Ich hatte mich fast schon ein bisschen daran gewöhnt, nichts essentiell Neues von Uber zu hören und war dementsprechend ein wenig überrascht vom Korkenknallen, mit dem #ubergate gestern in die Welt geploppt ist.
„Uber: Manager droht kritischen Journalisten“
betitelt z.B. golem.de stellvertretend für viele andere Medien, was der neueste Skandal um die so liebgewonnen Disruptivlinge vom Dienst beinhaltet. Besagter Uber-Manager, Emil Michael, hatte anlässlich eines Dinners mit Journalisten (!) davon schwadroniert, Uber hätte genügend Geld, um nebenbei vielleicht eine Million zu investieren, um Leute zu bezahlen, die im Privatleben von kritischen Journalisten wühlen würden und sie durchleuchten, um sie in Mißkredit zu bringen. Dabei ging er insbesondere namentlich auf die Journalistin Sarah Lacy ein, die Uber auf ihrem Portal PandoDaily seit geraumer Zeit kritisiert, zuletzt wegen sexistischer Unternehmenskultur. Das alles sagte er im Glauben, all die geladenen Schreiberlinge wüssten Bescheid, dass sie nichts von alledem veröffentlichen dürften. Nun, einer wusste das nicht: Ben Smith von BuzzFeed wurde nicht mitgeteilt, dass die Veranstaltung „off the record“ lief und hat mit seinem Artikel zumindest mal ein kleines Beben ausgelöst.
Das freilich kam nicht überall an, so verkürzt z.B. die eigentlich sehr empfehlenswerte Seite netzpolitik.org die Meldung so grotesk, dass deren Artikel das Ganze auf ein Datenschutzproblem für Uber-Nutzer runterbricht und sogar mutmaßt, dass all das vielleicht nur ein PR-Stunt sei. Was wirklich eine lächerliche Nebengeschichte ist, vor allem da Ubers sorgloser Umgang mit Nutzerdaten schon mehrfach Thema war und schon damals den Bogen hin zum Problem sexueller Belästigung geschlagen hat. Außerdem ging es bei Michaels Aussagen explizit nicht nur um die Auswertung von Nutzerdaten, sondern das Engagieren von Detektiven. Selbst in der taz werden die Themen Sexismus und Frauenhass leider völlig ausgespart. Der Autor Daniel Bouhs (den ich von einem Interview kenne) hat mir auf Nachfrage erklärt, dass der Artikel wegen Platzbeschränkungen bei der Printausgabe sehr kurz gehalten werden musste.
Ich persönlich finde die „Androhung“, Journalisten zu bespitzeln und ihnen das Leben zur Hölle zu machen, selbst für Uber überraschend menschenverachtend. Sicher, ob sie das wirklich tun würden, steht auf einem anderen Blatt – aber im Gegensatz zu einem vielleicht mal in Feierlaune rausgerutschten „Arschloch“ ist es schon erschreckend, wie detailiert Michael darüber offenbar nachgedacht hat, wenn er für ein Budget von einer Million schon mal vorab die Anzahl der Schnüffler (4) nennen kann. Ganz offensichtlich ist da ein Mann weit oben in der Firmenhierarchie, der solche Kampagnen für prinzipiell legitime Planspielchen hält.
Ausgangspunkt für die weiterführende (und inhaltlich nicht überlieferte) zielgerichtete Drohung gegen Sarah Lacy war wohl ihr Artikel, in dem sie schrieb, dass sie ihre Uber-App gelöscht habe, weil sie die sexistischen Auswüchse der Firma für gefährlich hält. Sie beruft sich dabei keineswegs quellenarm auf Übergriffe von Uber-Fahrern und den Umgang der Firma damit, auf sexistische Werbeaktionen, die Uber schnell wieder löschen lassen hat und nicht zuletzt auf CEO Kalanick, der gerne damit angibt, wie viele Frauen er haben könne, jetzt wo er den Arsch voll Geld hat.
„I don’t know how many more signals we need that the company simply doesn’t respect us or prioritize our safety“,
schrieb Lacy in ihrem Artikel.
Anstatt die Vorwürfe zu entkräften oder das Vorgehen der Firma zu erklären, passierte offensichtlich nicht viel. Wie eigentlich immer bei Uber. Alles abperlen lassen und weiter Kätzchen liefern. Die Wende brachte dann erst oben genanntes Dinner, bei dem Emil Michael nicht nur die vielzitierten Ideen zum Journalisten-Geradebiegen unters Volk brachte, sondern verkündete, dass Frauen mit höherer Wahrscheinlichkeit von Taxifahrern als von Uber-Fahrern vergewaltigt werden – und man Lacy „persönlich verantwortlich“ machen sollte für jeden sexuellen Übergriff auf Frauen, die nun ihre Uber-Apps löschen würden.
Was für ein Unternehmen ist das, bei dem eine Pressesprecherin nach einer Festrede verkünden muss, dass es nicht die Meinung der Firma sei, dass eine kritische Journalistin verantwortlich für Vergewaltigungen im Beförderungsgewerbe ist?
Für Sarah Lacy war es ein Alptraum, als sie erfuhr, dass Uber sich offenbar zumindest gedanklich dazu hinreissen lassen könnte, ein paar Dollar des enormen Kampfbudgets in die Zerstörung ihres Privatlebens zu investieren, was sie eindrucksvoll beschreibt. Ich komme als Blogger auch nicht umhin, mir Gedanken darüber zu machen.
Gut, dieses Mal musste sogar Uber zurückrudern.
Emil Michael hat sich bei Sarah Lacy mit 4 Sätzen via Mail entschuldigt, nachdem er am Telefon noch aufgelegt hatte, weil sie nicht zugestimmt hat, seine Worte nicht zu veröffentlichen. Und Kalanick schickte 13 Tweets in die Welt, eine „Entschuldigung ohne eine einzige Frage zu beantworten„, auf mehr als heiße Luft wird man aber wohl noch lange warten müssen.
Es ist wohl angemessen, darauf mit einem Zitat aus dem Artikel von Lacy zu antworten:
„I didn’t actually think Uber could shock me anymore. I was wrong.“
PS: Wer jetzt glaubt, dass das ja dann doch eigentlich nur ein kleiner Nebenaspekt der „eigentlichen“ Datenschutzaffaire ist, der kann Sarah Lacy gerne mal auf Twitter folgen und ihre Retweets der Hater lesen und sich mit so datenschutzinteressierten Prolls wie dieser Flachpfeife solidarisieren. -.-
Das muss ein Soziologenprojekt sein. „Wie wird man in kürzester Zeit vom chicen Startupdarling zum unsympathischen Unternehmen seit Adolfs I.G. Farben.“
@thorstenv:
An die Option hab ich bisher auch noch nicht gedacht. Das wäre tatsächlich eine Erklärung. 😉
Eine ironische Beschreibung gibt’s hier http://www.geekculture.com/joyoftech/joyarchives/2073.html
Fast fühl ich mich ja versucht bei der Leserumfrage „Wäre doch toll alles über die schmutzige Wäschen von Journalisten zu erfahren“ auszuwählen. Must. Resist. Urge. 😉
Aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von heute:
Während der Geiselnahme in Sydney kostete eine Fahrt mit UBER zum Flughafen 180 Dollar.
Das hatte der Algorithmus so beschlossen. Der Bericht endet mit der Frage:
‚Was hätte dieses Unternehmen wohl am 11. September 2001 in New York für Preise verlangt?‘