Mehr Trinkgeld in NYC

Andreas hat mir heute Mittag noch folgenden Link geschickt:

Warum die Kreditkarte bei New Yorker Taxifahrern inzwischen sehr beliebt ist (Spiegel online)

Klingt alles in allem nach einer tollen Sache. Hier in Deutschland gibt es meines Wissens nach die extrem verlockenden Bonus-Knöpfchen nicht, was sicher zur Skepsis, die der Kartenzahlung auch hier entgegenschlägt, beiträgt. Nichtsdestotrotz sollen die Trinkgelder hierzulande immerhin gleich sein und in Berlin kriegt man seit der letzten Tarifänderung auch die Kosten für die Gebühren erstattet. Langfristig wird sich die Karte aber sicher durchsetzen, das ist klar.

Einen von IHNEN getroffen …

Zumindest vermute ich, dass der Taxifahrer zur seltenen Form der Flughafenfahrer gehört. Kilometerweit ist er auf der Danziger vor mir hergefahren, mit ausgeschalteter Fackel und dennoch ohne Kundschaft. Ich hätte gerne überholt, aber freie Kollegen überholt man nicht. Punkt! An einer Kreuzung erwischte ich ihn neben mir und fragte:

„Kollege, biste bestellt?“

„Nee …“

„Naja, deine Fackel brennt nicht. Und ich würde sonst überholen, deswegen frag ich …“

„Ja, fahr ruhig vorbei. Ich will erst raus hier aus dem Gewimmel …“

Deswegen vermute ich, dass er einer jener Fahrer ist, der nach einer Flughafentour immer wieder leer zurückfährt. Zugegeben: Ich verstehe es nicht. Ich war zur selben Zeit hoffnungsfroh, irgendwo in dem „Gewimmel“ endlich einen Kunden zu finden. Aber das Taxifahren lässt nunmal viele Arbeitsweisen zu und meine Entscheidung, ohne Funk zu fahren, ist beispielsweise eine, die ebenso machmal auf Kritik stößt.

Taxifahrer ist nicht gleich Taxifahrer – das ist vielleicht eine der wichtigesten Erkenntnisse über den Beruf, die man als Außenstehender wahrnehmen sollte. Als Kollege allerdings ebenso.

Ich jedenfalls hab mich bedankt und bin vorbeigezischt. Allerdings dieses Mal ohne Kunden zu finden …

Nach Teltow am Herrentag

Und als ich so an der Ampel stand, drehte er sich um und sah mein Taxi. Er stieg ein und fragte freudig:

„Ater, was geeeeeeeeeht?“

„Das selbe könnte ich dich fragen …“

„Fahr mich mal nach Teltow.“

„Das Teltow bei Potsdam?“

„Nee, fahr hier geradeaus!“

Deswegen fragt man ja. Er war knackig dabei wie ein Rudel frisch zubereitete Vollkorntoastbrösel und verstrickte sich bei seiner Angabe mehr und mehr in Widersprüche. Ich hab ihm klargemacht, dass ich mich im Umland aber sowas von keinen Fatz auskenne und so genau wie möglich informiert zu werden gedenke. Das Navi spuckte nämlich undankbarerweise nur das Teltow bei Potsdam aus. Allerdings war ich ja gerne bereit, ihn irgendwohin zu bringen, wo die Dörfer ähnlich heißen. Teltau vielleicht oder Deltow – was weiß ich schon? So ganz lupenrein war seine Aussprache auch nicht mehr …

„Aber es liegt sicher nördlich von Berlin?“

fragte ich ihn, da wir gerade die Greifswalder Straße hochgefahren sind.

„Ja Mann! Boah ey!“

„Haste mir vielleicht einen Nachbarort?“

„Ruhlsdorf!“

„Na dann geb ich das doch mal ein …“

Und siehe da: Mir ward umgehend ein U-Turn empfohlen. Also doch das (südwestlich von Berlin gelegene) Teltow bei Potsdam! In dem Moment war mir der Umweg, den wir bisher genommen hatten (Hin- und Rückweg gut je zwei Kilometer) egal. Er raffte offensichtlich gar nix mehr und ich bin nunmal nicht für alles verantwortlich. Ich war ja schon froh, dass wir vor Bernau auf diesen Fehler gekommen sind.

Ich hab mich mit ihm in deeskalierendem Smalltalk geübt und nebenbei ein paar Grundsätzlichkeiten herauszufinden versucht:

„Und, Geld haste genug dabei für die Fahrt? Oder sollen wir vorher noch an einer Bank anhalten?“

„Geld? Logo!“

„Naja, nach dem Feiern tauchen einige hier blank im Taxi auf, deswegen frag ich ja …“

„Kommt ja auch drauf an, was Du haben willst …“

„Lass mich rechnen … naja, so 40 € werden es sicher. Aber da ich ja noch nicht genau weiß, wo es hingeht, ziehe ich mal eine Obergrenze bei 50 €.“

„Fuffzsch issokeh!“

Er hielt mehrere Geldscheine zur näheren Betrachtung in der Hand, einer davon war ein Fünfziger. Na also! Tatsächlich beruhte meine Aussage noch auf der Strecke nach Ruhlsdorf, aber das hatte ich jetzt – ungefähr am Potsdamer Platz angekommen – auch vor zu ändern. Da ich ja jetzt wusste, in welches der vielen einen Teltows es gehen sollte, fragte ich nach einem Straßennamen:

„Ja, Teltow halt.“

„Kein Straßenname?“

„Ey, in Teltow gibt’s sowas nicht.“

„Da gibt es keine Straßennamen? Na dann aber sicher Nummern?“

„Nee, aber den Ruhlsdorfer Platz – da muss ich hin!“

Na also. Schwere Geburt mit allerlei Unwahrheiten, aber diese Adresse fand mein Navi umgehend. Noch dazu war die Strecke einen Kilometer kürzer als nach Ruhlsdorf. Alles würde gut werden!

Als wir an der Potsdamer Ecke Bülowstraße waren, öffnete er vorsichtig die Türe. Ich wunderte mich.  Hätte er kotzen müssen, wäre das nur der logischste Verlauf des Abends gewesen, aber es waren erst zwei Kilometer zurückgelegt, seit er meinen Gedanken, er könne vom Alkohol kotzen müssen, vehement und lautstark von sich gewiesen hatte.

„Äh, was machst Du da?“

„Ich steig hier aus, da fährt meine S-Bahn.“

Er guckte mich ungläubig an, als sei das das Selbstverständlichste auf der Welt. Ich hatte allerdings auch noch zwei Asse im Ärmel:

„Warte mal besser kurz: Erstens ist das hier eine U-Bahn und keine S-Bahn und zudem würde ich doch darum bitten, dass Du die Fahrt bis hierhin trotzdem bezahlst. Ich halte gerne hier an der Ecke, dann können wir zweiteres klären. Eine S-Bahn allerdings musst Du dir dann selbst organisieren.“

„Äh, na dann bring mich zur S-Bahn!“

„Also nicht mehr nach Teltow?“

„Nee Mann, das ist zu teuer!“

„Meinetwegen, mach ich gerne, ich sollte es halt nur wissen! Die nächste S-Bahn-Station, die mir einfällt, wäre die an der Yorckstraße …“

„Dann bring mich dahin!“

Ok -.-

Um die Länge der Fahrt ging es mir nicht. Ich hatte meinen Umsatz gemacht in dieser Schicht und die Aussicht, aus Teltow bis nach Lichtenberg heimzufahren, reizte mich kein bisschen. Aber wirklich sinnig war das dennoch nicht. Nicht in seinem Zustand. Egal, der Kunde ist König! Ich fuhr ihn kurz um die zwei Ecken und hielt am S-Bahn-Eingang der Station Yorckstraße.

„So, da wären wir. Das macht 19,40 €.“ (Umweg und so …)

Er reichte mir einen Zwanziger:

„19,40? Zwanzig!“

Ich steckte das Geld ein und warte. Er meint:

„Äh, krieg ich jetzt mein Geld?“

„Was? Ach das … sorry! Wenn die Leute Zwanzig sagen, dann meinen sie in der Regel, dass sie das als Trinkgeld …“

„Ja, aber bei zwanzig wären das …“

Ich merkte ihm das Grübeln an und reiche im 60 Cent.

„Sechzig!“

„Ja, hier.“

Man beachte meine Gutmütigkeit, das wäre schließlich ohnehin ein schlechtes Trinkgeld gewesen …

„Na dann noch einen guten Heimweg!“

„Ja, toll! Ich weiß ja nicht mal, wo ich hier bin …“

Sprach’s, machte die Tür zu und stand in der Gegend rum. Breit wie ein Frosch unter der Dampfwalze! Ich hab mich dann dennoch vom Acker gemacht. Wahrscheinlich hat er eine Viertelstunde später ein anderes Taxi angehalten.

Dass all das so kommen könnte, hätte mir früher bewusst sein können. Kleiner Rpückblick: Vor einer halben Stunde etwa fuhr ich über die Alexanderstraße an den Alexanderplatz heran. Ich beschleunigte etwas, um die grüne Ampel noch zu erwischen, da bemerkte ich den über die Fahrbahn schlurfenden Troll, den ich ohne weiteres über den Haufen geheizt hätte. Ich bremste, hupte aber auch. Einerseits natürlich aus Verärgerung darüber, dass ich jetzt warten müsste – andererseits aber auch verkehrsgerecht, um ihn auf die Gefahr hinzuweisen.
Er schlurfte weiter über die Straße und zeigte mir geistesabwesend den Stinkefinger. Als er die Ampel überquert hatte, blieb er mit dem Gesicht von mir abgewandt stehen. Für einen Moment dachte ich: Bevor der hier reinkommt, schließ ich das Auto ab. Jemand, der mir den Stinkefinger zeigt, hat eigentlich jedes Anrecht auf eine Beförderung verwirkt. Aber sollte ich wirklich? Oder nicht?

Und als ich so an der Ampel stand, drehte er sich um und sah mein Taxi …

Die kleinen Dinge …

Manchmal komme ich mir selbst vor wie irgendein Hochhaus-Guru, wenn ich ständig erzähle, wie sehr man sich über die kleinen Dinge des Lebens freuen sollte. Dabei ist es wahr – denn große gute Dinge passieren ja kaum mal … 😉

Allerdings muss ich gestehen, dass es mir oftmals auch genau andersrum geht: Ich rege mich gerne über irgendwelche Belanglosigkeiten auf, die es eigentlich nicht wert wären. Während der letzten Schicht wäre ich mehrmals schier durchgedreht, weil eine Kleinigkeit nicht funktioniert hat. Und mit Kleinigkeiten meine ich nicht die Bremsen oder einen kaputten Fensterheber an meiner 1925. Nee, viel schlimmer:

Mein verdammter Kuli war leer und bei jeder Notiz und jeder Quittung hätte ich die Wand hochgehen können!

Gelassenheit ist echt was tolles. Manchmal krieg aber selbst ich es nicht hin, gelassen zu bleiben. Leider. 🙁

Eilig und redselig

… und dann war da die junge Frau, die mich am Brandenburger Tor für eine Kurzstrecke heranwinkte. Das Auto sei kaputt, sie müsse dringend zum Hauptbahnhof, eigentlich sei sie ja rechtzeitig mit dem Bus, der aber – natürlich, hätte sie ja ahnen können – ausgerechnet heute wegen irgendwas nicht bis direkt und überhaupt: Ist es schon 23 Uhr???

Ich glaube es war ungefähr am Kanzleramt, als sie das erste Mal Luft holte.

Und während mir die Blicke sämtlicher Polizisten im Regierungsviertel folgten, weil ich mit quietschenden Reifen hinter der schweizer Botschaft verschwand, fand meine Kundin dann auch ein paar entspannende Worte: Sie musste gar keinen Zug erwischen, sondern holte nur jemanden ab. Meine Güte, und dafür so ein Aufstand? Wie bitte ist die Gute drauf, wenn es mal wirklich eilig ist?

Eine Minute vor der geplanten Zeit waren wir vor Ort. Würde mich nicht wundern, wenn der Zug noch ein Weilchen gebraucht hätte …

Nicht durchdacht

oder warum ich nun mein Auto irgendwo anders wasche

Ich verliere gerne ein paar nette Worte über meine Stammtanke am Ostbahnhof. Das tue ich insbesondere des Personals wegen, zumindest in der Nachtschicht hab ich das Gefühl, dort als Taxifahrer ein gern gesehener Gast zu sein. Eine Wahl hatte ich lange Zeit kaum, denn die 24h-Erdgastanken sind in Berlin nicht an jeder Straßenecke zu finden. Im innerstädtischen Bereich gab es lange Zeit gar keine und ich hab immer dort getankt, wenn ich nicht zufällig mal in Schönefeld oder am Blockdammweg vorbeigekommen bin. Zugegeben: Ein paar Cent mehr kostet das Kilo Gas dort, aber da ich nach einer Schicht selten auch nur auf 10 Kilo komme, sind auch recht kurze Umwege schnell unrentabel. Wenn Erdgas dort 5 Cent mehr kostet, gebe ich insgesamt 0,50 € aus – ein Betrag, der etwa deckungsgleich ist mit den Gaskosten für 10 km zum Blockdammweg (hin und zurück). Vom Verschleiß und vom Zeitaufwand mal ganz zu schweigen. Ich kann also auch meinen Chefs gegenüber sehr gut begründen, warum dort recht oft tanke.

Aber ich wollte eigentlich übers Waschen schreiben.

Es ist angenehm, das Tanken und Waschen miteinander zu kombinieren. Kurz vor Feierabend noch kurz einmal 20 Minuten Zeit am Stück investieren, um das Auto in ordentlichem Zustand zurückzubringen, ist wesentlich angenehmer als dafür zwei Adressen anfahren zu müssen. Die Waschanlage an „meiner“ Tanke wurde allerdings vor etlichen Monaten abgerissen um Platz für eine neue zu machen. So weit, so gut. Und seit kurzem: Tada!

Blick von der Zapfsäule zum Reinheitspark, Quelle: Sash

Sieht ja alles recht nett aus. Im Gegensatz zu früher ergibt sich allerdings ein kleines Problem: Die Waschanlage ist (zumindest war sie das kürzlich) nachts geschlossen. Viel nerviger aber ist: Die Kärcher zum selbst reinigen sind nur noch mit Münzen zu bezahlen. Das konnte man früher auch schon, aber alternativ dazu wurden auch an der Kasse erhältliche Jetons angeboten. Diese entfallen jetzt. Das Problem sollte offensichtlich sein: Ohne irgendeine Form von Beleg kann ich die Kosten nicht an  meine Chefs weitergeben.

Die ermahnen uns zwar ständig, kein privates Geld ins Auto zu investieren, da das ihre Aufgabe sei, aber natürlich wollen sie die Ausgaben auch absetzen können und bei aller vertrauensvollen Atmosphäre bei uns im Büro erwarte ich trotzdem, einen Vogel gezeigt zu bekommen, wenn ich einfach reinspaziere und frag, ob sie mir mal eben einen Zehner geben könnten, weil ich öfter mal das Waschen privat gezahlt habe. Im Winter mal kurz für 50 Cent den groben Dreck wegspritzen mache ich natürlich auch mal so, wenn mir das Geld kein Schlangestehen an der Kasse wert ist, aber eine gründlichere Reinigung muss ja nun wirklich nicht zu meinen Lasten gehen.

Aber aus o.g. Gründen werde ich dafür jetzt wohl woanders aufschlagen müssen. Schade eigentlich.

Und sonderlich clever von der Tankstelle vielleicht auch nicht. Schließlich gibt es ein paar Taxifahrer, die prinzipiell die gleichen Probleme haben …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Noch kürzer …

„Fährste uns zum Fritz-Club?“

Ja gut, eine wirklich lohnende Tour ist das nach 20 Minuten Anstehen am Berghain nicht. Aber hey, einer von denen ging auf Krücken. Möge eine gewaltige Woge plötzlichen Arschbrandes den Kollegen heimsuchen, der die Fahrt zuvor abgelehnt hat!

 

Größere Kartenansicht