Die Zufälle…

Wenngleich es sich selten lohnt, fahre ich gerne die Danziger Str. von der Schönhauser bis zur Warschauer lang, um nach Winkern zu sehen. Dafür nehme ich auch mal einen kleinen Umweg in Kauf. Nun hat es sich also mal wieder gelohnt. 2 Damen winkten mich an der Petersburger Str. heran und die eine verkündete mir gleich:

„Nach Johannisthal bitte…“

OK! Das ist mal eine Tour, wie man sie sich wünscht.

„Und vorher lassen wir sie an der Frankfurter raus, bei einem anderen Taxi…“

„Warum das?“

„Naja, sie muss nach Hellersdorf, und das lohnt sich nicht mit einem Taxi!“

Na gut, finanziell schenkt es sich für die Kunden vielleicht nicht viel, aber der Zeitgewinn ist natürlich spürbar. Insgeheim dachte ich natürlich:

„Menno! Will aber!“

Naja, wahrscheinlich wird sich der Kollege am nächsten Taxistand gefreut haben, dass ich ihm diese ja nicht ganz unlukrative Tour auf dem Silbertablett überreicht habe. In den zwei Sekunden, die wir uns durchs geschlossene Fenster angesehen haben, dominierte allerdings deutlich ein wtf-Blick. Ich denke, er wird mich in guter Erinnerung behalten 🙂

Naja, nun hab ich die Dame sehr entspannt nach Johannisthal gefahren, und schon hatte ich runde 20 € mehr auf der Uhr. Das ist immer schön.

Die Krönung kam dann aber auf dem Rückweg. Pah! Rückweg! Ich hatte vielleicht einen Leerkilometer hinter mir, da winkte mich am Bahnhof Schöneweide ein Mann heran. Mit guter Laune verkündete er mir das Fahrtziel:

„Hellersdorf, in die Lily-Allen-Str. bitte!“

Das war nun wirklich ein Volltreffer. Nicht nur, dass ich nun doch noch nach Hellersdorf gekommen bin! Witzigerweise bringen mir ja zwei Einzeltouren über dieselbe Strecke mehr Geld als eine lange… zudem ich diesen Kunden schon aus einem Grund an diesem Abend nicht hätte missen wollen:

„Das macht dann 20,50 €.“

„Stimmt so!“

Nur Scheine. Ein Zwanziger und ein Fünfer…

Mindestens 300…*

Ich bin mit meiner Samstagsschicht dieses Mal eigentlich zufrieden gewesen. Der Umsatz war gut, die Kunden zumeist nett. Klar, ein bisschen besser geht immer, aber ich war zufrieden.

Aber immer, wenn man denkt, es ist alles in Ordnung, ergibt sich irgendwas komisches, das einem suggeriert:

„Nein, im Gegensatz zu dem was hätte sein können, ist der Ist-Zustand lächerlich!“

Meist passiert das in Form von Kollegen, die nach achteinhalb Stunden verkünden, sie hätten die 200 € voll und fahren nun heim. Was mir am Samstag passiert ist, war allerdings noch eine Spur fieser: Potenzielle Kunden riefen mir innerlich zu, dass ich reich sein könnte, wenn sie nicht so arm wären. Dass gelegentlich Kunden nachfragen:

„Sachma, was kost’n bis ans Ende der Stadt?“

und dann nicht fahren, weil es ihnen zu teuer ist – das ist normal. Dass sich aber im Laufe einer Schicht drei (!!!) Kunden am Ostbahnhof erkundigen, was eine weite Fahrt kosten würde – und dann ablehnen – das ist echt ein wenig heftig. Ach ja, die Ziele (im Optimalfall):

1. Erkner

2. Fürstenwalde

3. Eisenhüttenstadt

Und mal ganz im Ernst: Dass es vom Ostbahnhof nach Fürstenwalde (ca. 50 km) eben nicht nur 40 € kostet – und dass ich das auch nicht mal als Ausnahme machen kann (zumal in einer lukrativen Samstagsschicht um ein Uhr), das sollte einem doch bewusst sein.

*Euro, die ich nicht eingenommen habe

Abgehakt!

Die gute Tat für Juni (Hey, ich bin kein Pfadfinder, einmal im Monat muss reichen!) habe ich auch vollbracht. Ich hab gestern ein Portemonnaie im Taxi gefunden – allerdings erst beim Aufräumen. Deswegen habe ich den werten Herrn dann von Zuhause aus ergoogelt und ihm eine Mail geschrieben, dass ich seinen Geldbeutel mit allen wichtigen Dokumenten und 40 € Bargeld gefunden habe. Wir haben uns dann gestern Abend noch kurz getroffen, und ich hab ihm das Teil zurückgegeben. Interessant war nur, dass ich ihn nicht gefahren habe, und er sich der Beschreibung nach auch nicht an meinen Tagfahrer erinnern konnte…

Naja, zuletzt hat er mir dann tatsächlich 35 € zugesteckt.

„Gehört sich so…“

Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich hätte nicht auf einen Finderlohn gehofft. Und wenn er alle seine Dokumente hätte neu beantragen müssen (z.B. Perso, Führerschein, Studentenausweis, ec-Karten, Videotheksausweis…), dann hätte ihn das wahrscheinlich sogar mehr gekostet.

Dennoch: So sehr er sich wahrscheinlich gefreut hat, dass ich ihm sein Portemonnaie (auch noch MIT Geld!) wiedergebe, so sehr habe ich mich auch gefreut, dass er sich erkenntlich gezeigt hat. Danke nochmal auf diesem Wege! (auch wenn er es kaum lesen wird…)

Taxi-Dialoge (9)

Fahrgast 1: „Wenn du erzählst, dass ich kein Techno gehört habe auf dem Weg, dann verrate ich, dass du Sudokus löst!“

Fahrgast 2: „Ich könnte auch sagen, dass du Sudokus löst…“

Fahrgast 1: „Dann erzähle ich eben, dass du Herbert Grönemeyer hörst Nachts um drei…“

Zur Erklärung: Fahrgast 1 wünschte sich einen „Oldie“-Sender auf dem Weg zum Watergate. Dort kam irgendwann Grönemeyer…

Offenheit…

…ist ja quasi eine Schlüsselqualifikation heutzutage.

„Gnädige Frau, bringen sie mich bitte zur Fickzentrale! Ich bin der Sash, dass da sind meine notgeilen Anhänger, und ich hab heute sowas von dicke Eier… bin ich froh, dass ich nachher noch ficken kann. Und da drüben, also das… das ist eine FICKGARANTIE! Da werd ich mir aber sowas von… Endlich!“

Würde ich so bei einer Taxifahrerin einsteigen? Natürlich nicht. Ist aber so ziemlich genau das, was ich mir heute anhören durfte. Nur vom anderen Ufer. Ehrlich gesagt, finde ich den Umgang der meisten Schwulen mit ihrer Sexualität beeindruckend. Im Positiven Sinn. Nicht nur (aber sicher auch), weil ich Homosexuellen in Anbetracht ihrer (immer noch andauernden) Unterdrückung in so einem Fall Mut zugestehen muss, sondern weil ich es grundsätzlich nicht schlimm finde, Sexualität als einen Teil des Lebens zu betrachten, und selbigen somit auch benennen zu können. Folglich habe ich auch kein Problem mit deutlichen Ansagen. Noch dazu war in diesem Fall ja CSD, also kam die Feierlaune natürlich auch noch dazu. Aber wirklich an der Grenze war dann die Aussage:

(Minderjährige bitte erblinden!)

„Ich hab mir den Aaaaafter auch schon eingecremt. Das ist so eine lange wirkende Creme, weisst du?“

Meine Antwort hat wenigstens seine Mitreisenden erheitert, ich habe damit nur klargestellt, dass er das für mich nicht hätte tun müssen:

„Das ist ja nicht schlecht, sonst wäre das ja völlig umsonst gewesen…“

Aber da man solche Aussagen schnell mal in den falschen Hals bekommen kann: Ich möchte hier echt mal eine Lanze für meine schwule Kundschaft brechen: Ich hab zwar schon viele Dinge von ihnen erfahren, die mich als Hetero nur begrenzt interessieren, aber ich habe mich niemals bedrängt gefühlt. Mal abgesehen davon, dass ich auch schon eine Menge übles Geschwätz von sexuell anders orientierten Menschen abbekommen habe. Die Schwulen waren bisher immer (und da zählt auch der Meister von heute – abgesehen von seiner Wortwahl – dazu) angenehme Kunden, die sich zu benehmen wussten. Noch dazu waren es meist lustige und interessante Leute. Also versteht das hier nicht als Klischeegelaber über Schwule.

Doppelt grenzwertig

Der Freitag verlief… mal so und mal so. Insgesamt eher durchschnittlich. Nach rund 10 Stunden stand ich bei 160 €, was kein Knaller fürs Wochenende ist, aber doch noch erträglich. Unter der Woche würde ich jubeln…

Naja, ich hab das Auto von innen weitgehend gereinigt, getankt, mehr oder minder für die Übergabe fertig gemacht. So, dass ich im Zweifelsfall bei zeitlicher oder örtlicher Übereinstimmung jederzeit Feierabend machen kann. Zum Abschluss habe ich wie meistens noch ein paar vielversprechende Straßen abgefahren, um nach winkenden Spätheimkehrern Ausschau zu halten.

In einer Szene-Ecke in Friedrichshain wurde ich fündig. Eine beleibte Dame winkte mich heran, und nach mir ihre Begleitung. Da ging es los… Die beleibte Dame war die Tante, im Folgenden T genannt. Sie wollte, dass ihre Nichte mit ihr heimfährt. Diese nennen wir mal N. Dazu kam Kerl K, der offenbar mit Nichte N liiert war. Oder noch ist – das kann ich nicht mit letzter Gewissheit sagen. K hatte schon Glück, dass er nicht von den Freunden von N und T vor der Lokalität verdroschen wurde, weil sich binnen weniger Minuten eine „gruppendynamische Diskussion“ vor dem Auto entwickelte, wer jetzt wen wie hasst, und warum wer wann wohin mitkommt. T wollte heim, N nicht. K schon, aber nicht zu T. N beschloss dann, K zu überreden, zu fahren, der wiederrum wollte nur fahren, wenn N mit ihm kommt. T versuchte zu vermitteln, und grundsätzlich wollte eigentlich jeder jedem aufs Maul hauen.

T hat irgendwann beschlossen, sie fährt wirklich mit mir, und mir sowohl einen Zwanziger gegeben, als auch bereits eine Zieladresse genannt. Charlottenburg! Wow! Mal abwarten, vielleicht beruhigt sich die Situation ja noch. Letztlich wollte T natürlich keinesfalls ohne N fahren, was aber immer noch nicht erklärte, warum irgendwann N im Auto saß, nicht aber T. Eigentlich ist das alles auch völlig egal:

Als sie letzten Endes ins Auto stiegen, waren sie friedlich (ich hab auch gesagt, dass sie das zu sein hätten), gleichwohl war ich der einzige im Auto, der keinen akuten Streit hatte. Das Ganze ging runde 700 Meter gut. N begann mir, in weinerlichen Bruchstücken ihr Leben zu erzählen, mit besonderer Betonung auf den Gemeinheiten von K. Dieser verhielt sich eigentlich ruhig bis auf die gelegentlichen zynischen Kommentare, die N dann sofort zum Kreischen nötigten. T wusste nicht so recht, auf welcher Seite sie eigentlich steht und redete beiden gelegentlich ins Gewissen und beschloss das einzig logische:

Zusammen frühstücken!

Das Fahrtziel wurde noch mehrfach umgeändert, es wurde mehrfach beschlossen, dass mal N, mal K das Fahrzeug verlassen, aber letztlich „einigte“ man sich dann doch aufs Frühstück in einem Café. Puh, bloß loswerden die drei! Praktischerweise stand die Uhr auf 19,70 €, als wir 30 Meter vor dem Café waren, wo T meinte, ich solle stoppen. Daraufhin fragte mich N, was das soll, sie wollten doch zum Café.

„Naja, da sind wir doch. Hier, sind noch 10 Meter!“

„Nee, fahren sie mal richtig vor. Direkt vor die Tür. Das geht ja so gar nicht…“

„Klar, mache ich gerne. Ihre Tante wollte ja, dass ich hier halte…“

„Bitte bitte fahr vor, ich zahl auch extra!“

„Kein Problem, ehrlich! Ich muss ja nur wissen, wo ich halten soll. Bei zwei verschiedenen Meinungen…“

OK, ich bin die paar Meter noch vorgefahren. T hatte auch nichts dagegen, für die war der Tag wahrscheinlich so oder so gelaufen. Sie sah zu, dass sie ihr Zeug packte, und so blieben mir ein paar Sekunden mit N alleine im Wagen.

„Tut mir leid, ich bin eigentlich nicht so…“

Hmpf! Jaja, „nur wenn ich betrunken bin“, „nur wenn mich jemand ärgert“ etc. pp. Ehrlich gesagt war mir nach einer halben Stunde Gekreische und mehrmaligen Bitten, sich zu einigen meinerseits nicht mehr nach gepflegter Konversation. Natürlich bin ich mehr oder minder freundlich geblieben, aber ich hatte nun wirklich nicht vor, so zu tun, als würde mich das jetzt noch begeistern. Insbesondere kann ich es nicht ab, wenn jemand versucht, mich in Beziehungskriegen für irgendwas einzuspannen. Auch nicht, wenn es erfolglos war…

„Was bekommen sie denn?“

„Nichts! Ich hab schon 20 €, das ist genug! Mir reicht’s!“

„Entschuldigung. Sie sind ein guter Mensch, ich seh es an ihrem Gesicht!“

Boah, Lady. Mein Gesicht steht gerade irgendwo auf „Verpiss dich einfach, du hast mir eine wundervolle Schicht noch fast ruiniert!“ Einfach aus-stei-gen. Das kann doch nicht so schwer sein wie das Einsteigen, oder? Oder um es in Dienstleister-Sprache zu übersetzen:

„Ist ok. Einen schönen Tag wünsche ich noch.“

„Hier, nehmen sie!“

Sprach’s und drückte mir zwei Zehner in die Hand…

Ich will ehrlich sein: Zwanzig Euro machen schon einiges wieder gut. Das ist sowas von überdurchschnittlich, das geht schon gar nicht mehr. Aber hätte ich aber den kompletten Verlauf der Fahrt vorhersehen können, dann hätte ich irgendeinen besoffenen Freak auf der Straße, der mir eine gemütliche 8€-Fahrt geboten hätte, eher mitgenommen. Naja, so hab ich mit 185 € plus 40 € Trinkgeld Feierabend gemacht. Wenigstens das Gesamtergebnis kann sich sehen lassen.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Taxi-Dialoge (8)

Ein weißer Hund läuft überraschend über die Straße.

Fahrgast 1: „Achtung, ein Wolf!“

Fahrgast 2: „Ein Wolf!“

Fahrgast 3: „Hilfe, ein Schaf!“

Fahrgast 4: „Ein Eisbär!“

Fahrgäste 1 -4: „KNUT!“