Kippende Gespräche

Natürlich schaffe ich es nach fast sieben Jahren im Taxi in der Regel, Gespräche ganz gut zu führen. Machen wir uns nix vor, es ist einfach praktisch für Dienstleister, die Kundschaft in gute Stimmung zu bringen und am Ende vielleicht noch einen Euro Trinkgeld mehr zu bekommen, weil man so nett, einfühlsam oder lustig war. Das heißt natürlich nicht, dass man unbedingt lügen muss, aber auch das soll im Einzelfall schon vorgekommen sein

Mir fiel nun kurz nach dem Losfahren bereits in Lichtenberg Kundschaft ins Auto. In den Wedding. Mal flotte 22 € aus dem Stand, ein guter Start in die Schicht. Sie kamen vom Grillen, schöner Abend, alles supi. Und ich packe unbedarft einen meiner Standardsprüche aus:

„Na, ist dann wenigstens morgen auch Ausschlafen drin, oder geht’s wieder zur Arbeit?“

Klar, das kann tausend Verläufe nehmen. Aber meist freuen sich die Leute übers Ausschlafen oder alternativ über einen lustigen Spruch zu zu kurzen Nächten. Diesmal waren es die 1% „Sonstigen“.

„Nee, Arbeit müssen wa nich‘ mehr. Also nich‘ abeitslos – wir kriejen Rente. Frührente.“

„Is ja auch gut. Dann hoffe ich mal, nicht wegen allzu schlimmer Dinge.“

Da war’s halt wirklich schwer, die Kurve zu kriegen. Wobei das eigentlich fast noch geklappt hätte:

„Na, wejen de Jesundheit. Aba Sie ham schon recht: Is‘ nich‘ so schlimm, also wir sterben noch nich‘ sofort.“

Aber der Schaden war angerichtet. Fortan ging es nur noch ums Sterben, wie früh welcher Verwandte wann und wo und weshalb das Zeitliche gesegnet hat, mit welchen Erkrankungen man sich wie lange noch wie wohl fühlt etc. pp. 🙁

Ja, gehört alles zum Leben und die Fahrt war am Ende ja trotzdem ok. Aber ehrlich gesagt: Mich hat’s trotz des guten Starts am Ende ein wenig runtergezogen. Aber was will man machen? Immer kann’s halt auch nicht klappen …

Von Puffs und Lamas

Ich will mein Licht gewiss nicht unter’n Scheffel stellen, aber es gibt Kollegen, die sind deutlich schlagfertiger als ich. Glücklicherweise, sonst wäre das Leben nämlich nur halb so lustig. Und so geschah es dann, dass sich am Taxistand folgender Dialog ergab, als ein Typ an mich und zwei Kollegen rantrat und zu verstehen gab, dass er mit dem Gedanken spielte, sich Sex käuflich zu erwerben.

„Und wie is’s so mit guten Puffs? Was kostet das hier so?“

„So drei bis vier Scheine sollteste schon minimum rechnen.“

„Und billiger?“

„Kannst in’n Tierpark gehen und dir vom Lama einen blasen lassen.“

😀

Nun ist es so: Natürlich wollte der Kollege einen Laden empfehlen, bei dem für ihn am Ende der berüchtigte gehaltvolle Händedruck bei abfällt. Andererseits hat er in der Folge durchaus gesagt, dass es billigere Läden gibt. Ob das Abraten von denen nun moralisch sinnvoll oder nur geschäftsorientiert war … wahrscheinlich lässt sich darüber streiten. Wie dem auch sei: Das Lama hat seinen Dienst in gewisser Weise getan: Das Eis war gebrochen und der Kollege hat den Kunden tatsächlich zu einem gut zahlenden Etablissement bringen können. Es sei ihm (und dem verschonten Lama) gegönnt. 🙂

Wenn man den Teufel an die Wand malt …

Ich unterhalte mich mit Kollegen nur selten über Kotzer aller Art. An diesem Abend habe ich’s getan und wir gingen auseinander mit dem gegenseitigen Wunsch:

„Naja, möge der Kelch heute an uns vorrübergehen!“

Dann düste er weg zu einem Funkauftrag und mir stieg eine junge Frau ein.

„Ich hab’s leider gar nicht so weit …“

Eine gemütliche 8€-Tour. Bei ungefähr 7 € auf der Uhr aber merkte sie dann an:

„Mir ist eigentlich gar nicht mehr so gut gerade, deswegen bin ich so still. Wäre besser, wenn wir hier schnell anhalten.“

Da ich in der Situation sofort bremsen konnte, war das kein Ding. Zumal sie ja ohnehin zu jenen gehörte, die wenigstens noch was sagen konnten. Noch besser: Anstatt sofort rauszuspringen, bezahlte sie, wartete das Wechselgeld ab und stieg dann erst aus. Ich wurde direkt vor Ort von einem weiteren potenziellen Fahrgast in Beschlag genommen, der jedoch am Ende doch nicht mit mir fuhr. Und erst als ich danach weiterfuhr, sah ich meine Kundin in einen Hauseingang einbiegen und dort losreihern.

Alles, was ich dachte, war:

„Hmm, hätte im Taxi auch bis zur Haustüre gereicht …“

Hab ich schon mal gesagt, dass ich geringfügig pragmatisch veranlagt bin? 😉

Erfreuliche Feierabendwendungen

Die Schicht heute war – bei mir – nicht so dolle. Also hab ich irgendwann das Auto einfach abgestellt, obwohl ich vom Wunschumsatz noch ein Stückchen weg war. Der Monat ist noch jung, das hole ich wieder rein! Und als ich da nun vor der Firma stehe und mich auf den Weg zur Bahn machen will, hält neben mir ein Auto und die Seitenscheibe geht runter. Ach ja, irgendwer will wissen, wo er hin muss … man gewöhnt sich als Taxifahrer daran, nebenberuflich die Auskunft zu sein.

Stattdessen aber war’s ein Kollege, der hier auch in einigen Bloggeschichten schon vorgekommen ist. Vor zwei Stunden hatten wir uns noch am Stand gesehen, nun fragte er aus seiner Privatschüssel raus, wann  meine Bahn kommt.

„In 20 Minuten.“

„Na komm, steig ein!“

Mal eben die Heimfahrt von  eineinviertel Stunden auf 15 Minuten verkürzt. Es ist schon verdammt hilfreich, Taxifahrer zu kennen. 😉

PS: Das ist natürlich ein Geben und Nehmen. Ist nicht so, dass er noch nie in meinem Auto saß oder ich mich nicht schon mal selbst als zahlenden Fahrgast an ihn vermittelt hätte. Die Welt ist bekanntlich ein Dorf und eine Hand wäscht die andere.

Der Ton macht die Musik

Wir Taxifahrer sind wie alle anderen Menschen natürlich auch schnell bei der Hand mit Schubladen, in die wir die Fahrgäste stecken. Wie gesagt: Wie alle anderen Menschen auch. Das macht die Sache nicht besser oder schlechter, aber natürlich versuchen wir – ja, wir müssen das als Dienstleister auch versuchen – die Menschen irgendwie einzuschätzen, die uns spontan ins Auto fallen.

Und ja, was denkt man sich schon, wenn zwei junge und angetrunkene Kerle einem im Herzen Neuköllns vor den (bei mir nur imaginären) Mercedesstern rennen und „Digger, Digger, fahr mal Alex!“ rufen?

Mal ganz ehrlich: Selbst ich rechne da mit einer eher stressigen Fahrt. Und ja, das kommt vor. Das kann schon mal in Preisfeilscherei oder dummes Rumgeprolle ausarten, bei dem man am Ende froh ist, dass man halbwegs seine Kohle bekommen hat. Das Entscheidende ist in meinen Augen das, was uns oft bei der Preisansage das Leben schwer macht: In Wirklichkeit macht man eher selten die selbe Tour zweimal kurz hintereinander, man kann das mitunter nur schwer einschätzen.

Aber die zwei waren nun schon so die Oberchecker-Super-Hardcore-Gangster, wenn man sie mal in Augenschein genommen hätte. Noch besser: Während der Fahrt wurde außerdem klar, dass sie im Taxi saßen, weil der eine von ihnen eine ansehnliche Summe in einem Automatencasino gewonnen hatte und sie von dem Geld Drogen kaufen wollten. Bei aller Faszination für andere Milieus wäre das Wort „seriös“ das letzte, was ich für die beiden verwendet hätte.

Wenn mich aber jemand fragen würde, wer die besten Kunden der letzten zwei Monate waren, dann würde ich mit dem Finger auf die beiden zeigen und sagen:

„Die da – mit weitem Abstand!“

Als sich der eine erkundigte, wie es in der Schicht so laufen würde, hab ich noch alle Überfalls-Präventions-Reflexe beisammen gehabt und gelogen, dass ich noch nicht lange unterwegs sei, also noch kaum Umsatz gemacht hätte. Zwei Kilometer weiter sah das Ganze schon komplett anders aus. Der eine interessierte sich dafür, wie wir Taxifahrer so arbeiten, wie das so wäre mit dem Job, ob das nun eher Sklaverei oder Freiheit sei. Der andere hatte inzwischen in Erfahrung gebracht, dass ich in Marzahn wohne, und versorgte mich mit geschichtlichen Infos zum Stadtteil, in dem er seine Kindheit verbracht hatte.

Und nebenbei beschlossen sie dann, dass es eigentlich ziemlich cool wäre, mit mir nach „dem Deal“ auch wieder zurückzufahren. Dass die Uhr dabei weiterläuft sei natürlich kein Problem. Vor Ort – wo es schwer war, den Typen zu finden, den sie treffen wollten – ist sogar immer einer im Auto geblieben, „nicht, dasste denkst, wir hau’n ab, Digger!“.

Sie haben beide verständnisvoll akzeptiert, dass ich nicht gegen Abbiegeverbote verstoßen darf und darüber gelacht, als ich an eine Einbahnstraße auf dem Weg nicht gedacht hatte und einen kleinen Umweg fahren musste. Sie haben mich gelobt, ganz ehrlich.

„Ach, Digger, besser mit Dir rumcruisen als mit einem, der wo nicht mal mit uns spricht, echt jetzt, Digger!“

Am Ende hat die Fahrt ziemlich genau 30 € gebracht, das kriegt man innerstädtisch ja nur selten hin. Und anstatt sich zu beschweren, zu seufzen oder dergleichen haben sie die Tour mit 35 € bezahlt und zuvor noch verschwörerisch gefragt:

„Aber das Trinkgeld geht auch wirklich an Dich, oder?“

Sicher: Bei solchen Typen springt nicht immer eine solche Tour raus.
Andererseits möchte ich zu bedenken geben: Extrem stressige Fahrten verblogge ich auch immer. Also viel Spaß beim Suchen! 🙂

Telefondienst

Ich war erster am Stand, quatschte mit einem Kollegen – und plötzlich waren sie da. Zwei Jungs, vielleicht um die 20, eher keine Deutschen. Der eine reichte mir sein Handy:

„Here.“

Ich ging ran. Schon wieder so eine nervige telefongeführte Tour?

Ne, eher nicht. Hier unser Telefonat:

„Hallo, wer ist dran?“

„Hallo, diese Mann wo gegeben Telefon nicht sprechen deutsch.“

„Das dachte ich mir schon. Was ist los?“

„Wo sind Sie, die Straße?“

„Wir sind gerade am Ostbahnhof. Auch die Straße heißt „Am Ostbahnhof“.“

„Ostbahnhof, ja?“

„Ja, direkt am Ostbahnhof.“

„Ah, ok, is gut.“

„Soll ich Sie wieder weiterreichen?“

„Äh … nein, schon gut.“

Dann hat er aufgelegt, ich hab das Handy zurückgegeben und die beiden Jungs sind weggegangen. Und ich hatte mal wieder keine Ahnung, was ich da gerade getan hatte.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Dafuq?

Manchmal weiß man als Taxifahrer ja nicht, ob man Fahrgäste für komisch halten soll wegen dem, was sie sagen – oder oder dem, wie sie es sagen.

Der Typ, um den es geht, kam wie gerufen. Ich hatte gerade eine Tour beendet, gewendet und schon stand er da. Mit einem Rollkoffer, den er gerne neben sich auf die Rückbank quetschen wollte und einer Fahrt von ungefähr 800 Metern.

„Na, da mache ich mal Kurzstrecke, oder?“

„Das wäre sehr nett. Und sie sollten übrigens unbedingt mal Sport betreiben.“

WTF?

Und nun mal im Ernst: Ich weiß, dass ich übergewichtig bin. So weit, so offensichtlich. Ebenso ist mir bewusst, dass im Sitzen arbeiten und Übergewicht eine schlechte Combo ist. Um zu der Erkenntnis zu gelangen, braucht man sich ironischerweise nicht einmal aus dem Haus zu bewegen. Aber was zur Hölle bewegt Menschen zu so einem Gesprächseinstieg? Ich habe noch nie Fahrgäste begrüßt, indem ich gesagt habe, dass das jetzt ungefähr 20 € kostet und sie sich mal einen anderen Modegeschmack zulegen oder endlich die Abendschule besuchen sollten, damit aus ihnen auch noch was wird. Und es ist beileibe nicht so, dass es mir dafür an Adressaten gemangelt hätte.

Aber der Typ war merkbefreit. Binnen anderthalb Minuten hat er weiter runtergebetet, wie wichtig Sport wäre und wie hart mein Job mit dem ständigen Sitzen doch sei. Die Fahrt blieb trinkgeldlos und am Ende verbrachten wir noch einige Zeit damit, eine Münze zu suchen, die er in meinem Auto verloren hatte. Weniger schlau geworden bin ich selten aus Fahrgästen.

Was vielleicht noch erwähnenswert ist: Er selbst hatte meiner semiprofessionellen Schätzung nach ungefähr 40 kg Übergewicht.