Tatort Darkroom

Mir wurde – glücklicherweise ironisch – bedeutet, ich solle doch binnen vier Minuten am Ziel sein. Mit einem Helikopter sicher machbar, aber eben auch nur mit einem solchen. Der Grund: „Tatort“ fängt gleich an. Dachten sie zumindest. Im Laufe der Fahrt sollte sich herausstellen, dass es sowieso nur ein „Polizeiruf 110“ sein würde.

Da hab ich ja nur begrenzt Verständnis. Ich hab viele Tatorte gesehen in meinem Leben und bin dennoch froh, dass uns inzwischen die ganze Welt der Serien offensteht und ich nie mehr in die Verlegenheit komme, einem Polizei-BMW eine Minute lang zuzusehen, wie er bedeutungsschwanger eine Einfahrt herauffährt.

Aber meine Kundschaft, frisch am Berghain aufgegriffen, bestand natürlich aus Hipstern. Hipster schauen sich den Tatort ja nicht wirklich an, sondern nur ironisch. Was im Endeffekt zwar ebenso bedeuet, dass man sich zwei Stunden Lebenszeit durch schlechtes Fernsehen klauen lässt, aber sollen sie nur machen …

Das sich entwickelnde Gespräch im Fond indes war klasse:

„Ich wäre ja gerne noch geblieben.“

„Ich auch, aber da gibt es ja keinen Tatort.“

„Das wäre doch mal geil.“

„Was?“

„Na hier: Tatort. Unten in einem von den Darkrooms wird Tatort für die ganzen Spießer gezeigt.“

„Au ja: ‚Macht mal im Berghain ’n bisschen leiser, wir verstehen hier unten nix!‘, das wär’s!“

Ja, ich musst mir das Lachen verkneifen. 🙂

6 Kommentare bis “Tatort Darkroom”

  1. Jens sagt:

    Ich eröffne die Diskussion mal mit dem obligatorischen: „Es gibt wirklich wirklich gute Tatorte – auch wenn die in den letzten Jahren immer weniger werden.“

    Ist zwar tatsächlich meine Meinung, taugt aber selbst schon wieder so sehr zum Klischee, dass ich mich kaum traue, es ernsthaft vorzubringen. 😉 Und wenn ich schon dabei bin gestehe ich auch, Tatorte zwar ab und zu gerne, dann aber komplett unironisch zu gucken – wenn sie mies sind, sind sie nicht so mies, dass sie Trash sind, sondern einfach nur langweilig und/oder hirnlos.

    Schon deswegen würde ich mir von der Programmplanung auch nicht meinen Tagesrhythmus vorgeben lassen. Wenn ich irgendwie darauf aufmerksam werde, dass eine kommende Folge gut sein könnte, dann landet die auf der Festplatte und wird bei Gelegenheit angesehen, bzw. bei Nichtgefallen dann eben abgebrochen.

    Ach ja: Und als unvermeidlichen Anguck-Tipp gibt’s tatsächlich einen „Polizeiruf“: „Totes Gleis“ mit Otto Sander und Ben Becker – das ist einfach ein guter Film mit tollen Schauspielern, egal welches Reihen-Label man draufpacken mag. Berghain-geeignet wäre er allerdings wohl eher weniger. 🙂

  2. deroli sagt:

    Moin……seit 25 Jahren bekennender Tatort,Polizeiruf oder Schimanski Gucker….Und ja, die sonntäglich Planung läuft darauf hinaus, ob man um viertel nach acht daheim auf dem Sofa hockt. Bin gerne Spießer 🙂

  3. Carom sagt:

    Anderer „Diskussionsstrang“ (aka „Kurzrant“):
    Hipster sind selber unsympathische Spießer – sie werten arrogant andere Lebensstile ab und „feiern sich selber“, bis der letzte Rest Würde vergeigt ist.
    (Dass die Männchen aussehen wie das Rumpelstilzchen im Märchenfilm, macht’s nicht besser – ins Stammbuch: Modeopfer sind nicht anders, sie sind peinlich. Immer.)
    Habe fertig.

  4. elder taxidriver sagt:

    ‚Spießer sind immer die anderen‘.

    Und:

    ‚Spießer ist, wer zu relativen Dingen ein absolutes Verhältnis hat‘.

    Hab‘ ich das schon mal geschrieben? Momentan vergessen, von wem. Kann man aber nicht oft genug wiederholen.

  5. elder taxidriver sagt:

    In Friedrichshain war ein Darkroom ja mal Tatort. Vermute aber, dass das vorerst nicht verfernsehtatortet wird.

  6. hrururur sagt:

    Ich bin gerne spießig, solange ich nicht in Uniform rumlaufen muss, Samba statt Nutella essen darf und Punkrock leise hören kann.

    Die LBS-Werbeagentur hat das mal ganz gut erkannt. Wir sind alle Spießer, das ist einfach das menschliche Naturell, dass man gerne seine Liebsten um sich in einem schönen Zuhause hat. Und auch Prinzipien sind etwas, dass uns einfach entspricht. Ob man jetzt Tatort guckt, immer montags die Wäsche macht(*) oder aus Prinzip irgendwelche Musiker Scheisse findet. Wir sind halt alle kleine Autisten und haben es gerne gemütlich.

    *) Funfact: es gibt Stadtwerke, die ihre Hausfrauen dazu aufgerufen haben doch bitte auch an anderen Tagen zu waschen, weil sie das Waschmittel in der Montagskonzentration nicht bewältigen konnten, bzw an den anderen Tagen kanisterweise welches reingekippt haben, weil die Bakterien eine relativ gleichmäßige Suppe brauchen. Und einen guten Grund nur montags zu waschen, gibt es ja auch nicht mehr. Das hat sich nur eingebürgert, weil man in der Vorwaschmaschinenzeit montags Zeit hatte, weil vom Sonntag (extra deswegen geplante) Reste zum Essen da waren. Diesen traditionellen Tag ohne Grund mit in die Waschmaschinenzeit zu übernehmen, ist für mich die Spießigkeit ad absurdum. Das ist wie Tatort gucken und sich einreden, dass man den Scheisse findet, ihn aber doch eigentlich gut findet, sonst würde man sich das nicht geben

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