon ok, wenn du ’n Weib hast…

Also Fahrten zu Bordellen sind wirklich mit die seltsamsten im Taxigewerbe. Manchmal wissen zwar auch nicht geschäftlich Verbandelte zu überraschen und so mancher Puffgänger erweist sich als überaus langweilig. Aber die Besonderheiten des käuflichen Sex wirken natürlich fort bis ins Taxi.

Den Kunden mangelt es grundsätzlich eigentlich nie an Geld (was aber natürlich nicht heissen muss, dass sie es in der Taxifahrt gut angelegt sehen) und die meisten sind (oft bis zur Peinlichkeitsgrenze) mitteilungsbedürftig. Die meisten missinterpretieren unsere Tätigkeit bisweilen als mobile Beichte oder vermuten sonst irgendein ominöses Schweigegelübde in unserer Zunft.

Dass Sexualität auch Privatsache sein kann, ist für die meisten kaum verständlich. Aber darüber wollte ich mich gar nicht beschweren. Damit kann ich leben, und auch wenn ich selbstverständlich Mensch bleibe, wenn ich hinter dem Steuer sitze, kann mich keiner damit schocken, dass er sich auf die Paarung vorbereitet (solange er das gedanklich tut, selbstverständlich).

Neulich hatte ich wieder so einen Spezialfall, bei dem ich mir sicher bin, dass ich eigentlich nicht beschreiben kann, was das wirklich Seltsame an seiner Art war. Die Begrüßung war jedenfalls filmreif:

„Guten Abend! Wo soll es denn hingehen?“

„Wo et hinjehn soll? Na in’n Puff! Jetz komms‘ du!“

Naheliegende Witze über das Verb „kommen“ hab ich vermieden und bin professionell mit ihm zusammen zur Problemlösung übergegangen.

Ich bin ja nach wie vor sicher nicht der Informierteste, was das Gewerbe angeht. Das hat keinen speziellen Grund, es ist wie mit allen Bereichen, bei denen es um nähere Kenntnis geht: Ich selbst sehe von den meisten Einrichtungen, in die meine Kunden so gebracht werden wollen, herzlich wenig. Alleine um all die Clubs mal von innen gesehen zu haben, müsste ich etliche Hunderter an Eintrittsgeld ausgeben, ohne dass ich das wollte. Von den Strapazen, die nötig wären, um Hotelübernachtungen und die Reinlichkeit von Straßenstrich-Prostituierten bewerten zu können, oder die Qualität der geschätzten 15.000 Döner-Stände in der Stadt, will ich mal gar nicht anfangen.
Ich lese viel und lasse mir gerne von Kunden Dinge erzählen, beschreiben und bewerten. Einen Anspruch auf Aktualität und Richtigkeit kann das aber alles gar nicht haben. Mein Wissen wird zweifelsohne wachsen, da bin ich froh drum, aber mehr geht nicht, sorry.

Das kann ich auch nur immer wieder bezüglich Adressen so sagen: Für den Kunden ist es natürlich das selbstverständlichste, dass ich mich jetzt ausgerechnet in dem Bereich, den er gerade für wichtig erachtet, besser auskenne als er. Für mich ist es eventuell doch nur der zehntausendste Berliner Hinterhof, den ich seltener anfahre als die 9.999 anderen.

Mein Kunde jedenfalls hatte jetzt nicht irgendeinen Puff in Aussicht, sondern er wollte, dass ich ihm was tolles zeige. Nummer 1 und 2 hat er gleich mal ausgeschlossen, und „in den Westen“ wollte er gleich dreimal nicht. Also in der Umgebung.

Schade für mich, da die Clubs, die meines Wissens nach vermittelnde Taxifahrer gut entlohnen, alle im Westen angesiedelt sind, aber kein Weltuntergang. Immerhin kannte ich im Umkreis einige Läden sogar bezüglich der Preise.

Aber mein Kunde suchte nun unbedingt nach einem Puff mit Barbetrieb, einer Möglichkeit zum Aussuchen der Damen quasi. Dann sollte es günstig sein – aber bitte nicht total billig! Die Damen sollten jung sein, hübsch sowieso und das natürlich auch jetzt – am frühen Mittwochabend.

Mit anderen Worten: Ich hatte keine Ahnung, auf welchen der Läden auch nur ein Teil der Angaben zutraf. Aber er erklärte sich bereit, sich einfach zu ein paar Adressen mitnehmen zu lassen, die mir einfallen. Die Regelung zwischen uns war einfach: Ich warte eine Zigarettenlänge, und wenn er wieder rauskommt, geht es weiter. Wenn nicht: Erfolgreich, Pflicht erfüllt.

Die ersten beiden Etablissements erfüllten wohl nicht einmal den Barbetrieb, was mich zwei sehr unbefriedigende Zigaretten kostete, die ich nur angezündet hinterlassen musste.

Zu dieser Zeit bot die Diskussion im Taxi als wesentlichen Inhalt meinen Job. Wie viel ich verdiene, ob ich nicht auch noch einen „richtigen Job“ habe, etc. Teils nervig, aber ich bin es ja gewöhnt, und irgendwann spult man da auch nur noch sein Programm ab. Etwas genervt, aber mit Lächeln und gespieltem Enthusiasmus. Wahrscheinlich unterscheidet uns Taxifahrer in solchen Momenten wirklich nicht viel von Nutten.

An jedem Stopp pflegte er ein besonderes Zahlungsritual:

„Wat macht dit jetze? N‘ Fünfer?“

„Nee, leider nicht ganz: 8 €.“

„Na dann’n Zehner! Bitte!“

Über Trinkgeld konnte ich mich also schon mal nicht beschweren. War ja nicht nur ein Stopp. Das Taxameter hat ihn eigentlich gar nicht interessiert, was immerhin schon sehr angenehm und ungewöhnlich ist.

Ich hab das ganze trotz Taxameter-Stopp an den Läden als eine Fahrt verbucht. Ich will nicht übermäßig mitfühlend sein, aber er hat sich meines Unwissens wegen auf eine Rundtour eingelassen. Da kann man im Rahmen der Bestimmungen auch mal kulant sein.

Zum dritten Etablissement bin ich dann tatsächlich noch über den Fluss gefahren, was bei ihm scheinbar irgendeine Ost-West-Phobie ausgelöst hat. Die panische Angst, im Westen zu sein, war aber nur niedlicher Nebeneffekt. Der eine Laden hatte tatsächlich zu, und dann kam er zurück mit den Worten:

„Also die, mit der ick da jetze jesprochen hab – anjeblich die Putze – die hat mal sowas ’ne erotische Stimme, da hätt‘ ick ja fast jehofft, dat die mir schnell mal ein‘ bläst…“

Verbale Inkontinenz und Paarungsdrang. Alles kein Problem. Kommt vor. Auf der Fahrt zum fünften Laden kam dann die Frage:

„Wat is? Warste schonmal in’n Puff?“

„Nee, ehrlich gesagt nicht.“

„Wieso nich?“

„Ich bin ja nun schon eine ganze Weile mit meiner Freundin zusammen…“

„Na und? Muss ja keener mitkriejen! Kiek mir an: Ick war verheiratet, hab 3 Kinder und jeh in’n Puff!“

„Nee danke, ich sehe da ehrlich keinen Grund.“

„Janz ehrlich: Is schon ok, wenn du’n Weib hast. Ick hab dit ja och jahrelang so nich jemacht.“

Na da bin ich aber mal beruhigt. Und Ozie erst! 🙂

Aus der fünften Bude ist er dann tatsächlich nicht mehr rausgekommen. Ich nehme an, dass die Kombination aus den Überzeugungskünsten der Professionellen und der traumatischen Erfahrung mit der körperlosen Putzfrau da zusammengewirkt haben.