„Klassisch“

Was ich gerne sage, wenn Kunden mich fragen, wie stressig der Job als Nacht-Taxifahrer sei, ist:

„Er hat natürlich positive und negative Seiten. Aber ehrlich gesagt: Die Momente, in denen ich mir denke, dass die letzte Tour jetzt die paar Euro nicht wert war, halten sich in Grenzen. Ein-, zweimal im Monat, das passt schon!“

Und natürlich denke ich dabei nicht an die vielen Wartezeiten mit anschließender Kurztour, sondern an die Stresser, Stänkerer, Kotzer, Arschlöcher etc.
Und die kommen halt nicht so oft vor, wie selbst ich zu Beginn befürchtet hatte. Und dann das:

Drei Winker auf der Frankfurter Allee kurz vor dem Frankfurter Tor. Tolle Sache an und für sich, aber ich fuhr schon links, weil ich in die Warschauer abbiegen wollte. Es war zu Schichtbeginn, der Verkehr war noch dicht, ein Rüberziehen und Stoppen wirklich unmöglich. Ich hab’s mit netten Gesten versucht, aber die Typen waren natürlich voll am rumflippen. Kein verficktes Scheiß-Taxi will sie mitnehmen. Da hab ich auch noch mal nachgedacht, wollte sie eigentlich ignorieren, hab dann aber doch am Frankfurter Tor gewendet. Eine Winker-Tour zu Beginn nimmt man dann halt doch gerne mit.

Nach dem Wenden nahmen sie mich abermals wahr (vermutlich hatten sie mich wirklich bereits vergessen) und gestikulierten nun von der anderen Seite aus noch wilder herum. Ich gab ihnen Handzeichen, dass ich wenden würde. Musste halt trotzdem nochmal bis zur Proskauer und da abermals wenden. Aber hey: Kundschaft! \o/

Als ich dann ranfuhr, waren sie immer noch wie bekloppt dabei zu winken, Handzeichen zu geben und zu rufen. Als ob wir uns noch nie gesehen hätten. 😉

„Where to go?“

„Klassik-Hotel, Revaler Straße.“

Ehrlich? -.-

Da hatte nun wirklich das Einladen doppelt so lange gedauert wie die Fahrt. Keiner von Euch wird den Text hier schneller lesen als ich gebraucht habe, um die Tour abzuschließen. Dabei bin ich noch versöhnlich bezüglich der oben erwähnten Frage, ob es mir den Stress wert war … aber als die Kunden erst feststellten, dass sie von der Grünberger Straße aus in die falsche Richtung losgelaufen waren und es nur deshalb so lange gedauert hat … sagen wir mal, dass das ein Monolog für die Ab18-Abteilung war.

Mit anderen Worten: Eigentlich war an der Fahrt so ziemlich alles unnötig.

Ich bin sein Taxifahrer!

Direkte Übergabe: Der kommende Kunde öffnete der gehenden Kundin die Tür. Dürfte ruhig öfter passieren.

„Guten Abend, wo darf’s hingehen?“

„Brings mich zu … da bei die … die großen, wo die großen und viel.“

„Tut mir leid, das bringt mir jetzt nicht viel.“

„Na, mach ersma die Uhr an!“

Kompliment, SO überzeugt man Taxifahrer! 😉

„Also gut, noch einmal: Wohin soll’s gehen?“

„Da wo die Leute … viele Leute! Die nichmehr weil neu, aber groß!“

„Haben Sie vielleicht zunächst mal eine grobe Richtung?“

„Sicher, einmal saaauuuuber ums Eck!“

„Vielleicht einen Stadtteil? Ich kann Ihnen sonst nur schwer helfen.“

„Ersma muss ich mich entschuldigen! Glaub mir, ich bin ein ganz normaler Mann und Sie sind mein Taxifahrer! Vielen Dank für die Geduld!“

„Kein Ding, also: wohin? Versuchen Sie’s nochmal!“

„Ich muss da bei … glb …sss … im bbb … fuck, das ist mir jetzt peinlich!“

Und mir war’s auch unangenehm. Ich kenne den Zustand. Und das waren nicht wirklich die besten Partys. Wenn man betrunkener ist als man eigentlich sein will und als es sich eigentlich anfühlt. Man kann stellenweise – und in Gedanken grenzenlos! – eloquent daherreden und will den Gesprächspartner davon überzeugen, dass man ein intelligentes Individuum ist und eigentlich alles im Griff hat, aber in dem Moment sackt der Körper zusammen, man sagt nicht mehr als „Mümmmelfümmel!“ und rutscht sabbernd mit heraushängender Zunge an der Wand runter. Bei vollem Bewusstsein. Und genau an dem Punkt war er. Konnte sich höflich entschuldigen, hatte eine Menge Sätze parat, aber sein Wohnort war derzeit ein Haufen Grütze mit unscharfen Flecken.

Ein bisschen gedauert hat’s also, aber irgendwann hat er einen Platz im Westen rausgepresst.

„Na also, das kriegen wir hin!“

Obwohl ich ihm glaubte, dass das nicht nötig war, hab ich ihn ermahnt, im Falle von Unwohlsein Bescheid zu geben und bei der weiteren Konversation öfter mal abgeblockt. Zum Beispiel, als er wissen wollte, was ich den für eine Idee hätte von den Großen. Aber er war wirklich ein netter Typ und das ist bei so beachtlichem Alkoholeinschlag ja schon mal viel wert. Er hat als einer der wenigen wirklich betrunken was von viel Trinkgeld geredet und sein Versprechen gehalten und sich immer wieder für meine Geduld mit ihm bedankt, obwohl er nach der ersten Ortsangabe im wesentlichen nicht nerviger war als ein etwas zu laut gestelltes Navi, das einen bestätigt, das man richtig fährt. Es hat sogar funktioniert, den Zielort etwas zu verlegen, weil er abgeholt wurde (was auch geklappt hat).

Eines wollte ich vor dem Ende der 20€-Tour dann aber doch noch wissen:

„Was verschlägt einen von der City West in eine so abgelegene Ecke in Prenzl’berg?“

„Sagen wir mal so: Der Papi hat sich heute so richtig verirrt.“

Da hatte der Papi aber Glück, dass genau sein Taxifahrer auch vor Ort war. 🙂

Aber die Kurzstrecke …

Ein Rudel aufgedrehter Angetrunkener. Gibt schöneres, aber was weg muss, muss weg. Danziger Ecke Kniprode, einmal zum Golden Gate. Also unter anderem. Der eine wollte einen Radiosender haben, der nächste zum Kippenholen nach Polen, einer noch Geld holen. Der mit dem Geld war der mit Abstand vernünftigste. Zum Golden Gate, davor ein Stopp an der deutschen Bank am Alex, kriegen wir hin, egal was die sechs restlichen Promille im Auto rumbrüllen.

Im Großen und Ganzen ging das, zwischen dem Geschrei wurde sogar meine Route gelobt. Hart verdientes Geld, aber ein bisschen adelt auch das Wissen, dass kaum ein Kollege die Vollpfosten auch nur schief angesehen hätte beim eiligen Vorbeifahren.

Am Ende standen wir am Alex vor der Bank und sie entschieden sich dann, doch alle auszusteigen und den Rest zu laufen. Kann man machen, also 8,30€.

Und dann setzt der beleidigte Schnulli auf dem Beifahrersitz tatsächlich sowas wie eine weinerliche Stimme auf, dass er aber Kurzstrecke gesagt hätte und das ja bis hierhin wohl gereicht hätte. Mal abgesehen davon, dass das nur zum Teil stimmt, weil wir laut Uhr etwa 2,2 Kilometer unterwegs waren und nicht 2,0 (der Preis also entsprechend auch mit Kurzstrecke eher bei 6,50 – 7,50€ gelegen hätte):

Das ursprüngliche Fahrtziel lag weiter entfernt und Zwischenhalte gibt es mit Kurzstrecke ebenso nicht.

„Aber, aber eigentlich müssten wir dann jetzt auch Kurzstrecke machen, oder?“

„Nein. EIGENTLICH hast Du zu zahlen, was da oben auf der Uhr steht, fertig!“

Und hör auf, wegen drei Euro so ein Lutscher zu sein, hätte ich ihm gerne auch noch hinterhergerufen. Aber ein kleines Bisschen hab ich mich dann ja sogar bei solchen Spinnern noch im Griff.

Und immer dran denken: Genau weil ich bei solchen Vollspaten nicht alles mit mir lassen mache, brauche ich anderswo keine kurze Fahrt oder Kurzstrecke ablehnen und hab bei Fällen, bei denen es mir berechtigt erscheint, ein klein wenig Spiel bei der fantasievollen Ausdehnung der Regeln. Ich bin ja kein Unmensch, ich bin bloß nicht bescheuert. 😉

Zu ehrlich zum Bescheißen

Manche Dinge passieren selten, manche sehr selten – und bei manchen fragt man sich echt, wann das das letzte Mal passiert ist.

Ich hatte Fahrgäste vom Sisyphos im Auto, fuhr gerade auf die Elsenbrücke, und plötzlich war da dieses tiefschwarze Loch in meinem Gehirn.  Wo zur Hölle wollten die beiden? Wir unterhielten uns die ganze Zeit, ich hatte es offenbar einfach vergess …

„Fuck! Did you say Wilde Renate?“

„Yeah.“

Sehr schön. Ich war also eben vorbeigefahren. Mal abgesehen von den 40 Cent: Immerhin arbeite ich in einem Job, in dem ein Fehler schnell ausgeglichen werden kann. Ich hatte nicht eben einen Anzug zu eng genäht, auf den falschen Burger Currysauce geschüttet oder versehentlich eine halbe Milliarde Euro am Börsenmarkt verloren. Immerhin. Also Uhr aus und zurück.

Ich hab mich entschuldigt und versichert, dass das kein Versuch war, die beiden abzuzocken. Was sie recht schnell verstanden:

„Of course not. I mean: Why would you have told us?“

Um ehrlich zu sein: Taxifahrer-Krankheit! Natürlich rechne ich damit, dass jemand merkt, dass ich dreimal in dieselbe Richtung abbiege und das (abgesehen von wenigen Ausnahmen) nicht der kürzeste Weg sein kann. Was natürlich albern ist, Touristen wären oft so leicht zu verarschen.

An der Renate hab ich dann immerhin gesehen, warum ich vorbeigefahren war: Es war zu, alles dunkel, keine Schlange. Das erleichtert der Verpeilung ihren Zugriff enorm.

Am Ende hab ich die Kundschaft dann ohne Uhr noch zum about:blank gebracht. Auf dem kürzesten Weg dorthin wären ohnehin anderthalb Euro weniger angefallen. Mal ganz abgesehen von Wiedergutmachung und so: Das war eh der kürzeste Weg zurück zum Sisyphos. Und was soll ich sagen: Wenn man das nun angefallene Trinkgeld mit einberechnet, hatte ich am Ende dann doch wieder alles richtig gemacht. Sowas braucht’s auch hin und wieder. 🙂

Der Taxitourgenerator

Der Umsatz war wieder einmal supermittelprächtig, ich hab bei so ziemlich jeder Halte die kürzeste Tour der Stunde abgekriegt. Aber darüber ärgere ich mich gerade gar nicht, ich hab viel zu viel Spaß gerade an meinen kurzen Taxiwochenenden mit dem schönen Auto bei gutem Wetter. Das Glück mit dem Umsatz kommt schon auch mal wieder.

Genau genommen war die letzte Tour ja schon eine sehr gute. Von der Frankfurter Allee zum Artemis, Winker für 30 €. Nix besonderes an sich, aber irgendwie dann halt doch so ein typisches Zufallsprodukt, dass vornehmlich beim Taxitourengenerator anfällt. Oder wer unter den Nicht-Taxifahrern in meiner Leserschaft hat sich schon mal mit chinesischen Architekten auf dem Weg zum Puff über die Schönheit des Schwarzwaldes und über Globalisierung unterhalten. Hände hoch! 😉

Und da ich jetzt das schöne Wort Taxitour(en)generator erfunden habe: Hab ich vielleicht Mitleser, die sowas programmieren (und vor allem designen, in HTML würd ich’s ganz simpel auch hinkriegen) könnten. Genauere Ideen könnte ich bei Interesse anfügen. Und auch wenn meine Ressourcen begrenzt sind: Es soll nicht umsonst sein.

Irgendwas mit Kirschen …

Winkerin in Friedrichshain. Super!

„In die Egon-Erwin-Kirsch-Zeile.“

„Zeile?“

„Ja, das ist in Schöneweide.“

„Oh, ok. Ich gebe zu, die kenne ich nicht. Egon-Erwin-Kisch-Straße ja, aber die wäre in Hohenschönhausen.“

„Nee nee, aber ich kann ihnen den Weg zeigen …“

Prima!

Aber ich habe trotzdem das Navi angeschaltet. E-G-O-N …  nix passendes! Aber die Kundin wusste ja den Weg.

Nicht nur das: Sie wusste ihn sogar so genau, dass ich noch eine Abkürzung im 2€-Bereich kannte. Aber der Egon-Erwin da unten? Und mein Navi wusste auch nix, sehr seltsam. Und darüber unterhielten wir uns dann.

„Oder nur Erwin-Kirsch? Beim Egon bin ich mir nicht sicher …“

Hab ich also ‚Erwin‘ eingegeben. Wieder nix hilfreiches. War ja nicht schlimm, die Kundin kannte ja den Weg und all das mit dem kürzesten Weg lasse ich jetzt sowieso mal weg. Ich zoomte mir also einen Wolf im angesagten Viertel und kam etwa 500 Meter vor dem Ziel auch auf die richtige Straße: Die Fritz-Kirsch-Zeile …

Mal abgesehen davon, dass die Kundin das Ziel kannte und es somit egal war: Der Worst-Case! 90% der Leute hängen dem alten Egon-Erwin statt „Kisch“ den Nachnamen „Kirsch“ an. Das kenne ich inzwischen. Dass aber ausgerechnet das „Kirsch“ richtig ist und stattdessen beide (!) Vornamen falsch … mal ganz ehrlich: Hätte die Kundin keinen Stadtteil genannt und wir wären in Hohenschönhausen gelandet, hätte ich auf den vollen Preis bestanden!

Und einfach nur mal so als Gedanke: Wie wäre diese Fahrt wohl ausgegangen, wäre das ein selbstfahrendes Taxi gewesen. Und mir geht’s nicht darum, die Technik schlechtzureden, die mich dereinst in diesem Job ersetzen wird, die Frage ist ernst gemeint: Was hätte die Kundin wohl als Ziel angegeben, wenn z.B. nur die Postleitzahl als Orientierungshilfe angegeben worden wäre? Die Egon-Erwin-Kisch-Straße oder die Fritz-Kirsch-Zeile?

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Gewürzlandwirte. Oder so …

Ein augenscheinlich ungleiches Paar. Also ja, „METAL FTW!!!“ brüllten die beiden schon ihrer Klamotten wegen gleichermaßen, aber während er noch lustig und eloquent untwegs war, hat sie sich mehr oder weniger einfach auf die Rückbank fallen lassen. In Anbetracht der offensichtlichen Umstände erfreute es mich geradezu, dass er die Zielplanung übernommen hatte:

„Die Dillbauer-Straße!“

Was?

Aber da flötete die während der Fahrt dann völlig weggetretene Begleiterin dann doch dazwischen:

„DIRSCHAUER STRASSE!“

Höflich ginge anders, aber mit der Dirschauer konnte ich wenigstens was anfangen. 🙂